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Griechenland-Rettung
"Das Paket ist das Gegenteil von Tsipras' Versprechen"

Mitglieder der griechischen Regierungspartei Syriza haben bereits Widerstand gegen die von Alexis Tspiras in Brüssel vorgelegten Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen angekündigt. Der Regierungschef gerate zu Hause unter Druck - könne sich jedoch wohl auf die Hilfe seiner innenpolitischen Gegner verlassen, sagte der frühere griechische Außenminister Dimitrios Droutsas im Deutschlandfunk.

Dimitrios Droutsas im Gespräch mit Peter Kapern | 23.06.2015
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    Der ehemalige griechische Außenminister Dimitris Droutsas (picture alliance / dpa Simela Pantzartzi)
    Es gelte nun, das Sparpaket durch das griechische Parlament zu bringen, sagte Droutsas: "Und das wird keine leichte Aufgabe." Denn einige Syriza-Abgeordnete hätten bereits Widerstand angekündigt. Syriza sei schnell von drei, vier Prozent auf 36 Prozent aufgestiegen. Die Fraktion sei zudem zersplittert und habe viele Flügel. Regierungschef Alexis Tsipras könne seinen "gewaltigen Versprechen" nicht mehr nachkommen, einige Bürger würden bereits von "Lügen" sprechen. "Das Sparpaket ist das Gegenteil seiner Versprechen", sagte Droutsas. Bei den Sondergipfeln in Brüssel zeigten sich die griechischen Vertreter zu harten Maßnahmen bereit.
    Droutsas glaube aber, dass die Abgeordneten der alten Großparteien nun ihrer Verantwortung für das Land gerecht werden, und bei einer fehlenden Mehrheit für das Paket Tsipras mit einer Zustimmung helfen. Droutsas gehört der Pasok-Partei, also den griechischen Sozialdemokraten, an. Diese hatte bei den Wahlen 2009 noch 43 Prozent geholt, steht mittlerweile aber bei zwölf Prozent. "Es ist so, dass man vom griechischen Volk die Rechnung für die letzten 35, 40 Jahre präsentiert bekommen hat", räumte Droutsas ein.
    Droutsas warnte davor, die Frage eines Verbleibs von Griechenland im Euro nur rein wirtschaftlich zu betrachten. "Es geht um ein Land und ein Volk. Es geht um das große Ganze der europäischen Integration." In der griechischen Hauptstadt demonstrierten am Sonntagabend Tausende gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegenüber den Gläubigern. Am Montag gingen die Befürworter eines Verbleibs in der Euro-Zone auf die Straße  . Tsipras hatte nach seinem Wahlsieg zu Beginn des Jahres ein Ende "der Erniedrigung Griechenlands" versprochen .

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Während die Staats- und Regierungschefs gestern Abend im Brüsseler Ratsgebäude zusammensaßen, gab es in Athen eine weitere Demonstration. Diesmal trafen sich im Zentrum der griechischen Hauptstadt wie schon einmal in der vergangenen Woche diejenigen Griechen, die einen Verbleib ihres Landes im Euroland fordern und auch weitere Einsparungen und Steuererhöhungen durchaus ertragen würden.
    Bei uns am Telefon ist nun Dimitrios Droutsas, der frühere griechische Außenminister von der Pasok. Guten Morgen, Herr Droutsas.
    Dimitrios Droutsas: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Wie schauen Sie denn auf die Ergebnisse dieses Gipfeltreffens von Brüssel, wenn man denn überhaupt von Ergebnissen reden kann?
