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Griechenland-Gipfel
"Wir brauchen einen Vertrauensaufbau"

Die Griechenland-Krise sei kein Konflikt zwischen Deutschland und Griechenland und auch nicht zwischen Nord- und Südeuropa, sagte Manfred Weber (CSU) im DLF. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament betonte, es sei vielmehr eine schlichte Frage des Vertrauens in die griechische Regierung. Nun müsse das Ganze so gestaltet werden, dass sich die Mitglieder der Eurogruppe auch untereinander wieder vertrauten.

Manfred Weber im Gespräch mit Bettina Klein | 13.07.2015
    Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament im Juli 2014
    Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament (picture-alliance / dpa / Tobias Hase)
    Premierminister Alexis Tsipras habe im griechischen Parlament Samstagnacht für ein Ja zur europäischen Sparpolitik geworben. Das sei ein Signal dafür gewesen, dass Griechenland wieder am Verhandlungstische sitze und nun wieder Gespräche möglich seien, sagte Weber. Zwar sei Athen damit einen Schritt auf die Partner zugekommen, aber das reiche den Gläubigern bislang noch nicht.
    Für das europäische Projekt im Zuge der Krise sieht der CSU-Politiker keine Gefahr. "Wir haben schon ganz andere Krisen gemanagt." So wie zum Beispiel 2009, als der Euro zur Debatte gestanden habe. Derzeit gehe es um die Griechenland-Krise, die man gemeinsam lösen wolle, und nicht um eine Eurokrise. "Die Kompromissfähigkeit, die werden wir auch mit diesem Gipfel wieder unter Beweis stellen."

