Dienstag, 19. März 2024

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Griechenland
Viele Abtreibungen wegen fehlenden Sexualunterrichts

Sexualkundeunterricht - in den meisten westlichen Ländern eine Selbstverständlichkeit. In Griechenland aber ist im Curriculum nichts dergleichen vorgesehen. Das Ergebnis: eine hohe Anzahl von frühen Schwangerschaften - und Schwangerschaftsabbrüchen. Studien zufolge hat jede vierte Griechin als Teenager abgetrieben.

Von Rodothea Seralidou | 20.03.2018
    Ein Blick über die griechische Hauptstadt Athen mit der Akropolis.
    Ein Blick über die griechische Hauptstadt Athen mit der Akropolis. (imago / Westend61)
    Die 18-jährige Aliki hat gerade Schulschluss und wartet an der zentralen Vouliagmenis-Straße im Athener Süden auf den Bus. Das schlanke Mädchen mit den dunkelblonden Haaren möchte Biologie studieren und lernt fleißig, für die Aufnahmeprüfungen kommenden Juni.
    Bio, Chemie, Physik, alles schön und gut, findet Aliki. Aber Sexualkunde, das müssten die Schülerinnen und Schüler eigentlich auch lernen, sagt sie:
    "Ich würde mir wünschen, Themen rund um den Sex auch im Unterricht zu behandeln, denn es ist ein Tabuthema und ein Experte könnte dieses Tabu brechen. Wir könnten frei über solche Themen reden, ohne dass die anderen lachen. Momentan tauschen wir uns zwar aus mit unseren Freundinnen und suchen im Internet, das ist aber auch alles."
    Die fehlende Aufklärung hat Folgen. Auch wenn statistische Daten fehlen, alle Studien gehen davon aus, dass es unter Jugendlichen enorm viele ungewollte Schwangerschaften gibt. Und fast alle entscheiden sich dann für einen Schwangerschaftsabbruch - Schätzungen der Uniklinik Athen zufolge rund 30.000 Mädchen im Jahr. Andere Studien gehen von jeder vierten Schülerin aus, die abtreibt.
    Elternvereine protestieren
    Der Frauenarzt Panagiotis Christopoulos von der Europäischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendgynäkologie führt solche Abtreibungen durch. Am liebsten würde er aber den jungen Mädchen diese Erfahrung ersparen, deshalb hat er schon oft versucht, in die Schulen zu gehen und die Teenager im Rahmen von Infotagen zu informieren. Doch das sei gar nicht so leicht, sagt er:
    "Jede private Initiative, Schüler zu informieren, findet den Widerstand der Elternvereine. Das ist verrückt. Da will jemand ihre Kinder schützen und die Eltern widersetzen sich, weil sie glauben, dass ihre Kinder erst dadurch ihre Sexualität entdecken werden! Dabei sind heutige Teenager allein beim Fernsehen tausenden sexuellen Reizen ausgesetzt. Vom Internet ganz zu schweigen, wo die Eltern meist überhaupt keine Kontrolle haben über das, was ihre Kinder konsumieren."
    Das bestätigt auch die 18-jährige Aliki. Gerade die Jungs in ihrem Bekanntenkreis hätten ihr Wissen über Sex vor allem aus Pornos.
    "Ich finde, das ist so falsch. Pornos zeigen ja nicht die Realität, da ist ja alles inszeniert und sie bringen uns auch nichts über Verhütung bei. Viele Jungs denken aber, so muss es gehen und legen dann auch selber überhaupt keinen Wert auf Verhütung."
    Sexualkunde soll Unterrichtsfach werden
    Das muss sich ändern, findet auch die Frauenrechtlerin Foteini Kouvela. Als griechische Generalsekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter ist sie direkt dem griechischen Innenminister untergeordnet. Die Regierung plane, den Sexualunterricht als Unterrichtsfach einzuführen, sagt sie. Dass sie bei diesem Vorhaben mit Widerstand rechnen muss, weiß Kouvela, sie zeigt sich aber entschlossen.
    "Aller Anfang ist schwer, aber die Reaktionen machen uns keine Angst. Letztes Jahr hatten wir zum ersten Mal eine Themenwoche über Gender und Geschlecht und auch da hatten wir Reaktionen seitens der Kirche und eines Teils der Eltern. Dieses Jahr werden wir erneut diese Themenwoche haben. Aber Themenwochen schön und gut, das Thema Sexualität muss in den regulären Unterrichtsstoff rein, in die Schulbücher, das ist wichtig und daran arbeiten wir."
    Die 18-jährige Aliki würde so etwas super finden, sagt sie. Für sie wäre es zwar zu spät, denn ihre schulische Laufbahn ist schon dieses Jahr zu Ende. Sie denkt aber auch an die jüngeren Mädchen:
    "Ich hatte eine Mitschülerin, sie ist mit 14 schwanger geworden. Und ich sehe das Ganze auch als ältere Schwester. Meine Schwester ist zwei Jahre jünger als ich und ich hoffe, dass ihr so etwas erspart bleibt."