Donnerstag, 28. März 2024

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"Banned" von Lightman Jarvis Ecstatic Band
Achtsame Ekstase im Wald

Lightman Jarvis Ecstatic Band ist das Projekt von Yves Jarvis und Romy Lightman. In Kanada sind sie Teil der experimentellen Underground-Szene. Ihr Debütalbum „Banned“ zeigt: Wenn sich zwei schräge Typen zusammentun, kommt etwas Schräges heraus.

04.07.2021
Eine Frau in einem weißen Kleid und ein Mann in einem rosa glänzendem Hemd stehen nebeneinander in einer Landschaft. Im Hintergrund ist ein Sonnenuntergang.
Haben in einer 80 Hektar großen Kunstgalerie unter freiem Himmel aufgennommen: Romy Lightman, Yves Jarvis (v.l) (Jeff Bierk)
Musik: "Olamim"
"Sei im Hier und Jetzt" oder "Erlebe den Moment bewusst!" sind Kernsätze des aktuellen Achsamkeitstrends. Sich ganz dem Moment hingegeben und ihn kreativ umgesetzt haben auch Yves Jarvis und Romy Lightman alias Lightman Jarvis Ecstatic Band. Das Ergebnis ist ihr Debütalbum "Banned" und eigentümlich oder versponnen sind Adjektive, die einem beim Hören als erstes einfallen: Alles wabert, schwebt oder fließt in ihren Stücken zwischen impressionistischem Rock und in LSD getauchtem Folk.
Musik: "Nymphea"
Für die Aufnahme das Albums sind Lightman und Jarvis in den Wald gezogen in das 80 Hektar große "Tree Museum", eine Kunstgalerie unter freiem Himmel im ländlichen Ontario, in der sich Kunst und Natur vermischen. Dieses Zusammenspiel war für sie der Treibstoff für den Aufnahmeprozess, sagt Yves Jarvis.
"Unser größter Einfluss war die Freude, die wir für einander empfunden haben. Und wir wollten uns herausfordern. Das Album haben wir auf dem Wasser, in dichten Wäldern und auf präkambrischem Gestein aufgenommen. Diese Elemente haben uns ebenfalls stark beeinflusst."
Musik: "Bone of a hound"

Reichhaltiges Klangdickicht

Zwei Wochen lang improvisierten sie: Lightman am Synthesizer und Jarvis an Schlagzeug und Gitarre, beide haben gesungen. So ist im Wald ein reichhaltiges Klangdickicht entstanden. Traditionelle Songstrukturen mit Strophe und Refrain sucht man auf "Banned" vergeblich. In "Red Champa" beispielsweise läuft ein Steeldrum-Loop zusammen mit jaulenden Synthietönen, verkratzten Kassettensamples, und vor dieser nervösen Klangwand singen beide gemeinsam "I can understand!".
Musik: "Red Champa"
Diese spontane Art, gemeinsam Musik zu machen war für beide neu, denn normalerweise arbeitet er alleine, sagt Yves Jarvis.
"Wir mussten unsere Komfortzonen verlassen. Ich mache normalerweise alles alleine: schreiben, produzieren, das Artwork gestalten usw. So eng mit jemand anderem zusammenzuarbeiten war neu für mich und das mache ich nur mit Leuten, die ich liebe und denen ich total vertraue. Für Romy war es das Improvisieren, wir hatten ja nichts vorbereitet und das war neu für sie."
Musik: "Ancient Chain"

Element des Risikos

Im Song "Elastic Band" bilden eine gummiartige Bassline und ein stolperndes Schlagzeug den Hintergrund für ein nudeliges Gitarrenriff und andere auf- und wieder abtauchende Instrumente. Der geflüsterte Gesang handelt von emotionalen Hochs und Tiefs. Wie bei den meisten Stücken ist der aber so im Mix vergraben, dass man eher erahnt, als wirklich versteht, worum es geht. Die poetischen Texte waren der einzige Teil, den sie nicht improvisiert haben, so Jarvis.
"Wir haben den Aufnahmeprozess geteilt, die Instrumentalteile sind relativ schnell entstanden. Und aus diesen sind die Texte hervorgegangen. Sie unterstreichen die musikalischen Ideen, sind also genauso wichtig wie die Musik und bilden mit ihr eine synergetische Gesamtheit, einen Ausdruck des Lebens."
Musik: "Elastic Band"
Der Albumtitel "Banned" betont ein Element des Risikos, findet Jarvis.
"Ich mag die Redundanz in Lightman Jarvis Ecstatic Band "Banned", das ist ein ziemlicher Brocken. Wir verstehen uns aber auch als Fürsprecher der Ekstase, bei der man sich gleichzeitig einem Impuls hingibt und ihn ablehnt. Wir haben versucht, diese beiden Gegensätze zu verbinden. Der Titel ist wie ein Hinweis auf "Expliziten Inhalt", der signalisiert: Achtung, diese Ideen könnten eine Gefahr für das soziale Gefüge sein."
Musik: "Stomach Pit"
Man muss sich schon auf dieses albumgewordene Experiment einlassen, was nicht immer gelingt: Manchmal fühlt es sich an, als hätte man die Pointe eines Insiderwitzes verpasst. Aber wenn man den richtigen Einstieg findet, wirkt die Musik von Romy Lightman und Yves Jarvis wie die Aufnahme eines Traums: Es gibt Melodien und Texturen an denen man sich kurz festhalten kann, die sich aber im nächsten Augenblick schon wieder ändern. Deshalb: Lebe den Moment!