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Am Telefon begrüße ich den CSU-Politiker Manfred Weber. Er ist der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament. Guten Morgen, Herr Weber.
    Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Sie verfolgen ebenfalls, was sich da in Brüssel tut im Augenblick. Was ist Ihr Stand? Woran hakt es im Augenblick?
    Weber: Die letzte große Frage ist jetzt der Treuhand-Fonds, die Sicherheiten, die die Geldgeber erwarten von Griechenland, die dann von außen auch verwaltet werden, weil die zentrale Frage der letzten Tage - das ist uns ja allen bewusst - ist die Vertrauensfrage.
    Es ist kein Konflikt zwischen Deutschland und Griechenland, es ist kein Konflikt zwischen Arm und Reich in Europa und auch nicht zwischen Nord und Süd, sondern es ist eine schlichte Vertrauensfrage in diese Regierung und das gilt es jetzt in irgendeiner Form so zu gestalten, dass wir wieder Vertrauen gewinnen können.
    "Wir wollen sehen, wo Syriza steht"
    Klein: Wir haben schon mehrfach heute Morgen angesprochen die Vorschläge, die kursieren vonseiten der Eurogruppe, dass man Griechenland bewegen möchte, auch in den nächsten Tagen schon bis Mittwoch, wie es ja heißt, noch mal Reformvorschläge in Gesetze umzugießen und da auf die Eurogruppe zuzugehen.
    Ist das jetzt die letzte Chance für Griechenland? Setzen die anderen Euro-Minister und Euro-Staats- und Regierungschefs Griechenland dort im Augenblick die sprichwörtliche Pistole auf die Brust?
    Weber: Die Zeit, so würde ich es formulieren, war ja eigentlich schon abgelaufen und durch die Samstag-Nacht-Entscheidung oder Freitag-Nacht-Entscheidung in Athen, um zwei Uhr, glaube ich, am Samstag in der Früh, hat ja das Athener Parlament dann die 180-Grad-Kehrtwende von Tsipras nachvollzogen. Er wirbt am Sonntag vorher für ein Nein und am Samstag in der Nacht wirbt er dann im Parlament für ein Ja. Er hat eine 180-Grad-Wende hingelegt und das war sozusagen das Signal, Griechenland ist wieder zurück am Verhandlungstisch, mit Griechenland kann man wieder reden. Wenn das nicht passiert wäre, hätten wir sowieso in dieser Nacht wahrscheinlich den Grexit erlebt, und insofern ist Griechenland mit einem Schritt wieder auf die Partner zugegangen.
    Das reicht aber den Partnern nicht, auch uns in der EVP-Fraktion nicht. Wir wollen, dass diese Woche auch bewiesen wird, dass man gesetzgeberisch in der Lage ist, Reformmehrheiten im Athener Parlament auf die Füße zu stellen, und deswegen muss ganz konkret beim Arbeitsmarkt, bei den Renten oder bei der Fragestellung Mehrwertsteuer diese Woche legislativ was beschlossen werden, und wir wollen sehen, wo Syriza steht.
    "Es ist enormer Schaden verursacht worden durch Tsipras"
    Klein: Aber das klingt doch schon sehr ambitioniert, schon rein aus technischen Erwägungen und Gesichtspunkten. Jetzt wirklich bis Mittwoch, das sind etwas mehr als 48 Stunden noch Zeit, um da etwas umzusetzen. Das ist einfach wahrscheinlich auch technisch überhaupt nicht realistisch.
    Weber: Frau Klein, wir diskutieren die Fragen ja nicht zum ersten Mal. Wir diskutieren sie ja seit Monaten und teilweise Jahren. Das heißt, die Pakete sind klar und wo ein Wille ist, wie das die Kanzlerin auch formuliert hat, ist auch ein Weg.
    Jeder Tag kostet verdammt viel Geld, wenn die Banken geschlossen bleiben. Es ist enormer Schaden verursacht worden durch Tsipras. Allein die Banken wieder zu öffnen, kostet 25 Milliarden Euro, und das ist verursacht worden durch das unverantwortliche Verhalten von Tsipras und deswegen brauchen wir jetzt umgehend Signale, klare Beweise, dass die politischen Mehrheiten stehen. Die pro-europäischen Parteien wie Potami und auch die Nea Dimokratia, die Partnerpartei der Europäischen Volkspartei, stehen klar zum Reformkurs. Sie sind bereit, Tsipras zu helfen. Aber Syriza muss das auch liefern.
    "Wir sind nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen"
    Klein: Stichwort Schaden. Wie groß ist der Schaden, der angerichtet wurde durch dieses lancierte oder an die Öffentlichkeit gelangte inoffizielle Papier, in dem von einem Grexit auf Zeit die Rede war, aus dem Bundesfinanzministerium?
    Weber: Ich sehe da keinen Schaden, weil es ein kombinierter Vorschlag war, so wie auch Ihr Bericht aus Berlin das deutlich gemacht hat, nämlich auf der einen Seite ein möglicher Grexit, dafür Schuldenrestrukturierung. Das ist jetzt vom Tisch, was man aus den Verhandlungskreisen hört, aber die Option durfte man auf den Tisch legen.
    Für uns in der EVP und auch unter Führung von Angela Merkel war immer klar, wir wollen eine Lösung, aber wir sind nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen.
    Das ist übrigens auch der Unterschied zur europäischen Sozialdemokratie. Hollande und Renzi treten auf nach dem Motto, es muss Griechenland gerettet werden, koste es was es wolle. Das ist nicht unsere EVP-Position. Übrigens auch die Position von Gabriel, der sich in Brüssel ja an die Seite von Hollande gestellt hat, ist, so wie es ja im Vorbericht deutlich geworden ist, schon unübersichtlich.
    Klein: Aber wahrgenommen wurde das Ganze als eine Art Erpressung in Richtung Griechenland, nämlich Restrukturierung und Umschuldung, aber nur, wenn ihr für fünf Jahre den Euro verlasst.
    Weber: Wenn jemand von einem europäischen Partner, nachdem bereits 320 Milliarden auf den Tisch gelegt worden sind, 80 Milliarden zusätzlich will, dann darf man Forderungen auf den Tisch legen. Das muss man klar sagen.
    Und die Forderung nach einem Grexit auf Zeit entstand ja aus der Überlegung heraus, dass das Vertrauen verspielt worden ist von Tsipras. Das ist jetzt wie gesagt mit dem Grexit auf Zeit vom Tisch.
    Wir brauchen zunächst einen Vertrauensaufbau. Anders wird es nicht gelingen, auch in den restlichen 19 Demokratien in der Eurozone Unterstützung zu bekommen. Und dann muss Griechenland auch ein Stück weit Kompetenzen abgeben. Der Treuhand-Fonds ist ein Signal, dass die Partner nur Geld geben, wenn sie auch über Sachwerte Einfluss bekommen und die auch fremdverwaltet werden.
    Wir sind in einer Situation, wo einfach das Vertrauen das große Problem ist, und das muss kompensiert werden mit neuen Strukturen.
    Klein: Herr Weber, Sie haben Frankreich gerade angesprochen. Abschließend: Es gibt die große Sorge, dass es im Prinzip jetzt auch Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich gibt, den beiden Ländern, die immer als europäischer Motor galten und deren Zusammenarbeit und Freundschaft einfach als unersetzlich gilt. Im Augenblick stehen die Sozialdemokraten an der Seite von Hollande. So haben Sie es gerade formuliert. Ist es nicht zwingend und wichtig, da möglicherweise auch mit verteilten Rollen zu spielen innerhalb der Bundesregierung?
    Weber: Na ja. Es wäre schon gut, wenn Deutschland mit der gemeinsamen Position auftritt und Gabriel dort zunächst mal unserer Bundeskanzlerin den Rücken stärkt. Allerdings Sie haben Recht: Europäisch betrachtet brauchen wir einen Kompromiss zwischen den beiden großen Motoren Europas, Deutschland und Frankreich, und die auch automatisch ja heute die beiden großen Parteifamilien, die Sozialdemokratie in Paris und die EVP in Berlin, vertreten.
    Wenn es dort gelingt, einen Weg zu finden, dann hat Europa einen Weg gefunden. Übrigens diese langen Nachtsitzungen, die man immer oft auch kritisiert an Europa, die sind aus meiner Sicht ja genau die Idee, nämlich Ringen, Ringen, Ringen, noch mal Ringen, um einen Kompromiss zu finden, und wir haben ja die letzten Tage erlebt wegen Tsipras Verhalten, was es bedeutet in Europa, wenn jemand nicht in Kompromiss denkt, sondern wenn jemand in Konfrontation und in Gewinner und Verlierer denkt, und das sollten wir beenden.
    "Ich sehe keine Gefahr für das europäische Projekt"
    Klein: Vielleicht noch kurz abschließend, Herr Weber: Wie groß ist die Gefahr für das europäische Projekt im Augenblick, jetzt nicht nur für das deutsch-französische Verhältnis?
    Weber: Ich sehe keine Gefahr für das europäische Projekt. Wir haben schon ganz andere Krisen gemanagt, denken Sie an 2009, wo der Euro wirklich zur Debatte stand. Heute reden wir von einer Griechenland-Krise, die wir gemeinsam lösen wollen, und nicht von einer Eurokrise. Und die Kompromissfähigkeit, die werden wir auch mit diesem Gipfel wieder unter Beweis stellen.
    Klein: Der christsoziale Europapolitiker Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Weber.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.