Dienstag, 19. März 2024

Archiv

The Smashing Pumpkins
Per Synthie in die 1980er

Mit ihrem 11. Studio-Album kehren die US-amerikanischen Alternative-Rock-Pioniere zu ihren Wurzeln zurück: Zwar nicht das beste Album von The Smashing Pumpkins, aber die Spur führt zurück in die Vergangenheit, zu den Anfängen, zu Synthesizern. Wo sind bloß die Gitarren geblieben?

Von Thomas Elbern | 05.12.2020
Vier Männer stehen vor einer Wand und blicken in die Kamera.Der zweite Mann von links trägt einen Hut.
The Smashing Pumpkins: Jeff Schroeder, Billy Corgan, James Iha, Jimmy Chamberlin (v.l.n.r.) (Jonathan Weiner)
Musik: "The Colour of Love"
Die Smashing Pumpkins und vor allem ihr Kopf Billy Corgan haben die 80er wiederentdeckt: Auf dem soeben erschienenen Album "Cyr" dominieren die Keyboards, der Einfluss von The Cure und Siouxsie and the Banshees in ihrer poppigen Phase ist deutlich hörbar.
"Tatsächlich haben wir in den 80er-Jahren angefangen und nicht, wie alle glauben, in den 90er-Jahren. Wir sind eine 80er-Band, und wenn es darum geht, neue Inspiration zu finden, gehen wir zurück zu unseren Einflüssen. Das waren New Wavebands aus England. In Chicago gab es damals es eine sehr vitale Alternativeszene. Es gab Clubs, die diese Musik gespielt haben, dort konntest du beispielsweise zum ersten Mal, lange bevor es im Radio lief, New Order’s "Blue Monday" hören. Und wenn wir eine neue Richtung einschlagen, besinnen wir uns immer auf unsere musikalischen Wurzeln."
Die 80er und ihr anhaltender Einfluß
Dabei gelten Smashing Pumpkins doch eigentlich als Rock-Band – wo also sind die tonnenschwer verzerrten Gitarren geblieben?
"Eine wichtige Inspiration für dieses Album war die Erkenntnis, dass die musikalische Architektur der frühen Gothicmusik eigentlich sehr modern ist. Hört man sich alte Musik der Sisters of Mercy oder Siouxsie and the Banshees an, dann reflektiert das sehr, was man heutzutage im amerikanischen Alternativeradio hört. Würde heutzutage eine Band wie die frühen Siouxsie and the Banshees oder die Sisters klingen, dann würde man sie jetzt im Radio spielen. Es ist die Art, wie sie mit Raum gespielt haben. OK, Gothic Musik mag nicht sehr melodisch sein, deswegen sind the Cure auch immer noch so groß, weil sie die Atmosphäre rüberbringen, aber trotzdem tolle Melodien komponieren."
Musik: "Wrath"
Viele unterschiedliche Top-Produzenten haben den langen musikalischen Weg von The Smashing Pumpkins unterstützt. Diesmal ist Billy Corgan selbst für den Sound verantwortlich. Das Selbstbewusstsein dafür hat er.
"Ich hatte Glück, denn ich konnte mit Leuten wie Rick Rubin, Alan Moulder, Flood und einigen anderen großen Produzenten arbeiten. Ich habe von ihnen eine Menge gelernt und brauche sie heute nicht mehr. Zum Beispiel Rick, obwohl er dieses Album nicht produziert hat, war er doch die ganze Zeit im Studio in meinem Kopf."
Musik: "Black Forest, Black hills"
Düstere Entdeckungsreise
"Die meisten Songs versuche ich am Klavier oder an der Akustikgitarre zu schreiben. Der Song "Black Forest, Black hills" war eher ein Einfall im Studio, in dem ich am Computer eine Sequenz programmierte, welche die Noten sehr schnell abspielt. Dann habe ich das etwas umprogrammiert und auf einmal klang diese Sequenz wie mysteriöse Schreie im Wald, die man im Hintergrund hört. Da hatte ich diese Idee von jemandem, der nachts in den Wald geht, entweder, weil er schon ermordet wurde aber davor wegläuft. Alles sehr gothic. Das war die Ausgangslage für diesen Song."
"Cyr" ist im Gesamtwerk der einst genrebildenen Band eine Zwischenstation. An den Sound von einst reicht es lange nicht heran. Wie auch? Der Sound von damals ist längst Geschichte. Doch für Hardcorefans ist Billy Corgan‘s melancholische Selbstreflexion durchaus hörenswert.
Zwischenstation einer langen Karriere
"Cyr" ist also eher ein Ausreißer in der Geschichte der Band. Denn so unterschiedlich wie Corgan’s musikalische Einflüsse, die zwischen Black Sabbath, ELO und und The Cure liegen, ist auch der gesamte Output der Pumpkins, die neben Nirvana eine der wichtigsten Indiebands der neunziger Jahre waren. Und sie haben mit Krachern wie "Bullet with butterfly wings" oder dem elegischen "Tonight Tonight" auf "Mellon Collie and the infinite sadness" gerade den Indiesound der 9oer Jahre definiert. Corgan, der Songs von Neil Young genauso leidenschaftlich covert wie die von Miley Cyrus, denkt mittlerweile auch über die Zukunft ohne Musik nach.
"Ich beschäftige mich gerade mit der Frage, wie lange möchte ich so weitermachen? Dass ich die Band größtenteils wieder vereint habe, fühlt sich sehr gut an. Auch das wir wieder neue Musik herausbringen, fühlt sich wie ein Privileg an. Trotzdem frage ich mich, wie lange möchte ich so weitermachen? Es gibt sicher andere Dinge, die mir Spaß machen würden und die nichts mit der typischen Rock’n Roll Maschinerie zu tun haben. Ich finde es toll in dieser Position zu sein, aber andererseits interessiert es mich immer weniger. Ich mache das jetzt so lange und vielleicht finde ich nun etwas, was mich mehr herausfordert. Also etwas, was meine Kreativität anspornt und mal nichts mit dem Rock’n Roll Zirkus zu tun hat."