Freitag, 19. April 2024

Archiv

Griechenland vor dem Referendum
Tsipras' populärer Gegenspieler in Athen

Die Griechen sollen am Sonntag über das Sparprogramm der Geldgeber abstimmen. Während Ministerpräsident Alexis Tsipras für ein Nein wirbt, führt in Athen Giorgos Kaminis die Initiative für ein Ja an. Der beliebte Bürgermeister plädiert zudem dafür, dass ein überparteiliches Komitee die Verhandlungen mit den Geldgebern führt.

Von Rodothea Seralidou | 03.07.2015
    Athens Bürgermeister Giorgos Kaminis spricht zu Journalisten
    Athens Bürgermeister Giorgos Kaminis wirbt für ein Ja der Griechen zum Referendum über die Sparauflagen der internationalen Geldgeber. (AFP/ Angelos Tzortzinis)
    Im Ballsaal des 5-Sterne-Hotels Electra Palace in der Plaka, der Athener Altstadt. Im luxuriösen Saal mit den Marmorstufen und den Kronleuchtern haben dutzende Journalisten Platz genommen und warten auf den Athener Bürgermeister Giorgos Kaminis. Dieser lässt nicht lange auf sich warten: Pünktlich zur angekündigten Zeit kommt er in Begleitung seines Pressesprechers herein. Er setzt sich an den Podiumstisch und legt los.
    Der Athener Bürgermeister ist bekannt dafür, dass er bei wichtigen Angelegenheiten klare Stellung bezieht. So auch diesmal. Er spricht sich für ein Ja beim Referendum aus:
    "Denn hier stehen zwei Dinge auf dem Spiel: Unser Verbleib in der Eurozone und auch unser Verbleib in der EU. Für dieses Land, das sich im östlichen Mittelmeer befindet, ist eine komplette Isolation sehr gefährlich. Und wir werden eine wirtschaftliche Katastrophe erleben. Wir werden zurück zur Drachme kehren, diese wird an Wert verlieren, die Inflation wird sehr hoch sein."
    "Referendum macht unser Land lächerlich"
    Als Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und langjähriger Ombudsmann findet Kaminis die Fragestellung des Referendums ohnehin irreführend. Denn das Sparpaket, das die Geldgeber am 25. Juni vorgeschlagen hatten und worüber die Griechen am Sonntag entscheiden sollen, sei nach Abbruch der Verhandlungen schon längst vom Tisch:
    "Rechtlich gesehen, macht dieses Referendum unser Land lächerlich. Hier geht es um einen Vorschlag, der keine Gültigkeit hat. Die wirkliche Frage ist, ob wir weiterhin in der Eurozone bleiben wollen oder nicht. Da brauchen wir ein klares Ja. Wir müssen unseren Partnern zeigen, dass wir den Euroraum nicht verlassen wollen."
    Um die Bevölkerung so gut es geht über die Risiken dieses Referendums zu informieren, hat Kaminis zusammen mit dem Bürgermeister von Thessaloniki, Jiannis Boutaris, und über 80 weiteren Persönlichkeiten - darunter Hochschulprofessoren, Schriftsteller und Unternehmer - eine Initiative ins Leben gerufen, die sich für ein Ja ausspricht. In den Medien und auf Kundgebungen appellieren sie an die Vernunft der Griechen. Denn ein klares Ja sei auch ein klares Signal für weitere Verhandlungen, und damit, so Kaminis die einzige Möglichkeit für das Land irgendwann wieder zur Normalität zurückzukehren:
    "Die Banken werden am Montag nicht aufmachen. Das ist klar. Und die Gründe liegen auf der Hand: Woher sollen sie Geld bekommen? Es finden keine Banktransaktionen statt. Wir müssen aber mit Ja abstimmen, damit die Banken so schnell wie möglich wieder aufmachen können."
    Überparteiliches Komitee soll Verhandlungen weiterführen
    Egal, wie das Ergebnis des Referendums ausfallen wird: Kaminis plädiert dafür, dass die Verhandlungen nicht mehr allein die Regierung Tsipras führt, sondern ein nationales überparteiliches Komitee:
    "Wir müssen am Tag nach dem Referendum Menschen nach Brüssel schicken, die mit den Institutionen zusammenarbeiten wollen. Es muss ein Team sein, das eine allgemeine Akzeptanz genießt. Denn wir brauchen einen nationalen Konsens. Und wir müssen aufhören, die anderen zu erpressen. Wir können doch nicht zu Europa gehören und so weitermachen. Das ist weder ein Zeichen des Muts noch der Aufrichtigkeit gegenüber der internationalen Gemeinde."
    Kaminis ist bekennender Europa-Fan: Er hat in Paris, Madrid und Heidelberg studiert.
    "Ich liebe Europa! Aber auch für die kulturelle Identität Europas wäre es ein großer Verlust, wenn Griechenland austreten müsste. Denn schließlich ist Griechenland das Land, in dem man das Wort Europa das erste Mal gehört hat."