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"Griechenland entwickelt sich wirtschaftlich hervorragend"

Für den Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber, ist die Debatte über einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland "nicht zielführend". Griechenlands Wirtschaft entwickele sich positiv. Nun einen Schuldenschnitt herbeizureden sei das Dümmste, was man tun könne.

Markus Ferber im Gespräch mit Christiane Kaess | 26.08.2013
    Christiane Kaess: Die Union hätte das Thema lieber nicht in den Wahlkampf gezogen, aber so ist es jetzt gekommen. Seitdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über ein drittes Hilfspaket für Griechenland gesprochen hat, wird nicht nur politisch über diese Aussage gestritten. Auch die Wähler fragen sich, was kommt da finanziell noch auf den Steuerzahler zu. Immerhin wurden bereits zwei Rettungsprogramme für Griechenland geschnürt, für circa 235 Milliarden Euro. Bisher haftet Deutschland mit fast 80 Milliarden Euro. Am Wochenende drehte sich die Diskussion weiter, unter anderem meldete sich EU-Kommissar Günther Oettinger zu Wort. Er rechnet damit, dass Griechenland in den nächsten drei Jahren erneut einen kleinen zweistelligen Milliardenbetrag benötigt. Am Telefon ist Markus Ferber, er ist Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament. Guten Morgen!

    Markus Ferber: Schönen guten Morgen!

    Kaess: Herr Ferber, warum weiß Angela Merkel nicht, was Günther Oettinger weiß.

    Ferber: Ich glaube nicht, dass Herr Günther Oettinger mehr weiß als Angela Merkel. Fakt ist, dass in dem zweiten Rettungspaket beschlossen wurde, im Frühjahr 2014 Bilanz zu ziehen, das wusste jeder. Und jeder weiß, dass das Rettungspaket bis Ende 2014 läuft. Ziel ist es, Griechenland wieder an die Finanzmärkte zurückzuführen, und deswegen ist die ganze Diskussion über Schuldenschnitte nicht zielführend, weil genau das Gegenteil damit erreicht wird, damit wird Griechenland nie an die Finanzmärkte zurückkehren können.

    Kaess: Aber man könnte sagen, Günther Oettinger spricht Klartext.

    Ferber: Was heißt Klartext? Griechenland entwickelt sich wirtschaftlich hervorragend. Die Eurozone insgesamt entwickelt sich positiv, wir haben steigende Übernachtungszahlen in Griechenland in diesem Sommer, und wenn die Eintreibung der Mehrwertsteuer so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, dann wird sich der Primärüberschuss, den Griechenland ja jetzt schon erzielt hat, noch deutlich erhöhen. Der Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle. Die Zahlen liegen noch nicht vor, und deswegen ist alles, was da zurzeit stattfindet, Kaffeesatzleserei auf Zahlen, die es nicht gibt. Und deswegen kann ich nur zu Ruhe und Gelassenheit ermahnen. Erst, wenn die Zahlen vorliegen, kann ein Schlussstrich gezogen werden. Wir werden auf alle Fälle zum Beispiel als Europäische Union ein Hilfspaket machen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, das ist beschlossen, die Gelder stehen zur Verfügung. Ich weiß nicht, ob das mit eingerechnet wurde, aber wenn man solche Dinge dann auch als Hilfspaket bezeichnet, dann haben wir welche. Auf der anderen Seite, noch mal: Dreistellige Milliardenbeträge wird es nicht benötigen.

    Kaess: Aber dennoch spricht einiges dafür, dass Günther Oettinger mit seiner Einschätzung richtig liegt, denn auch Griechenlands Finanzminister Stournaras schätzt ein mögliches drittes Rettungspaket auf rund zehn Milliarden Euro. Der muss es doch wissen.

    Ferber: Ja, aber was Stournaras gesagt hat, war ein Investitionspaket. Das sind Dinge, die wir aus den Strukturfonds machen können. Wir wollen im Bereich der überbetrieblichen Ausbildung als Europäische Union was machen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, wir wollen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit einige Dinge in Griechenland machen als Europäische Union. Wenn man das als drittes Hilfspaket bezeichnet, dann ist das eine ganz andere Nummer als das, was zurzeit in Deutschland diskutiert wird.

