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Abrüstung
USA planen neuen Weg zur Atomwaffen-Beseitigung

Es sind fast 50 Tonnen Plutoniumoxid, die die USA laut Abrüstungsvertrag mit Russland waffenunfähig machen müssen. Der eigentliche Plan, daraus Brennstäbe zu machen, wurde zu teuer. Ein Experten-Komitee hat jetzt überprüft, ob auch eine Endlagerung möglich wäre.

Von Dagmar Röhrlich | 08.07.2021
Das Gelände der ehemaligen Plutoniumfabrik Hanford Site in Hanford, Washington, USA, am 28. Mai 2015.
Gelände einer ehemaligen Plutoniumfabrik in Washington / Symbolbild (Jim Lo Scalzo/EPA/dpa-picture-alliance)
Die Savannah River Site in South Carolina ist eines der Zentren im US-Nuklearkomplex. Hier sollte – entsprechend des Abrüstungsvertrages zwischen den USA und Russland – eine Anlage zur Produktion von MOX-Brennelementen entstehen: Damit sollte überflüssiges Waffenplutonium aus abgerüsteten Sprengköpfen zu Brennstoff für zivile Kernkraftwerke gemacht und damit für die Gegenseite nachvollziehbar entsorgt werden. Doch in den USA explodierten die Kosten, und auch die zivilen Reaktorbetreiber waren nicht begeistert vom Einsatz dieser Brennelemente.
Deshalb wurde der Bau der halb fertigen Anlage gestoppt und der Kongress möchte einen anderen Plan verfolgen: Das Plutonium soll mit nicht strahlendem Material verdünnt und dann endgelagert werden. Um eine unabhängige Einschätzung dieses Vorhabens zu bekommen, hat die National Academies of Science ein unabhängiges Komitee von Wissenschaftlern zusammengestellt, die das Projekt zwei Jahre lang überprüft haben. Auf der virtuellen Goldschmidt-Konferenz der Geochemiker sind jetzt die Ergebnisse präsentiert worden.

Zielanlage bisher nur für schwach-radioaktive Abfälle

Konkret geht es um insgesamt 48,2 Tonnen Plutoniumoxid, die in einer Pilotanlage zur Endlagerung von radioaktiven Abfällen (WIBB) landen sollen, in Carlsbad, New Mexico. In diese Salzformation kommen ausschließlich militärische Abfälle, sagt Annie Kersting vom kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory und Mitglied des Expertenkomitees: "Dort werden derzeit nur schwach radioaktive Abfälle aus der US-Verteidigung untergebracht. Für diese Anlage haben wir die Sicherheit des Entsorgungsplans bewertet, den der US-Kongress nun für das Waffenplutonium vorgeschlagen hat."

Sicherheitskonzept für mehr als 24.000 Jahre

Der vom Department of Energy ausgearbeitete Plan sieht vor, das Plutoniummetall zu oxidieren. In dieser Form kann es dann mit einem Zusatzstoff verdünnt werden. Außerdem soll Borkarbid als Neutronenfänger verhindern, dass eine Kettenreaktion in Gang kommt, erklärt Kersting weiter: "Da Waffenplutonium mit mehr als 24.000 Jahren eine sehr lange Halbwertzeit hat und die Sicherheitsanalysen von WIPP über 10.000 Jahre laufen, brauchen wir weitere Maßnahmen – wie eben das Borkarbid. Eine andere ist, dass man nicht alles an einem Ort haben will. Während der Einlagerung, die über 30 Jahre laufen soll, nimmt das Lager auch Material aus verschiedenen anderen Projekten auf. Die Behälter mit dem verdünnten Waffenplutonium werden dadurch in unterschiedlichen Bereichen untergebracht, was eine gute Sache ist."

Es geht um mehr als 600.000 Fässer

So kommen dann mehr als 600.000 Fässer zusammen, die ihren Weg in das einzige Endlager der USA für radioaktive Abfälle finden sollen. 1999 wurde es eröffnet: für die Entsorgung von geringer kontaminierten Geräten, Kleidung und Erde. Derzeit sind dort schon insgesamt etwa vier Tonnen Plutonium, dann kämen laut Annie Kersting mehr als 48 Tonnen dazu: "Dadurch wird sich die chemische Natur des Endlagers verändern. Deshalb empfehlen wir, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Es müssen alle Teile zusammen betrachtet und bewertet werden, damit sichergestellt wird, dass es keine Unbekannten gibt, dass keine chemischen Reaktionen auftreten, mit denen man nicht rechnet. Das ist eine Empfehlung."

Ein anderer zentrale Aspekt: der Transport.

Und das Expertengremium schaute sich noch einen anderen Bereich kritisch an - den des Transports: "Auf so einem Truck ist genügend Plutonium, um echten Schaden anzurichten. Dazu braucht man keine Atomwaffe, wir denken an eine schmutzige Bombe." Die Strecken, für die Kersting dieses Szenario schildert, sind beträchtlich. In der Pantex-Anlage in Texas werden die Atomwaffen auseinandergenommen. Die Plutoniumzünder der Bomben beispielsweise werden dann zur weiteren Demontage nach Los Alamos in New Mexico gebracht. In Los Alamos wird das Plutonium auch oxidiert. Dann geht alles nach Savannah River in South-Carolina. Dort sollten ursprünglich die MOX-Brennelemente hergestellt werden, mit denen das Waffenplutonium gemäß der Abrüstungsvereinbarung unschädlich gemacht werden sollte.
Der neue Plan sieht vor, dass dort verdünnt und verpackt wird. Die Fässer gehen dann wieder nach New Mexico zurück, diesmal nach Carlsbad zum WIPP. Kersting schildert die Einzelheiten: "Die Container werden per Satellit verfolgt, und die Systeme sind mit Transpondern versehen. Die Fahrer stehen ständig mit den Behörden in allen Staaten, durch die sie fahren, in Verbindung. Diese Sicherheitsvorkehrungen werden ständig erweitert und verbessert, und wir wissen nicht alles, weil es nicht öffentlich bekannt ist. Die Idee ist jedoch, die Fahrzeit zu minimieren und sehr erfahrene Fahrer einzustellen."

Große Unbekannte: Russland

Bei dem Plan gibt es aber noch eine Unbekannte: Russland. Nachdem das Aus für das Brennstäbe-Projekt verkündet und die Verdünnungs- und Endlagerpläne bekannt geworden waren, hatte Wladimir Putin 2016 verkündet: Die Pläne entsprächen nicht den Vereinbarungen, und er setzte sie aus. Deshalb haben sich die US-Experten um Kersting dann auch mit der Frage der Gleichwertigkeit beschäftigt: "Und die Antwort ist: Nein. Die Verfahren sind nicht gleichwertig. Mit viel Aufwand könnte man einiges von diesem verdünnten Material wieder aufbereitet werden. Für einen Einzelnen wäre es zu teuer mit Blick auf Kosten und Aufwand. Aber ein Staat könnte das. Es ist nicht ganz einfach, das Material von einem überwachten Lkw zu holen. Aber mit einem recht hohen Aufwand ist es möglich, das Material wieder aufbereiten."
Bislang habe aber keine der beiden Seiten große Anstrengungen unternommen, sich zu engagieren, urteilt Annie Kersting, doch beide könnten, wenn sie es wollten. Und die USA, sie machten jetzt wohl auf diesem Weg weiter - mögliche Schwachstellen des neuen Plans liegen mit der Analyse des unabhängigen Bewerterkomitees auf dem Tisch.