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Griechenland: Hoffen auf den wirtschaftlichen Aufschwung

Die ungewisse Zukunft des Landes belastet vor allem die jungen Griechen. So auch Andonis. Der 32-jährige Wirtschaftswissenschaftler hat vor über einem Jahr seine Arbeit verloren. Und ein neuer Job ist trotz hoher Qualifikation nicht in Sicht - zumindest nicht in der Heimat.

Von Rodothea Seralidou | 16.05.2012
    Wenn Rallou spät abends nach Hause kommt, hat ihr Freund Andonis schon Abendessen gekocht. Gemeinsam decken sie den Tisch, während Rallou von ihrem anstrengenden Tag auf der Arbeit spricht. Der 32-jährige Andonis, ein sportlicher junger Mann mit Ziegenbärtchen, hat da weniger zu erzählen: Denn seitdem der diplomierte Wirtschaftswissenschaftler vor über einem Jahr seine Arbeit verloren hat, tut er jeden Tag das Gleiche:

    "Ich schicke ständig Bewerbungen an große Unternehmen, egal ob sie gerade Personal suchen oder nicht. Die meisten antworten erst gar nicht. Anfänglich habe ich was als Wirtschaftswissenschaftler gesucht, jetzt suche ich alles Mögliche, egal was für eine Arbeit es ist"

    Doch bis jetzt hatte er keinen Erfolg. Dabei hat Andonis alles, was sich ein Arbeitgeber wünschen könnte: Einen guten Universitätsabschluss, zusätzlich noch einen englischen Master, Fremdsprachenkenntnisse und Arbeitserfahrung. Ab und zu bekommt er zwar Anfragen von Firmen über sein Profil im Internet. Sämtliche Angebote kommen aber aus dem Ausland - vor allem aus den USA.

    "Kein einziges aus Griechenland. Das wundert mich, aber Auswandern ist im Moment nicht leicht. Es ist eine schwere Entscheidung"."

    Wäre Andonis allein, hätte er Griechenland schon längst verlassen. Doch er lebt seit zwei Jahren mit seiner Freundin zusammen. Sie teilen sich eine Zwei-Zimmer-Wohnung, 55 Quadratmeter groß. Als Langzeitarbeitsloser bekommt Andonis keinen einzigen Cent vom Staat. Die 800 Euro, die seine Freundin bekommt, müssen also für beide reichen:

    ""Es ist sehr schwer. Wir gehen nicht mehr aus, wir essen nur das Nötigste, oft bringen uns meine Eltern Essen mit, kochen und kaufen für uns ein. Ohne meine Eltern wäre die Situation noch viel schwieriger!". "

    Das Pärchen erhofft sich auch von den gerade angekündigten erneuten Neuwahlen keine Besserung. Denn mittlerweile liegt die Arbeitslosigkeit in Griechenland bei 22 Prozent, bei jungen Menschen sogar bei über 53 Prozent. Hält die wirtschaftliche Krise an, wird sich daran auch nichts ändern, so Ilias Kikilias, Chef des griechischen Arbeitsamtes.

    ""Der einzige wirklich effiziente Weg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist nun einmal der wirtschaftliche Aufschwung. Einen anderen Weg gibt es nicht! Und wir befinden uns seit fünf Jahren in einer Rezession, die sich immer mehr verstärkt!"

    In den letzten zweieinhalb Jahren habe das griechische Arbeitsamt insgesamt 57 unterschiedliche Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit umgesetzt. Die Situation sei aber so dramatisch, dass die ausgeschriebenen Stellen den Bedarf bei Weitem nicht decken können.

    "Diese Programme sollen vor allem Arbeitsstellen sichern, oder Anreize schaffen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Vor allem junge Arbeitssuchende, Frauen oder ältere Menschen. Und es finden Weiterbildungen statt. Bis heute haben über 900.000 Menschen davon profitiert. Wir schätzen, dass ohne diese Programme die Arbeitslosigkeit noch höher wäre und zwar um fünf oder gar sechs Prozent!"

    Der Gesamtetat für solche Programme liegt bei 3,5 Milliarden Euro- größtenteils finanziert durch den Europäischen Sozialfonds. Doch die griechischen Unternehmen können nur begrenzt davon profitieren. Denn das EU-Recht sieht vor, dass ein Arbeitgeber innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 200.000 Euro Unterstützung erhalten darf.

    "Das bedeutet, dass ein Unternehmen mit 50 Angestellten dieses Geld schon im ersten Jahr verbraucht hat. Im nächsten Jahr darf es also keine Subventionen mehr bekommen. Für Griechenland, aber auch für Portugal, Spanien müsste da eine Ausnahme gelten. Denn diese Richtlinie will den unlauteren Wettbewerb bekämpfen. Hier haben wir es aber mit einer tiefen wirtschaftlichen Krise zu tun!"

    Auch die Firma, bei der Andonis angestellt war, konnte nur begrenzt Hilfe für die Sicherung der Arbeitsstellen bekommen. Als sein Arbeitgeber anfing, Stellen zu streichen, war Andonis als lediger junger Akademiker der erste, der gehen musste:

    "Ich war der einzige mit einem Uni-Abschluss, deshalb dachte man, ich würde schnell wieder eine neue Arbeit finden. Aber es hat sich gezeigt, dass das nicht stimmt. Ans Aufgeben denke ich aber nicht! Ich suche weiter!"

    Weitere Teile der Serie:
    Teil 1: Spanien: Hilfe zur Selbsthilfe - die Kooperative "Sinérgias"
    Teil 2: Frankreich: Hoffen auf den "Präsident der Jugend"