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Griechenland-Hilfen
"Briefe mit Unverbindlichkeiten reichen nicht"

Ernsthafte Gespräche mit der griechischen Regierung, das wünscht sich der deutsche Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU). Im DLF forderte er, Athen müsse endlich Klarheit schaffen, was seine Haushaltslage angeht und konkrete Reformpläne vorlegen. Es mache wenig Sinn, ohne diese Grundlagen zu verhandeln.

Steffen Kampeter im Gespräch mit Bettina Klein | 09.03.2015
    Porträt von Steffen Kampeter
    Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) (imago / Müller-Stauffenberg)
    Wenn die Eurofinanzminister am Nachmittag erneut zusammenkommen, um über finanzielle Unterstützung für Griechenland zu sprechen, dann erwartet Steffen Kampeter keine substanziellen Ergebnisse. Der Staatssekretär im Finanzministerium hält es dennoch für wünschenswert, dass endlich Klarheit geschaffen wird - darüber, wie es wirklich um die Finanzen Athens steht und welche Reformen die neue griechische Regierung anstrebt.
    "Griechenland muss jetzt endlich mit der Troika Verhandlungen und ernsthafte Gespräche führen. Es reicht nicht aus, Briefe mit Unverbindlichkeiten auszutauschen", sagte der CDU-Politiker. Bisher gebe es lediglich unklare Daten. Die vergangenen Wochen hätte die griechische Regierung sinnvoller nutzen können, so Kampeter.
    Die "Androhung" von Neuwahlen in Griechenland sieht er gelassen. Der griechische Finanzminister Yannis Varoufakis hatte sie für den Fall ins Gespräch gebracht, dass sich seine Regierung nicht mit der restlichen Eurogruppe einigt. Es sei den Griechen überlassen, wie oft sie an die Wahlurnen treten wollten, so Kampeter. Aber auch eine neue griechische Regierung müsse sich an alte Vereinbarungen halten.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: "Brüssel sieht Athen auf dünnem Eis" - so titelt die Süddeutsche Zeitung heute Morgen. Die Regierung von Alexis Tsipras erfüllt noch immer nicht die Mindestbedingungen, um weiteres Geld zu erhalten. Sie verweigert eine verlässliche Kassenprüfung durch die Kreditgeber, so das Blatt weiter.
    Am Telefon begrüße ich Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Guten Morgen, Herr Kampeter.
    Steffen Kampeter: Guten Morgen, liebe Frau Klein.
    Klein: Athen auf dünnem Eis, hören wir. Wie prekär ist die finanzielle Lage des Landes Griechenland heute Morgen?
    Kampeter: Na ja, das ist ja einer der Punkte, wo zwischen den Euro-Finanzministern und den griechischen Autoritäten jetzt schnellstmöglich Klarheit hergestellt werden muss, denn die Gespräche mit der Troika, die man jetzt Institutionen nennen soll, haben ja überhaupt noch nicht begonnen.
    Sie müssen Klarheit über die Haushaltslage in Griechenland bringen. Das ist ein Punkt, der zu den offenen heute im Laufe der Verhandlungen führen wird.
    Griechenland muss jetzt endlich mit der Troika die Verhandlungen und die ernsthaften Gespräche führen. Es reicht nicht aus, Briefe mit Unverbindlichkeiten auszutauschen, sondern jetzt ist harte Arbeit und harte Diskussion angesagt.
    "Nicht seriös einzelne Maßnahmen bewerten"
    Klein: Brüssel, die Europäische Union weiß auch nicht, wie es um die Finanzlage in Griechenland bestellt ist, und auch die griechische Regierung konnte darüber bisher keine klare Aufklärung bringen?
    Kampeter: Deswegen ist ja auch der Vorschlag der Eurogruppe und im Übrigen auch niedergelegt in dem letzten Beschluss, dass die griechische Regierung rasch mit den Institutionen, vormals Troika genannt, genau diese Fragen und nicht nur über die möglichen Maßnahmen diskutiert, sondern dass jetzt geguckt wird, was bedeutet das eigentlich, Regierungswechsel, veränderte Rahmendaten, veränderte wirtschaftliche Perspektiven. Es macht doch relativ wenig Sinn, mit unklaren Daten überhaupt seriös einzelne Maßnahmen zu bewerten.
    Klein: Die nun Institution genannte Troika will zurückkehren, obwohl Griechenland die Kooperation eigentlich aufgekündigt hatte. Rechnen Sie damit, dass diese Aufkündigung rückgängig gemacht wird?
