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Konjunktur in der Pandemie
Neue Hilfen gegen drohende Pleitewelle

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will die angeschlagene Wirtschaft in Deutschland weiter unterstützen - und den Empfängerkreis erweitern. Wirtschaftsexperten begrüßen das, fordern jedoch zielgerichtete Hilfen. Kritik gibt es vor allem für die Senkung der Mehrwertsteuer.

Von Theo Geers | 14.10.2020
"nur noch ein paar Tage!" und "Raeumungsverkauf" steht im Schaufenster eines kleinen Schuhladens, der in der Corona-Pandemie schliessen muss.
Viele Unternehmer müssen wegen der Umsatzeinbußen in der Corona-Pandemie ihre Geschäfte aufgeben. (picture alliance/dpa/Wolfram Steinberg)
Die steigenden Infektionszahlen und damit der mögliche Verlauf der Corona-Pandemie bleiben das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Um 5,4 Prozent dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen, das ist drei Monate vor Jahresende nahezu gesichert. Die Erholung um 4,7 Prozent im nächsten Jahr, die sich 2022 mit plus 2,7 Prozent fortsetzen soll, steht da schon auf wackeligeren Füßen.
Denn die Pandemie oder eine dadurch immer noch drohende Pleitewelle sind nicht das einzige Risiko, sagt Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel: "Ferner schwelen Handelskonflikte: Insbesondere zwischen den USA und China, transatlantisch und auch zwischen der EU und Großbritannien."
Wobei sich die Folgen des Brexit vielleicht noch in dieser Woche etwas begrenzen lassen, es ist das Thema ab morgen auf dem EU-Gipfel. Gebremst wird die Erholung hierzulande zudem von Branchen, die auf soziale Kontakte angewiesen sind. Gaststätten, Hotels, der Tourismus, Messeveranstalter oder die Luftfahrt – sie alle bleiben zurück. Auch deshalb plant Wirtschaftsminister Peter Altmaier, bestehende Hilfen für Unternehmen nicht nur um ein halbes Jahr bis zum Ende Juni 2021 verlängern. Altmaier will den Empfängerkreis auch verbreitern. Dafür gibt es von Stefan Kooths auch im Namen der anderen Wirtschaftsforschungsinstitute ein unüberhörbares Lob.
"Das geht schon in die richtige Richtung, aber man müsste es dann an anderen Kennzahlen festmachen als nur an Umsatzrückgängen."
Mehr Hilfe für Selbstständige
Tatsächlich sind von den 25 Milliarden Euro, die an Wirtschaftshilfen seit dem Frühjahr bereitgestellt wurden, erst 1,1 Milliarden abgeflossen. Altmaier will nun nicht nur die Abschreibungsmöglichkeiten verbessern. Er denkt auch an Tilgungszuschüsse oder daran, auch den Unternehmerlohn vom Staat übergangsweise mitzufinanzieren. Dies würde hunderttausenden Kleinstunternehmern, Soloselbständigen und Kulturschaffenden helfen. Ihnen haben die bislang gewährten Kostenzuschüsse wenig gebracht, weil sie keine Kostenausfälle hatten, dafür aber über Monate hinweg Verdienstausfälle, die wiederum nicht abgedeckt waren. Ein Unternehmerlohn würde dies ändern.
Ein Mann arbeitet von Zuhause aus.
Verbandssprecher der Selbstständigen: "Lieber wenig Geld, aber das unbürokratisch"
Viele Selbstständige könnten momentan nicht arbeiten, sagte Andreas Lutz vom Verband der Selbstständigen, im Dlf. Die Grundsicherung helfe nicht.
Begrüßt werden diese Ideen vom CDU-Wirtschaftsflügel bis zur Linkspartei – das einhellige Urteil: Überfällig. Solche gezielten Hilfen sind auch ganz im Sinne der Wirtschaftsforscher. Denn an dem Wumms, sprich den geballten Milliardenhilfen der Regierung, kritisieren sie vor allem die bis zum Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung. Sie sei genau das Gegenteil von zielgerichtet kritisiert Uwe Holtemöller vom IWH Halle. Sein Gegenvorschlag:
"Maßnahmen, die zielgerichtet daran ansetzen, dass auch während der Pandmie Beschulung sichergestellt ist. Das ist ja auch teuer, da muss auch Geld in die Hand genommen werden. Das wären auch Dinge, die sehr viel wirksamer werden."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Die Forscher fürchten auch, dass die Mehrwertsteuersenkung schlicht verpuffen könnte. Denn nicht nur Unternehmen halten sich zurück, sondern auch die Verbraucher. Sie dürften aus Vorsicht allein in diesem und dem kommenden Jahr 150 Milliarden Euro auf die hohe Kante legen.
Stefan Kooth: "Sollten die privaten Haushalte darauf zurückgreifen, würden hiervon zusätzliche Impulse ausgehen und der private Verbrauch zu Vorkrisenniveau aufschließen."