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Griechenlands Sanierungsplan

Dem Sparplan der griechischen Regierung zufolge müssen vor allem Arbeitnehmer mit mittleren und kleinen Einkommen den Gürtel enger schnallen - doch die Regierung will auch der massiven Steuerhinterziehung von geschätzten 20 Milliarden pro Jahr Herr werden.

Von Daniel Voll | 06.05.2010
    Mittwochnachmittag, kurz nach der Straßenschlacht zwischen Demonstranten und der Polizei vor dem griechischen Parlament: Der große Demonstrationszug hatte sich zwar aufgelöst, doch der harte Kern von Demonstranten zog in kleinen Gruppen wieder durch die Straßen, vor allem die kleine kommunistische Gewerkschaft PAME, die bereits in den letzten Tagen mächtig für den Generalstreik mobilisiert hatte.
    Mittwoch war der Tag der Gewerkschaften. Der Generalstreik hatte das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt und dem Protestruf gegen den Sparplan der griechischen Regierung folgten rund 150.000 Menschen auf die Straße. Es war die größte Demonstration in Griechenland seit Jahren.

    Die Gewerkschaften hatten besser gespürt als die politischen Parteien, dass die Argumente der sozialistischen Regierung Papandreou selbst viele eigene Wähler nicht überzeugten, weil Lohn- und Rentenkürzungen, sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer einseitig die einfachen Leute belasten.

    Die Folgen davon spüren viele Leute jetzt schon, wie diese Studentin sagt. Auch die eigenen Familie leide bereits Entlassungen und Rentenkürzungen. Auch für sich selber sieht sie keine Perspektive - wenn sie das Studium abgeschlossen habe, dann werde sie wegen des Anstellungsstopps keine Stelle finden.

    Griechenland erlebt zurzeit eine tiefe Vertrauenskrise - die beiden großen Parteien, die sozialistische Pasok von Regierungschef Jorgos Papandreou und die konservative Nea Demokratia haben sich seit dem Sturz der Diktatur an der Macht abgelöst. Sie haben ihre Klientel auf Staatsstellen untergebracht und sind damit verantwortlich für den aufgeblähten und ineffizienten Apparat, der nun reduziert werden soll.

    Für viele Griechen sind PASOK und Nea Demokratia vollkommen diskreditiert. Als Urheber dieser Krise seien sie völlig überfordert - es brauche andere Politiker, sagt etwa dieser ehemalige Beamte im Kulturministerium.

    Als Alternative bieten sich höchstens populistische Parteien an - rechts die nationalistische LAOS und links die Kommunisten.

    Doch der Protest in Athen galt nicht nur der eigenen Regierung. Viele Griechen fühlen sich gedemütigt - auch von der Europäischen Union und vom Internationalen Währungsfonds und sind darum zornig, wie diese pensionierte Lehrerin.

    Der Sanierungsplan, dies hat der Rekordaufmarsch gezeigt, erscheint einem großen Teil der Bevölkerung als ungerecht. Politisch dürfte er die Hürden im Parlament heute jedoch problemlos schaffen, nachdem auch die oppositionelle Nea Demokratia unter dem Eindruck der Ereignisse von gestern zustimmen will.

    Die Regierung Papandreou erhält so zumindest eine Atempause - die sie dazu nutzen muss, die Steuerhinterziehung zu bekämpfen, wie der Politologe Dimitris Charalambis von der Universität Athen sagt:

    "Aber wenn so in ein paar Monaten nicht klar wird, dass auch die, die richtig haben, nicht bezahlen, dann wird es sehr prekär im Lande. Man rechnet - offiziell machen die Berechnungen von einer Steuerhinterziehung von 20 Milliarden im Jahr."

    Auch dieses Geld ist im griechischen Sanierungsplan eingerechnet. Nun hat der Staat noch einen zweiten Grund, schärfer gegen die Steuerhinterziehung vorzugehen - denn nur so kann er zeigen, dass er nicht nur kleine und mittlere Einkommen kürzt, sondern auch die Großen zur Kasse bittet.