    Kampeter: Sie ist ja eigentlich mit dem von der griechischen Seite akzeptierten letzten Beschluss der Eurogruppe rückgängig gemacht, denn dort steht ja ganz klar festgelegt, dass man mit den Institutionen jetzt wieder Gespräche aufnehmen will.
    Griechen haben Voraussetzungen für weitere Finanzhilfen noch nicht erfüllt
    Klein: Die griechische Regierung hat am Wochenende sich noch einmal beklagt über die Europäische Zentralbank und Alexis Tsipras hat formuliert, die EZB lege den Griechen die Schlinge um den Hals. Sehen Sie Möglichkeiten vonseiten der Europäischen Union, auch vonseiten der EZB, auf Griechenland substanziell gerade heute zuzugehen?
    Kampeter: Es ist ja nicht so, dass die Euro-Finanzminister von Griechenland etwas erbitten, sondern die griechischen Autoritäten erbitten eine weitere Finanzierung von Europa, und dafür müssen notwendige Voraussetzungen erfüllt werden.
    Das ist bisher noch nicht erfüllt und deswegen rechne ich heute Abend in der Eurogruppe auch nicht mit substanziellen Festlegungen. Der Deutsche Bundestag muss ja vor einer neuerlichen Auszahlung an Griechenland beteiligt werden. Die Grundvoraussetzung dafür ist ein Abschluss der Gespräche mit der Troika und eine positive Stellungnahme dieser Institutionen.
    Deswegen glaube ich nicht, dass Europa kurzfristig hier zu finanziellen Bewegungen kommt. Und was die Europäische Zentralbank angeht, ist das eine Entscheidung, die die Europäische Zentralbank im Rahmen ihres Mandates und im Rahmen ihres gesetzlich festgelegten Auftrages treffen muss. Das ist nicht Aufgabe der Eurogruppe, darüber zu befinden.
    Klein: Wir haben von der griechischen Seite eine Liste mit Vorschlägen auch gehört über das Wochenende, wie man nun Reformen angehen will. Da war schon aus Brüssel zu hören, so richtig zufrieden ist man damit eigentlich nicht. Inwiefern muss Griechenland darüber denn hinausgehen?
    Kampeter: Na ja, das Verfahren, was festgelegt ist, ist, dass man erst mal die Liste substanziell macht. Das beginnt mit dem finanziellen Status und der Bewertung der einzelnen Maßnahmen. Und es reicht hier nicht, eine Ankündigung festzulegen, sondern es muss erkennbar sein, dass es auch einen Umsetzungswillen gibt. Und im Übrigen ist ja auch vereinbart worden, dass wir keine Rückdrängung von Reformen machen. Beispielsweise ist ja zu lesen in den Medien, dass es um die Verlängerung von Kündigungsfristen oder Entschädigungszahlungen bei Kündigung geht oder die Stärkung anderer Rechte innerhalb Griechenlands, was im klaren Widerspruch zu der Festlegung steht, dass es Abweichung von Reformen nur im Einvernehmen mit den Institutionen gibt.
    Da muss die griechische Regierung - ich habe dieses Bild schon mal verwandt - jetzt nicht irgendwelche Papiere vorlegen, sondern harte Arbeit und verbindliche Festlegungen. Das ist das, was vor uns liegt. Ich glaube, die letzten Wochen hätte man dazu sinnvoller nutzen können.
    "Die Grundlinie muss stimmen"
    Klein: Wir haben immer wieder über den sogenannten Grexit gesprochen, also einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone. Da haben wir von der griechischen Regierung noch einmal gehört, das wolle man auf gar keinen Fall. Jetzt ist die Rede von Grexident, also von einem ungewollten, beinahe unfallhaften Ausstieg. Was ist denn da eigentlich der Unterschied und wie groß ist die Gefahr dafür?
    Kampeter: Weder das eine, noch das andere ist erklärtes Ziel der Eurogruppen-Finanzminister. Die Wortfindungen der Presse sind sehr, sehr kreativ.
    Ich glaube, wenn die griechische Regierung jetzt ernst macht mit der Fortsetzung der Reformen, brauchen wir uns über Alternativszenarien nicht ernsthaft Gedanken zu machen. Aber wichtig ist: Fortsetzung der Reformen, klares Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung, klares Bekenntnis zur Fortsetzung der Reformen, sicherlich auch mit anderen Akzenten und Schwerpunktsetzungen, aber die Grundlinie muss stimmen. Das erwartet Europa von Griechenland. Da gibt es wenig daran herumzudeuteln.