    Droutsas: Es ist teilweise eine Erleichterung, Herr Kapern. Keine Frage. Es gibt einen Hoffnungsschimmer, dass wir die Katastrophe abwenden können. Teilweise aber auch eine sehr, sehr große Skepsis, wie wir bereits im Beitrag hören konnten. Es geht um sehr, sehr harte Maßnahmen. Es geht um Einsparungen von knapp acht Milliarden Euro in den nächsten eineinhalb Jahren. Und es gilt jetzt, innenpolitisch, wenn es eine Lösung gibt, dieses Paket durch das griechische Parlament zu bringen. Das wird keine leichte Aufgabe sein für Herrn Tsipras, weil bereits seit gestern gibt es schon die ersten Aussagen von Abgeordneten der Regierungspartei Syriza, die bereits öffentlich gesagt haben, nein, solch einem Paket werden wir im Parlament nicht zustimmen können.
    "Wahlversprechen kann Herr Tsipras nicht mehr nachkommen"
    Kapern: Warum hat Regierungschef Tsipras seine Fraktion nicht im Griff?
    Droutsas: Erstens ist seine Fraktion eine sehr zersplitterte. Diese Syriza-Partei besteht aus sehr, sehr vielen Flügeln, ist innerhalb von eineinhalb Jahren von einer drei, vier Prozent Partei zu einer 36 Prozent Partei aufgestiegen. Auf der anderen Seite, Herr Kapern - hier muss man wirklich sehr klare Worte verwenden -, ist dies auch ein Eigenverschulden von Herrn Tsipras und seiner eigenen Partei. Die Wahlversprechen, die gemacht wurden vor einigen Monaten im griechischen Wahlkampf, waren gewaltig. Bereits heute sprechen sehr viele davon, dass es sich um Lügen gehandelt hat gegenüber der griechischen Bevölkerung. Diesen Wahlversprechen kann Herr Tsipras nicht mehr nachkommen. Das Paket, das geschnürt wird, spricht genau das Gegenteil davon, von dem er gesprochen hat und was er versprochen hat im Wahlkampf. Jetzt steht er da quasi wie der König ganz nackt ohne Kleidung.
    "Es geht um das Überleben Griechenlands"
    Kapern: Herr Droutsas, Sie finden da sehr harsche Worte über die Taktik oder Strategie von Alexis Tsipras, was ja nicht verwundert, weil er ja dafür gesorgt hat, dass Ihre Partei unter anderem auch in der Opposition gelandet ist. Gleichwohl: Wird Ihre Partei, werden andere oppositionelle Parteien im griechischen Parlament Alexis Tsipras aus dieser Klemme heraushelfen mit ihren Stimmen?
    Droutsas: Herr Kapern, es ist wahr, dass die traditionellen ehemaligen Großparteien sowohl vom konservativen als auch vom sozialdemokratischen Lager hier in den letzten zwei Jahren sehr viel verloren haben, und auch zurecht. Es ist so, dass man die Rechnung für die letzten 35, 40 Jahre nun vom griechischen Bürger präsentiert bekommen hat. Allerdings muss ich schon sagen, dass Griechenland auch mit der Regierung Tsipras wieder einmal Opfer geworden ist von Populisten. Wir bezahlen, die griechische Bevölkerung bezahlt diesen Populismus.
    Was jetzt die Abstimmung im griechischen Parlament angeht: Ich gehe davon aus, Herr Kapern, dass die Oppositionsparteien hier sehr große Verantwortung zeigen werden und der Regierung Tsipras, sollte sie die eigene Mehrheit im Parlament verlieren sollen, dass hier unter die Arme gegriffen wird. Denn es geht um das Überleben Griechenlands. Es geht darum, dass Griechenland in der Europäischen Union, in der Eurozone verbleiben kann. Hier ist die Verantwortung sehr, sehr groß.
    "Es werden spannende Zeiten sein innenpolitisch"
    Kapern: Können Sie sich denn vorstellen, Herr Droutsas, dass Alexis Tsipras diese Hilfe der Opposition gar nicht haben will, weil das ja doch an seinem Renommee als Regierungschef kratzen würde, und dass er stattdessen auf Neuwahlen losgeht?