    Kaess: Aber Herr Ferber, die Opposition fordert, Angela Merkel solle den Bürgern endlich reinen Wein darüber einschenken, dass uns die Stabilisierung der Eurozone noch etwas kosten wird. Ist das nicht fair, den Wählern das jetzt zu sagen?

    Ferber: Ja, aber die Zahlen liegen doch auf dem Tisch. Es gibt den Gesamthaftungsrahmen der Bundesrepublik Deutschland, den der Bundestag mit großer Mehrheit …

    Kaess: Es geht um Mehrkosten.

    Ferber: Nein. Es geht immer um Dinge innerhalb dieses Haftungsrahmens. Hier werden ja immer wieder verschiedene Dinge zusammengewürfelt, die nicht zusammengehören.

    Kaess: Es geht konkret um ein drittes Rettungspaket.

    Ferber: Nein, noch mal: Der Gesamthaftungsrahmen der Bundesrepublik Deutschland ist bekannt für die Eurozone. Das haben alle Parteien miteinander beschlossen. Die 80 Milliarden sind ja nicht nur die Haftung für Griechenland, sondern für alle Hilfspakete, die für Zypern, für Irland, für Portugal und für Griechenland aufgestellt wurden. Wenn man die Dinge mal ein bisschen auseinander hält, dann würde das schon sehr zur Versachlichung beitragen, und da hätte die Opposition durchaus Verdienste, das auch zu tun. Sie hat das alles mit beschlossen, und die Opposition war die Partei, die damals Griechenland in den Euro geführt hat, das waren die, die damals den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht haben. Die sollen also jetzt nicht hier so tun, wie wenn Frau Merkel schuld wäre an der Misere.

    Kaess: Also Sie sagen, mehr kommt nicht dazu, Punkt?

    Ferber: Der Haftungsrahmen ist eindeutig festgelegt.

    Kaess: Nun, was das dritte Rettungspaket betrifft – ein mögliches drittes Rettungspaket, muss man sagen – und die Äußerungen von Wolfgang Schäuble. Nun gibt es FDP-Stimmen, die warnen vor Blankozusagen für die Regierung in Athen, und sagen, man solle keine neuen Pakete in Aussicht stellen, bevor nicht alle vereinbarten Reformen umgesetzt sind. Hat Wolfgang Schäuble denn einen Fehler gemacht?

    "Wer einen Schuldenschnitt fordert, erhöht den Haftungsrahmen Deutschlands"

    Ferber: Ich glaube nicht, dass Wolfgang Schäuble hier einen Fehler gemacht hat. Tatsache ist, dass im Frühjahr 2014 vorgesehen war, Bilanz zu ziehen über die Umsetzung der Verpflichtungen Griechenlands aus den beiden Rettungspaketen und Bilanz zu ziehen war, wie weit Griechenland vorangeschritten ist in der Sanierung des Haushaltes und in der Fähigkeit, an die Finanzmärkte zurückzukehren. Das ist 2014 zu prüfen. Mehr kann keiner sagen heute …

    Kaess: Warum hat Wolfgang Schäuble dann über ein drittes Rettungspaket gesprochen?

    Ferber: Bitte fragen Sie den Herrn Doktor Schäuble. Ich bin Europaabgeordneter und nicht Sprecher des Bundesfinanzministers.

    Kaess: Sie können sich das nicht erklären, diese Äußerung?

    Ferber: Ich kann es mir nicht erklären, weil das sich aus den bestehenden Entwicklungen so nicht ergibt. Ganz im Gegenteil, Griechenland hat heuer steigende positive Wirtschaftszahlen, steigende Übernachtungszahlen im Tourismus, das sind alles sehr positive Signale.

    Kaess: Das sieht die Opposition ganz anders. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin sagt, durch ihr wahltaktisches Hinauszögern steigere Angela Merkel sogar die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Schuldenschnitts.

    Ferber: Also einen Schuldenschnitt herbeizureden ist das Dümmste, was man nur tun kann. Ich kann nur davor warnen. Wer Trittin wählt, der kriegt den Schuldenschnitt. Und deswegen sollte das als Wahlkampfgeplänkel abgetan werden. Wer einen Schuldenschnitt fordert, sorgt dafür, dass Griechenland nie mehr an die Finanzmärkte zurückkehren wird, und andere Länder ebenfalls nicht, und erhöht damit den Haftungsrahmen Deutschlands. Und das wissentlich zu tun, ist höchst unverantwortlich.