    Klein: Finanzminister Varoufakis hatte nun am Wochenende ein Referendum in Griechenland ins Gespräch gebracht und er hat auch mögliche Neuwahlen nicht ausgeschlossen. Wäre das ein sinnvoller oder ein gangbarer Weg für Griechenland nach Ihrer Meinung?
    Kampeter: Das ist Entscheidung der Griechen, ob und wie oft sie an die Wahlurne gehen. Das ist nicht Gegenstand einer Sache, die wir von Europa aus zu bewerten haben.
    Tatsache ist, eine neuerliche politische Bewertung von der griechischen Bevölkerung wird wenig mehr als eine Verzögerung der Programmfortsetzung bringen, denn wir respektieren die Wahlentscheidung. Aber mit Wahlentscheidungen in einem Land werden die demokratisch legitimierten Entscheidungen, die mit den übrigen 18 Eurogruppen-Ländern getroffen werden, ja nicht ungültig.
    Klein: Aber Sie empfinden das jetzt nicht als Drohung oder Erpressung? So ist es ja teilweise auch wahrgenommen worden, wenn man die Presse richtig gelesen hat.
    Kampeter: Ich habe es mir abgewöhnt, die Stellungnahmen der griechischen Regierung in der Öffentlichkeit spontan zu bewerten.
    Wichtig ist, was am Verhandlungstisch und was substanziell überprüfbar im Kern vorgelegt wird, und den Medien ist zu entnehmen, dass der Vorschlag des Herrn Varoufakis ja auch von der griechischen Regierung insgesamt wieder zurückgenommen worden ist.
    Klein: Der Anlass unseres Gespräches heute Morgen, Herr Kampeter, ist ja unter anderem auch das Treffen der Eurogruppe heute in Brüssel. Was können die Finanzminister denn maximal erreichen, wenn es noch keine endgültigen Beschlüsse geben wird?
    Kampeter: Wir können den Griechen deutlich machen, dass nur das Einhalten von Verträgen und das Erfüllen von Verpflichtungen, zuletzt eingegangen noch vor wenigen Wochen, gemeinsam mit den europäischen Finanzministern und von der griechischen Regierung auch da akzeptiert, der Schlüssel ist, dass es in Griechenland endlich weiter vorwärts geht und dass die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen das Land zweifelsohne in den nächsten Jahren stehen wird, nur gemeinsam mit den europäischen Autoritäten und nicht mit Ideologie, sondern mit pragmatischen Handlungen vorangetrieben werden können.
    "Wir brauchen mehr Wachstum in Europa"
    Klein: Herr Kampeter, heute beginnt die Europäische Zentralbank mit ihrem angekündigten unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen, letzten Endes ja auch eine Konsequenz aus einer krisenhaften Situation, die wir seit Jahren auch in der Eurozone erleben. Unterstützen Sie das uneingeschränkt?
    Kampeter: Ich glaube, das hat die Europäische Zentralbank im Rahmen ihres Mandates zu entscheiden. Was die Aufgabe der Politik ist, ist, die Reformen in Europa voranzubringen, denn die Begründung der Europäischen Zentralbank ist ja ein mangelndes Wachstum, eine daraus resultierende mangelnde Preissteigerung innerhalb der Eurozone. Das führt zu diesen außerordentlichen Maßnahmen. Ich glaube, dass die europäische Politik gut beraten ist, sich auf ihre Verantwortung zu konzentrieren.
    Das bedeutet, dass sie das Wachstumspotenzial innerhalb der Eurozone vorantreiben muss. Da sind ja Initiativen wie der Juncker-Plan selbstverständlich unterstützenswert. Darüber hinaus dürfen auch die einzelnen Regierungen nicht nachlassen, beispielsweise bei Haushaltsdisziplin oder bei der Reform der Arbeitsmärkte. Da ist viel zu tun. Die Europäische Zentralbank hat einen klaren Auftrag, aber auch die europäischen Politiken, die europäische Finanz-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik darf jetzt nicht nachlassen. Wir brauchen mehr Wachstum in Europa, um gegenüber Asien oder Amerika im globalen Wettbewerb zu bestehen.
    Da macht es relativ wenig Sinn, anderen öffentlich in ihre Aufgabe hereinzureden, sondern wir müssen unsere eigene Aufgabe entschlossen weiter verfolgen. Da ist auch bei uns in der Politik, nicht nur in der Geldpolitik, sehr viel zu tun.
    Klein: Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kampeter.
    Kampeter: Herzlichen Dank, Frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.