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Griechenland
IWF fordert Schuldenerleichterungen

Deutliche Schuldenerleichterungen für Griechenland, so lautet die Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Vorfeld des morgigen Euro-Finanzministertreffens in Brüssel. Das sieht auch die griechische Regierungspartei Syriza so: So müssten nicht noch weitere Sparprogramme beschlossen werden, die die Rezession im Land verschärften.

Von Jerry Sommer | 23.05.2016
    Demonstranten in Athen protestieren gegen geplante Reformen der Regierung.
    Trotz der Proteste in der Bevölkerung hat das griechische Parlament in Athen ein weiteres Sparpaket der Regierung gebilligt. (AFP / LOUISA GOULIAMAKI)
    Bis 2040 keine Zinszahlungen und eine Schuldenstreckung bis 2080: Der Internationale Währungsfonds hat vor dem Treffen der Euro-Finanzminister deutliche Schuldenerleichterungen für Griechenland gefordert. Denn ohne diese könne das Land nicht wieder auf die Beine kommen – die Schulden seien langfristig nicht tragbar.
    Viele Euro-Finanzminister halten solche Schuldenerleichterungen jedoch jetzt nicht für notwendig. Der Streit zwischen den Kreditgebern wird in Griechenland aufmerksam verfolgt. Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Angelos Tsaganikas vom Athener Wirtschafsforschungsinstitut IOBE:
    "Jetzt die Rückzahlung der Schulden nach hinten zu verschieben oder die Zinsen zu senken, ja selbst Schulden, die 2035 anfallen, zu erlassen, - das alles würde für einen Wirtschaftsaufschwung heute nicht wirklich relevant sein."
    Syriza kritisiert Spar- und Reformpläne der Gläubiger
    Griechenland muss dieses Jahr Schulden in Höhe von 17 Milliarden Euro an die internationalen Gläubiger zurückzahlen. Im nächsten Jahr werden es lediglich neun Milliarden, 2018 sogar nur fünf Milliarden sein. Diese Belastung sei durchaus tragfähig, glaubt Tsaganikas:
    "Es geht bei der Debatte mehr um Politik und nicht um Ökonomie. Denn es ist doch nicht so, dass Investoren Griechenland meiden, weil sie fürchten, dass das Land 2040 kein Geld mehr zur Schuldentilgung hat. Sie kommen nicht wegen der aktuellen großen Unsicherheit, dem Investitionsklima und dem Steuersystem."
    Sein Kollege vom selben Wirtschaftsforschungsinstitut, Nikos Vettas, widerspricht:
    "Wenn sich die Gläubiger zum Beispiel verpflichten würden, dass die zukünftigen Schuldzahlungen einen bestimmten Anteil des Bruttosozialprodukts nicht überschreiten, dann würde diese Sicherheit schon heute Investitionen erleichtern."
    Die Regierungspartei Syriza setzt die Spar- und Reformpläne der Gläubiger zwar im Wesentlichen um - wenn auch widerwillig. Den wirtschaftspolitischen Kurs der internationalen Kreditgeber halte die Partei aber weiterhin für falsch, sagt Syriza-Abgeordneter Makis Balaouras, der Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Parlament:
    "Die Sparpolitik in Europa führt nicht zum Erfolg. Im Gegensatz zu den USA, die auf eine keynesianische Politik - also höhere Staatsausgaben gegen die Krise -, gesetzt haben, hat die EU eine neoliberale Strategie verfolgt, die die Länder in die Rezession führt."
    Schuldenerleichterungen sollen Investoren ermutigen
    Syriza hat ursprünglich einen drastischen Schuldenschnitt gefordert. Auch wenn manche Ökonomen das nach wie vor für geboten halten, wird diese Forderung von der Partei nicht mehr erhoben. Syriza plädiert hingegen wie der Internationale Währungsfonds für Schuldenerleichterungen. Syriza-Wirtschaftspolitiker Balaouras:
    "Wir wollen eine Verminderung der Schulden, zum Beispiel durch verlängerte Rückzahlungsfristen, mit niedrigeren Zinsen und mit einem langen Zeitraum, in dem die Zinszahlungen erst einmal ausgesetzt sind."

    Auf diese Weise, so Balaouras, könne wieder eine gewisse Normalität im Land einkehren, die auch Investoren zu Investitionen ermutige. Doch ob nicht größere Anstrengungen, zum Beispiel Konjunkturprogramme, nötig sind, ist umstritten. Denn Investitionsentscheidungen und Gewinnerwartungen werden auch von anderen Faktoren beeinflusst: Jeder vierte Grieche ist arbeitslos, rund 40 Prozent der Griechen leben an oder unterhalb der Armutsgrenze, die Kapazitäten vieler Betriebe sind gegenwärtig nur zur Hälfte ausgelastet.
    Sicher ist, dass Schuldenerleichterungen der griechischen Politik einen größeren Handlungsspielraum verschaffen würden. Pro Jahr muss es – über die Schuldentilgung hinaus - etwa sechs Milliarden Euro allein für Schuldzinsen ausgeben. Wenn die Zinsen gesenkt oder gar gestundet würden, hätte das Land ein wenig mehr Geld zum Beispiel für öffentliche Investitionen. Es müsste nicht noch weitere Sparprogramme beschließen, die die Rezession verschärfen. Der größte Teil der neuen Kredite wird ohnehin für die Schuldentilgung verwendet – und nicht, um ein Wirtschaftswachstum anzukurbeln.