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Griechenland
Regierungspartei Syriza wird immer unbeliebter

Ein einmaliger Rentenzuschlag für Kleinrentner und keine Mehrwertsteuer-Erhöhung für die Inseln der Ostägäis: Diese "Weihnachtsgeschenke" wollte Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras seinem Volk machen. Beides wurde jetzt von der EU gestoppt. Nicht nur deshalb verliert die Bevölkerung zunehmend das Vertrauen in Syriza.

Von Rodothea Seralidou | 22.12.2016
    Das Bild zeigt den griechischen Ministerpräsidenten und Chef der regierenden Syriza-Partei, Alexis Tsipras, während einer Rede auf dem Parteitag in Athen. Zu sehen ist er von der Seite, im Hintergrund sind verschwommen zahlreiche Delegierte im Saal zu sehen.
    In der Zwischenzeit glauben viele Griechen, dass die linke Syriza mit leeren Versprechungen an die Macht gekommen sei. (picture alliance / Angelos Tzortzinis)
    Am Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament. Die Orangenbäume sind mit Lichtern in Form von Sternen und Weihnachtskugeln dekoriert. Zwei ältere Männer preisen ihre Silvesterlose an, ein Obdachloser hält die Athener Straßenzeitung hoch. Panagiotis Rokofyllos hat auf einer Bank platzgenommen und beobachtet die Menschenmenge, die hastig die Treppen zur Metro rauf und runter läuft. Die Stimmung im Lande beschreibt der 50-Jährige so:
    "Eine große Enttäuschung. Anders kann ich’s nicht sagen. Es gibt keine Arbeitsplätze, keine Zukunft für uns. Und die derzeitige Regierung ist noch schlimmer als ihre Vorgänger. Wir haben gehofft, dass sich etwas ändert. Aber es tut sich nichts. Ich habe in einem Gyrosladen gearbeitet, die Steuern waren so hoch, dass der Laden dicht machte, nun bin auch ich arbeitslos. Es ist hart.”
    Syriza liegt in der Wählergunst hinter den Konservativen
    Die Enttäuschung in der Bevölkerung spiegelt sich in allen aktuellen Umfragen wider. Die linke Syriza scheint ihre Beliebtheit in großen Teilen der Bevölkerung eingebüßt zu haben: Im direkten Vergleich zur Oppositionspartei Nea Dimokratia schneidet Syriza schlecht ab. Mehr als zehn Prozentpunkte Rückstand.
    Zu diesem Ergebnis kommt auch die Dezember-Studie des Meinungsforschungsinstituts MRB. Für die Studie wurden 2.000 Griechen im ganzen Land befragt. Dimitris Mavros, Vorstandsvorsitzender des Instituts, vergleicht die Zahlen mit denen älterer Studien:
    "In der Krise tritt der Verschleiß der Regierungen viel schneller ein als es unter normalen Umständen der Fall wäre, weil sie viel mehr Entscheidungen treffen und viel mehr Maßnahmen ergreifen müssen. Im Juni lag der Unterschied zur Nea Dimokratia schon bei rund sieben bis acht Prozent und das, vor allem, weil Syriza seine Anhänger davon liefen. Jetzt aber sehen wir, dass der Verschleiß der Syriza weiter zunimmt und gleichzeitig die ND mächtiger wird.”
    Nur in der Bekämpfung der Korruption liegt Syriza laut Umfragen vorn
    Syriza liegt in der Umfrage nur beim Thema "Korruptionsbekämpfung" vorn. In allen anderen Bereichen wie der Wirtschaft, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und den Verhandlungen mit den internationalen Kreditgebern vertrauen die Griechen den Konservativen mehr als der heutigen Regierung.
    "Warum etwas geschieht, ist für die Griechen wichtiger als die Tat selber."
    Glaubt man den Umfragen, dann haben auch der gerade beschlossene einmalige Rentenzuschlag für Kleinrentner und die Nicht-Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den Inseln der Ostägäis keine besonderen Auswirkungen auf die Beliebtheit der zwei Parteien. Das habe sehr mit der Denkweise der Griechen zu tun, so Mavros.
    Die Motivation ist für die Griechen viel wichtiger als die Tat selber. Immer wenn jemand etwas gibt, fragt man sich, warum das geschieht. 80 Prozent der Griechen glauben also, dass diese Maßnahmen rein kommunikativen Zwecken dienten, damit die Partei besser dasteht. Und 64 Prozent glauben, dass Tsipras diese Hilfen gibt, weil er sich auf vorzeitige Neuwahlen vorbereitet.
    ND-Abgeordnete sieht Neuwahlen kommen
    Dass Tsipras nicht bis zum Ende der Legislaturperiode regieren werde, glaubt auch die ND-Abgeordnete Dora Bakogianni.
    "Tsipras hat zwei Alternativen: Das eine Szenario ist, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben, wenn er das Agreement mit Europa zu Ende bringen kann. Das andere ist, wieder Dasselbe: der gute Tsipras, der böse Schäuble - und Wahlen. Ich glaube, Griechenland wird Wahlen haben vor Deutschland, weil er das Programm nicht schaffen kann."
    Anders als die linke Syriza, die mit leeren Versprechungen an die Macht gekommen sei, wolle die ND ehrlich zu den Wählern sein, so Bakogianni:
    "Wir haben von unseren Fehlern gelernt. Wir haben einen Pakt der Wahrheit beschlossen. Wir versprechen nichts, nur dass wir Reformen umsetzen. Ich glaube, dass die Griechen als erste den Zyklus den linken Populismus durchbrechen werden."
    Viele Wähler unentschlossen
    Diese neue Ehrlichkeit scheint aufzugehen. Auch bei den jungen Wählern, die bisher mehrheitlich die linke Syriza unterstützten. Doch die Umfragen zeigen auch: Viele Wähler sind unentschlossen. So auch der 19-jährige Jurastudent Vasilis Skondreas.
    "Wir haben Tsipras unsere Stimme gegeben. Jetzt weiß ich ehrlich gesagt nicht, wen ich wählen würde. Wir haben ja beides erlebt und keiner hat’s gepackt. Es gibt nichts, das mich repräsentiert.”