    Droutsas: Das ist eine berechtigte Frage, Herr Kapern. Das ist auch die große Herausforderung nun von Herrn Tsipras, ob es ihm gelingen wird, hier die eigene Fraktion zu Bändigen und bei sich zu behalten. Allerdings gehe ich davon aus, sollte er seine eigene Mehrheit verlieren, das griechische Parlament wird trotzdem zustimmen. Ich gehe aber auch davon aus, Herr Kapern, ich glaube, Sie haben vollkommen recht, dass dann Herr Tsipras aus innenpolitischen Überlegungen vielleicht sogar dann zu Neuwahlen schreiten wird. Es werden spannende Zeiten sein innenpolitisch.
    Kapern: Schauen wir mal auf den heutigen Tag. Wie werden denn wohl die normalen Durchschnittsbürger in Griechenland jetzt auf die Nachrichten aus Brüssel reagieren? Das ist ja, sagen wir mal, eine Hängepartie. Niemand weiß, in welche Richtung der Zug denn nun in ein paar Tagen abfahren wird. Wir haben in den letzten Tagen erlebt, dass die Griechen vermehrt zu den Banken gelaufen sind, um ihre Euro-Ersparnisse in Sicherheit zu bringen. Wird sich das jetzt fortsetzen?
    Droutsas: Ich glaube, es gibt teilweise eine Erleichterung. Man sieht einen Hoffnungsschimmer. Aber immer größere Skepsis macht sich breit, weil jetzt auch die Details dieses harten Maßnahmenpakets immer mehr bekannt werden und auch bewusst werden. Ich gehe davon aus, dass sich die Lage hier in der griechischen Bevölkerung etwas beruhigen wird. Aber nach wie vor ist die Sache offen. Man wartet ab. Aber ich glaube dennoch, dass so mancher Grieche noch weiterhin seine Ersparnisse, seine Konten hier in Sicherheit bringen werden will.
    "Die Verantwortung ist riesig"
    Kapern: Herr Droutsas, Sie haben jetzt mehrfach von der Hoffnung gesprochen, von der Hoffnung der Griechen darauf, dass die Katastrophe verhindert werden kann. Ich nehme an, mit der Katastrophe meinen Sie einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Nun sind wir in eineinhalb Stunden etwa mit Hans-Werner Sinn, dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler, zum Interview verabredet, und der trägt seit Jahr und Tag nur eine Botschaft vor sich her und die lautet, Griechenland muss raus aus der Eurozone, wenn es überhaupt eine Chance haben will auf einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung. Wie wäre Ihre Botschaft an Hans-Werner Sinn heute früh?
    Droutsas: Ich kenne die Ansichten von Herrn Sinn, respektiere sie natürlich, teile sie absolut nicht, Herr Kapern, denn es ist vielleicht vom wirtschaftspolitischen Standpunkt her betrachtet, eine Möglichkeit zu sagen, zu kommentieren, ja, das Beste wäre für Griechenland und vielleicht auch die Eurozone, Griechenland würde sie verlassen. Allerdings darf man die ganzen Dinge nicht nur wirtschaftspolitisch betrachten. Es geht auch um das größere Ganze. Es geht um ein ganzes Land, ein ganzes Volk Griechenlands, das wirklich mit einer Katastrophe konfrontiert wäre. Es geht aber auch politisch um das große, große Ganze der europäischen Integration, die Europäische Union, und wäre Herr Sinn nicht nur Wirtschaftspolitiker, sondern auch Politiker und würde Verantwortung tragen für die Zukunft, ich wäre mir nicht sicher, ob dann auch Herr Sinn die gleichen Ansichten vertreten würde. Die Verantwortung ist riesig.
    Kapern: Wir werden ihn in anderthalb Stunden danach fragen, Herr Droutsas. Vielen Dank, dass Sie heute Morgen Zeit für uns hatten. - Dimitrios Droutsas, der frühere griechische Außenminister. Einen schönen Tag und Grüße nach Berlin.
    Droutsas: Danke schön, Herr Kapern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.