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Griechenland-Krise
Die zwei Varianten eines "Grexit"

Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist kein undenkbares Szenario mehr. Allerdings sehen die europäischen Verträge gar nicht vor, dass ein Staat - weil er will oder weil er gezwungen wird - die Währungsunion verlässt. Juristen und Analysten sehen dennoch Möglichkeiten, dass genau das eintreten könnte. Zwei mögliche Varianten.

Von Annette Riedel | 03.07.2015
    Aus Scrabble-Buchstaben ist der Schriftzug GREXIT zusammengestellt.
    Bei einem "Grexit" - dem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone - steht viel auf dem Spiel. (pa/dpa)
    "Grexit" oder "Graccident" - bei den seit Wochen kursierenden Wortschöpfungen geht es um den mehr oder weniger gewollten Austritt Griechenlandes aus der Eurozone, das Verlassen der Wirtschafts- und Währungsunion. Niemand scheint das tatsächlich zu beabsichtigen, auch nicht die Griechen. Wenn es aber doch in diese Richtung liefe, gäbe es dann, angelehnt an einen Satz der Bundeskanzlerin, einen Weg, wenn der Wille da ist?
    Variante Eins
    Griechenland will den Euro aufgeben. Gibt es dafür einen juristisch einwandfreien Weg? Nein, sagt der Chefanalyst der wirtschaftspolitischen Brüsseler Denkfabrik Breugel, Zsolt Darvas: "Nach den geltenden europäischen Verträgen ist die Antwort eindeutig: Nein - es gibt keinen legalen Weg für den Ausstieg eines Landes aus der Eurozone."
    Dass die Europäischen Verträge das auch in Bezug auf die Wirtschafts- und Währungsunion nicht hergeben - das sieht der Jurist Norbert Horn, Universität Köln, zwar genauso. Aber: "Das ist nirgends geregelt, aber meiner Meinung nach möglich", sagt der emeritierte Professor für Zivil-, Wirtschafts- und Bankenrecht. "Es gibt keine geschriebene Rechtsgrundlage. Aber es wäre die Möglichkeit, die anderen Staaten davon zu überzeugen. Und dann wird niemand daran zweifeln, dass man die Griechen dann gehen lässt."
    Aus dem Euro gehen lassen wird man sie nicht können, argumentiert dagegen Zsolt Darvas. Aber die wirtschaftliche Lage könnte Griechenland schlussendlich doch dazu zwingen, sich aus der Eurozone zurückziehen zu müssen. Wenn es tatsächlich zu keiner Einigung über die künftige finanzielle Unterstützung der internationalen Kreditgeber käme, gingen dem Land buchstäblich die Euros aus.
    "Käme es zu einer solchen extremen Situation, dürfte es einen politischen Konsens in der Eurogruppe geben, dass es keinen Weg gäbe, Griechenland noch im Euro zu halten. Ich nehme an, dass in diesem Fall die EU-Verträge und nachgeordneten Gesetze geändert würden, um einen legalen Austritt Griechenlands zu ermöglichen." - Was allerdings ein langer, schwieriger Prozess wäre.
    Variante Zwei
    Griechenland soll gegen seinen erklärten Willen aus der Eurozone ausgeschlossen werden - ist der Rauswurf juristisch machbar? "Es gibt keine legale Möglichkeit, ein Land aus dem Euro zu werfen. Selbst dann nicht, wenn es den erklärten Willen dazu gebe, was momentan nicht der Fall ist."
    Also grundsätzlich nach den europäischen Verträgen Nein, sagt nicht nur Analyst Davras in Brüssel, sondern auch der Jurist Professor Horn. Er sieht aber trotzdem einen legalen, gangbaren Weg, wenn die Euro-Länder Griechenland ausschließen wollten.
    "Man muss hier auf das allgemeine Völkerrecht zurückgreifen können, das eine Lösung von einem dauerhaft bestehenden Vertrag dann vorsieht, wenn entweder schwere Vertragsverletzungen vorliegen - das steht in der Wiener Übereinkunft über internationale Verträge, Artikel 60 - oder wenn eine schwere Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist."
    Ob das im Falle Griechenland gilt, ob Artikel 60 zum Tragen kommen könnte, ist letztlich wohl eine politische und keine juristische Entscheidung. Zsolt Davras von der Brüsseler Denkfabrik Breugel glaubt, dass vom Ausgang des Referendums am Sonntag ein deutliches politisches Signal für Griechenlands Zukunft ausgeht.
    "Bei einem Nein zu den verlangten Reformen wird Griechenland wohl auf schmerzhafte Art aus dem Euro gehen müssen. Bei einem Ja erwarte ich einen Wechsel in der Regierung. Und in dem Falle werden die Partner bereit sein, Griechenland weiter zu unterstützen und im Euro zu halten."