    Kaess: Aber Herr Ferber, wenn wir ganz ehrlich sind, befinden wir uns nicht in dieser Zwickmühle, das heißt, ohne Schuldenschnitt kann Griechenland eigentlich das Ziel nicht erreichen, sich selber zu finanzieren, und mit Schuldenschnitt zahlen letztendlich die öffentlichen Gläubiger?

    Ferber: Also, ich will schon mal darauf hinweisen, dass Griechenland bereits zwei Schuldenschnitte bekommen hat, die beide nicht von Pappenstiel waren. Das waren insgesamt Volumina von weit über 100 Milliarden Euro, wo hier Schulden erlassen wurden. Das ist, bezogen auf die Wirtschaftskraft Griechenlands, eine ordentliche Stange Geld gewesen. Diese Maßnahmen haben nicht dazu geführt, zur Stabilisierung beizutragen, und deswegen ist das Herbeireden eines dritten Schuldenschnittes das Gefährlichste und das Dümmste, was man nur tun kann, weil es dauerhaft für einen größeren Haftungsrahmen Deutschland führt. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was Angela Merkel erreichen will. Und zurecht erreichen wird.

    Kaess: Können Sie einen weiteren Schuldenschnitt ausschließen?

    Ferber: Einen weiteren Schuldenschnitt haben die Finanzminister auf europäischer Ebene bereits vollständig ausgeschlossen, und deswegen gehe ich nicht davon aus, dass es noch mal kommen wird.

    Kaess: Bei der Diskussion um mögliche weitere Hilfen für Griechenland hat Griechenlands Finanzminister Stournaras gesagt, zusätzliche Hilfen sollten nicht an weitere Bedingungen geknüpft werden. Zeigt sich da eine gewisse Reformmüdigkeit in Athen?

    Ferber: Ich glaube, das ist vereinbart auf europäischer Ebene, und das ist auch in Griechenland bekannt: Wer die Hilfe der Gemeinschaft will, der muss auch die Spielregeln der Gemeinschaft akzeptieren. Und da hat Griechenland bereits viel erreicht. Aber im Bezug auf das, was Sie versprochen haben, würde ich mal sagen, ist Halbzeit erreicht und noch nicht Ende der Spielzeit. Und in der zweiten Halbzeit hat Griechenland noch einiges zu tun im Bereich der Privatisierung zum Beispiel. Im Bereich der Durchsetzung des Steuerrechts, das jetzt in Kraft getreten ist, zu Beginn diesen Jahres. Griechenland hat was zu tun im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit, im Bereich von Entbürokratisierung, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Da ist noch viel zu tun, und da werden wir Griechenland auch unterstützen durch administrative Hilfe, aber wer sagt, er will keine weiteren Reformanstrengungen mehr unternehmen, der hat auch nicht die Solidarität der Gemeinschaft verdient.

    Kaess: Zum Schluss noch kurz zu einem anderen Thema: Am Wochenende wurde berichtet, dass der US-Geheimdienst NSA nicht nur die Europäische Union, sondern auch die Zentrale der Vereinten Nationen abhört. Nun fordert SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück, wegen der Spähaffäre sollten die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen ausgesetzt werden. Ist das die richtige Reaktion?

    Ferber: Ich halte das für eine unangemessene Reaktion. Das Gegenteil ist richtig. Wer mit Partnern nicht mehr redet, nicht mehr verhandelt, der sorgt dafür, dass sie weiterhin tun und lassen können, was sie wollen. Was Amerika hier getan hat, ist inakzeptabel, ist einem demokratischen Rechtsstaat unangemessen.

    Kaess: Dennoch sollte es keinerlei Reaktion darauf geben?

    Ferber: Nein, aber die Reaktion, die richtiger wäre, und das ist das, was wir im Europaparlament beschlossen haben, dass genau das Thema Datenschutz, Zusammenarbeit im Bereich des Datenschutzes, aber auch Zusammenarbeit in der Inneren Sicherheit als Erstes im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen verhandelt wird. Das ist der richtige Ansatz. Wer nicht verhandelt, der sorgt dafür, dass Amerikaner weiterhin tun und lassen, was sie wollen.

    Kaess: Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Ferber!

    Ferber: Gerne, Frau Kaess!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.