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Griechenland
"Syriza will raus aus der EU"

Die griechische Regierung bestehe aus Marxisten, die für einen Austritt aus der EU und der Nato seien, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos im DLF. Sie wagten aber nicht, das offen zuzugeben. Stattdessen wollten sie den Europäern die Schuld für einen Austritt geben.

Spiridon Paraskewopoulos im Gespräch mit Christine Heuer | 23.02.2015
    Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis vor einer griechischen Fahne, aufgenommen am 27.01.2015 in Athen.
    Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, aufgenommen am 27.01.2015 in Athen. (dpa / picture alliance / Yannis Kolesidis)
    Die Mitglieder der griechischen Regierung sagten ganz offen, dass sie Marxisten seien, sagte Spiridon Paraskewopoulus im Deutschlandfunk-Interview. Viele heutige Minister seien früher Mitglieder der Kommunistischen Partei in Griechenland gewesen - und diese wolle einen Austritt aus EU, Währungsunion und Nato. Die Politiker seien jedoch clever und sagten das nicht offen. Stattdessen wollten sie das Volk emotional auf ihrer Seite bringen, so Paraskewopoulos. Falls es zu einem Austritt aus der Eurozone käme, würden sie die Europäer als die Bösen darstellen: "Dann werden sie die Griechen auf ihrer Seite haben."
    Paraskewopoulos sagte weiter, er glaube aber nicht daran, dass die EU eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland ablehne. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble könne es sich nicht leisten, dass Deutschland als das Land dastehe, dass Griechenland aus der Eurozone getrieben habe. Er glaube deshalb auch nicht an ein Nein des Deutschen Bundestages.

    Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Spiridon Paraskewopoulos:

    Christine Heuer: Die Sparpolitik ist beendet. Das war Alexis Tsipras Botschaft an die Griechen nach der vorläufigen Einigung im Schuldenstreit mit den griechischen Gläubigern letzte Woche in Brüssel. Der Rest der Eurozone sieht es genau anders herum. Wenn Griechenland weiter Geld will, dann muss es jetzt erst recht sparen, das Land wirklich reformieren, es auf eine solide Basis stellen. Sonst wird der Geldhahn doch noch zugedreht. Ein europäischer Spagat also und heute soll sich erweisen, ob und wie er funktionieren kann. Athen legt seinen Gläubigern eine Liste mit konkreten Maßnahmen zur Prüfung vor.
    Ist Griechenland noch zu retten? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Spiridon Paraskevopoulos. Er ist griechischer Wirtschaftswissenschaftler, lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Wir erreichen ihn im nordrhein-westfälischen Hürth. Guten Tag, Herr Paraskevopoulos.
    Spiridon Paraskevopoulos: Einen schönen guten Tag.
    Heuer: Griechenland macht Vorschläge. Heißt das, die Kuh ist bald vom Eis?
    Paraskevopoulos: Ich hoffe, ja, aber das glaube ich nicht.
    Heuer: Warum nicht?
    Paraskevopoulos: Ja, weil diese Versprechen, was die griechischen Regierungen jetzt in den letzten fünf, sechs Jahren alle gemacht haben, haben bis jetzt nichts gebracht. Und warum soll jetzt diese Regierung was bringen, die sogar gegen alle diese Maßnahmen vor den Wahlen war? Warum soll sie jetzt was bringen?
    Heuer: Na, vielleicht, weil die Eurozone, der Rest der Eurozone ordentlich Druck gemacht hat. Immerhin: Syriza verspricht jetzt den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Korruption. Das klingt doch schon mal ganz gut!
    Paraskevopoulos: Ja. Ich glaube, es gibt keinen Griechen, mit Ausnahme wahrscheinlich diejenigen, die bis jetzt nichts bezahlt haben, die dagegen wären. Alle anderen Griechen wären dafür. Aber ich gehe davon aus, dass die heutige Liste, was ich vorhin gehört habe, was die Griechen geliefert haben, keine quantitativen Angaben machen wird. Sie werden sagen, wir werden die Korruption, die Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung bekämpfen, aber ich kann es mir nicht vorstellen, dass sie konkrete Zahlen nennen werden, wie viel Geld sie kassieren werden.
    Heuer: Wenn das so käme, wie sollte denn dann die Eurozone reagieren?
