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Griechenlands Banken
Das Dilemma der EZB

Nach dem Gang in die Wahlkabine gestern, steht für viele Griechen nun wieder der Gang an den Bankautomaten an. Da stellt sich nun umso drängender die Frage: Wie lang gibt es noch Geld? Das hängt maßgeblich von der Europäischen Zentralbank ab. Wann die den Geldhahn endgültig zudreht, darüber wird heftig spekuliert.

Von Brigitte Scholtes | 06.07.2015
    An einem Geldautomaten in Athen stehen mehrere Menschen an.
    Im Augenblick ist die Solvenz der Banken gegeben, aber das kann sich schnell ändern. (picture alliance / dpa / Socrates Baltagiannis)
    Die griechischen Banken werden wohl nicht mehr lange ihre Geldautomaten mit Euroscheinen füllen können. Das vermutet Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, wenn die Europäische Zentralbank die ELAs, die Nothilfekredite im Volumen von insgesamt 90 Milliarden Euro nicht erhöht:
    "Ich denke, dass die 90 Milliarden, die zuletzt gewährt, im Lauf der nächsten Tage aufgebraucht sein werden. Und damit wird es den griechischen Banken auch nicht mehr möglich sein, weiter Euros auszugeben, weil man damit de facto von der Bargeldversorgung abgeschnitten sein wird."
    Die Bevölkerung kann also auch nicht mehr mit Euroscheinen versorgt werden:
    "Die griechische Wirtschaft muss mit dem Bestand an Bargeld auskommen, der im Land ist. Durch die Kapitalverkehrskontrollen ist es ja fast unmöglich oder sehr schwierig, das Geld außer Land zu schaffen, also wird man mit dem Bestand letztendlich auskommen müssen. Es gibt Gerüchte, dass die Bevölkerung sehr viel Euros gehortet hat. Ob man darauf zurückgreift oder nicht, hängt letztendlich von den einzelnen Menschen ab. Aber es wird natürlich zunehmend schwieriger, und das Wirtschaftsleben wird dadurch sehr nachteilig berührt sein."
    EZB ist auch Bankenaufsicht
    Viele Ökonomen meinen ja, jetzt schon müsse die EZB dieses Nothilfekreditprogramm ganz beenden. Denn das war konzipiert worden, um eigentlich solventen Banken über kurze Zeit zu helfen. Die EZB beruft sich auf ein rein formales Argument an, erläutert Stefan Bielmeier:
    "Da hat es die EZB einfach: De facto ist die EZB ja auch die Aufsicht für diese Banken. Und solange die Aufsicht der Banken bestätigt, dass die griechischen Banken solvent sind, kann die EZB nach den Statuten des Programms ELA auch weiter gewähren. Das zeigt natürlich aber auch, wie schwierig es ist, dass man Geldpolitik mit diesen Notmaßnahmen und die Aufsicht unter einem Dach hat."
    Die Aufsicht prüfe die Frage der Solvenz immer wieder, hatte letzte Woche Felix Hufeld erklärt. Der Präsident der deutschen Finanzaufsicht BaFin gehört dem Supervisory Board, dem wichtigen Entscheidungsgremium der EZB-Aufsicht an:
    "Im Augenblick ist die Solvenz der Banken gegeben, aber das muss so nicht bleiben und kann sich in Abhängigkeit von der Entwicklung der nächsten Tage, eventuell Wochen, selbstverständlich ändern."
    Entscheidung über Nothilfekredite steht bevor
    Die EZB ist in einem Dilemma. Sie will nicht diejenige sein, die den Stecker zieht. Sie verweist darauf, dass die Politik die Entscheidung darüber fällen müsse, wie es mit Griechenland weitergeht. Noch mag sie die Fiktion aufrechterhalten können, die griechischen Banken, die viele griechische Staatsanleihen halten, seien wirklich solvent. Doch am 20. Juli wird ein Kredit der EZB in Höhe von 3,5 Milliarden Euro an Griechenland fällig. Und dann wird man eine Entscheidung treffen müssen über die Nothilfekredite, sagt DZ-Bank-Chefvolkswirt Bielmeier:
    "Spätestens das wird aber die Deadline sein, wo die EZB oder die Aufsicht der griechischen Banken feststellen muss, dass die Banken doch nicht mehr solvent sind, weil der griechische Staat de facto auch gegenüber der EZB dann als Schuldner ausgefallen wäre. Bis dahin - so lang man einen glaubwürdigen Prozess sieht, dass Verhandlungen weitergeführt werden, denke ich, kann man diese Vermutung erst mal aufrechterhalten."
    Umschulden könne die Notenbank nicht, hatte heute Morgen EZB-Ratsmitglied Christian Noyer gesagt: Das wäre dann auch in den Augen der Europäischen Zentralbank unerlaubte Staatsfinanzierung.