    Paraskevopoulos: Ich meine, der Herr Lambsdorff hat es vorhin angedeutet. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass jetzt der Finanzminister Deutschlands sich das leisten kann, dass Deutschland dasteht als jemand, welcher Griechenland außerhalb der Eurozone will, und die werden wahrscheinlich, auch das deutsche Parlament im Bundestag zustimmen.
    Heuer: Sie werden zustimmen, das glauben Sie? Die CSU geht ja jetzt auf die Barrikaden und sagt, wenn die Griechen nichts Ordentliches liefern, dann stimmen wir nicht zu.
    Paraskevopoulos: Ja gut. Ich meine, ich kann es mir nicht vorstellen, jetzt rein politisch, dass momentan ein Nein kommen wird. Das kann ich mir nicht vorstellen.
    Heuer: Warum?
    Drohende Zahlungsunfähigkeit
    Paraskevopoulos: Weil dann wird Deutschland dastehen als das Land, das Griechenland außerhalb der Währungsunion jetzt getrieben hat, weil wenn ein Nein jetzt kommt, dann ist das raus. Das heißt, Griechenland wird am 28. Februar, wo das alte Programm ausläuft, zahlungsunfähig werden und wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, was bleibt Griechenland dann übrig, als eine eigene Währung einzuführen, um Geld zu drucken, damit sie Geld haben können, damit das Land Geld haben kann. Mit anderen Worten: Ich glaube es nicht, dass das deutsche Parlament, also der Bundestag, dagegen stimmen wird. Aber ich sage jetzt folgendes in diesem Zusammenhang: Ende Juni haben wir das Problem wieder.
    Heuer: So soll es sein, oder so wird es vielleicht kommen, wenn Sie Recht haben. Aber wenn ich Ihnen richtig folge, dann kann man in Sachen Griechenland gar nichts tun. Das Land ist sozusagen dem Untergang geweiht. Das sind aber schlechte Aussichten?
    Paraskevopoulos: Ja! Es geht darum: Ich traue dieser Regierung nichts zu. Und habe ich ein bisschen Zeit, etwas dazu zu sagen, warum?
    Heuer: Ja, natürlich!
    Paraskevopoulos: Diese Regierung besteht aus ehemaligen Kommunisten. Die sagen das ganz offen und deutlich, wir sind alle Marxisten. Was bedeutet das? Wenn ich jetzt die echte Kommunistische Partei Griechenlands zugrunde lege, aus welcher die meisten von denen kommen, was sagt diese Kommunistische Partei? Diese Partei sagt, Griechenland muss außerhalb Europas kommen. Das heißt, raus aus der Europäischen Union und so weiter, raus aus der Währungsunion, raus aus der NATO, und Griechenland muss irgendwie was Neues machen. Das sagen die Kommunisten.
    Heuer: Das ist das Ziel des linken Syriza-Flügels? Verstehe ich Sie richtig?
    Paraskevopoulos: Genau! Genau das ist das, was die Kommunisten sagen. Und bravo, die sind offen und die haben fünf, sechs Prozent der griechischen Bevölkerung auf ihrer Seite. Aber jetzt Syriza, die sind Kommunisten, oder, wie sie selber sagen, Marxisten. Die kommen aus dieser Partei und im Hinterkopf haben die auch das gleiche. Aber die sind clever. Die haben gedacht, wenn wir den Griechen das so offen sagen, wie die Kommunistische Partei das sagt, dann wählen uns die Griechen nicht.
    Heuer: Sie glauben, Syrizas Ziel ist in Wahrheit raus aus dem Euro, raus aus der Europäischen Union?
    Paraskevopoulos: Ja, das glaube ich, und das wollen die, und zwar die wollen das nicht wagen und sagen, wir bringen euch außerhalb, sondern die wollen emotional das griechische Volk auf ihre Seite treiben, und momentan ist es denen gelungen, um den Griechen zu sagen, guckt mal, die bösen Europäer wollen euch nicht oder wollen uns nicht, wir gehen raus. Und dann werden sie die Griechen auf ihrer Seite haben. Das ist die Strategie und das ist meine Theorie über sie.
    Heuer: Da sind wir gespannt, wie die Sachen sich weiterentwickeln, Herr Paraskevopoulos. Den Bürgern in Griechenland, den geht es ja wirklich schlecht. Muss man denen nicht helfen? Muss man nicht dafür sorgen, dass sie ein bisschen mehr Luft zum Atmen haben? Ist Syriza in diesem Sinne nicht in den Verhandlungen, wie sie jetzt öffentlich diskutiert werden, schon auch auf dem richtigen Weg?
    Lasten gerecht verteilen
    Paraskevopoulos: Ja, das ist richtig. Ich bin dafür. Das griechische Volk, die Mittelschicht und die ärmere Schicht des Volkes hat bis jetzt das Ganze getragen. Aber da sind die griechischen Politiker schuldig und da werfe ich der Troika, der alten Troika und der neuen Troika vor, dass sie nicht darauf geachtet haben, die Maßnahmen, was die bisherige griechischen Regierungen getroffen haben, dass zumindest die Lasten gerecht verteilt werden. Das werfe ich dem Adel, der griechischen Elite, aber auch gleichzeitig den Kontrolleuren vor, die nicht darauf geachtet haben, dass diese Maßnahmen gerecht verteilt werden.
    Heuer: Da würden jetzt die Kontrolleure sagen, Griechenland ist ein souveräner Staat, wie sie es umsetzen, das muss Athen selber entscheiden.
    Paraskevopoulos: Ja gut! Aber ich meine, die haben darauf gedrängt und haben denen gesagt, sie müssen dort kürzen, sie müssen dort kürzen, sie müssen dort kürzen, aber warum haben sie nicht darauf geachtet, wo kürzen sie, wer zahlt das.
    Heuer: Kann man denn Griechenland überhaupt noch retten, wenn man sich das so anguckt? Die Großvermögen sind sowieso längst im Ausland, Privatvermögen von Reedern sind in der Verfassung geschützt, die griechischen Bürger zahlen, na ja, sagen wir mal, sehr sporadisch Steuern. Ist das Land nicht insgesamt so aufgestellt, dass man sagen muss, wie man da noch mal eine Wende hinkriegen soll, das ist nicht absehbar?
    Paraskevopoulos: Doch! Ich meine, ich habe eine Lösung.
    Heuer: Sagen Sie!
    Paraskevopoulos: Meine Lösung ist, die Griechen haben jetzt bei den letzten Wahlen diese Lösung verpasst. Warum sage ich das? Um eine Partei oder neue Leute zu wählen, die gegenüber den Partnern Europas Vertrauen erwecken. Gucken Sie, Syriza oder der Alexis Tsipras, der der heutige Ministerpräsident von Griechenland ist, was hat er gestern gesagt? Ich habe eine Schlacht gewonnen, aber den Krieg noch nicht. Er ist Mitglied der Europäischen Währungsunion, der Europäischen Union, mit Freunden zusammen, und er führt Krieg!
    Heuer: Aber die Bevölkerung in Griechenland steht hinter ihm.
    Paraskevopoulos: Bitte?
    Heuer: Die Bevölkerung in Griechenland steht ja hinter ihm und Syriza.
    Paraskevopoulos: Ja. Emotional, habe ich gesagt, hat die griechische Bevölkerung es hingebracht, als ob die Griechen jetzt gegen ihre Freunde, gegen ihre Kreditgeber Krieg führen. Deshalb hätten die Griechen auch neue Kräfte wählen können.
    Heuer: Aber welche neuen Kräfte gibt es denn da? Die Vorgängerregierungen - das habe ich auch bei Ihnen zwischen den Zeilen gehört - die haben Sie auch nicht viel besser gefunden in Wahrheit.
    Paraskevopoulos: Ist richtig. Ich habe auch darüber sehr viel geschrieben. Aber momentan war eine neue Partei entstanden, die sich europäisch nennt. Die kenne ich nicht so. Aber zumindest hätte man was Neues gewagt und diese Neuen hätten zum Beispiel gegenüber den Europäern, unseren Freunden gesagt, Leute, bis jetzt haben wir Mist gemacht, aber wir sind ehrlich, wir wollen mit euch zusammen arbeiten, ihr müsst uns helfen, wir sind ehrlich, wir wollen in Europa bleiben und wir wollen auch das leisten, was wir bisher nicht geleistet haben. Die Griechen haben unterschrieben, dass in Europa das Subsidiaritätsprinzip gilt. Das bedeutet: Was der Einzelne kann als Person und als Staat, muss es bringen. Das haben die Griechen nicht getan. Und das andere Prinzip ist die Solidarität.
    Heuer: Jetzt hatten wir viel Zeit miteinander, aber wir müssen Schluss machen - der griechische Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskevopoulos im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie Dank dafür.
    Paraskevopoulos: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.