Donnerstag, 25. April 2024

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Griechenlands Staatsanleihen
Brok: "Steuerzahler wird nicht bezahlen"

Eine Menge von Griechenlands Problemen seien noch nicht gelöst, sagte Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, im DLF. Doch die aktuelle Reformpolitik ermutige, dass der Staat auf Dauer aus der Krise herauskomme.

Elmar Brok im Gespräch mit Christoph Heinemann | 11.04.2014
    Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, spricht auf dem 25. Bundesparteitag der CDU in Hannover.
    Der CDU-Politiker Elmar Brok ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments. (dpa picture alliance / Bernd Von Jutrczenka)
    Brok lobte, dass Angela Merkel bei ihrem Besuch in Athen vor allem mit dem Mittelstand sprechen wolle. Denn wenn Vertrauen wächst, führe das wieder zu verstärkten Investitionen.
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments hob zudem positiv hervor, dass die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands seit den vergangenen Jahren wieder um 20 Prozent aufgeholt habe. Brok, der an der Reformpolitik festhält, sagte, es müsse darauf geachtet werden, dass der Finanzsektor in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit habe, Staaten und Menschen in solch bedrohliche Lagen zu bringen. Banken dürften nicht mehr systemisch sein.
    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Schuldenstand 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit 28 Prozent, darunter besonders viele junge Menschen, die gerne eine Familie gründen würden, sich das aber nicht leisten können. Ein großer Teil einer ganzen Generation lebt ohne Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb möchte Angela Merkel heute auch zusammen mit deutschen Unternehmen die Chefs griechischer mittelständischer Unternehmen treffen. Die griechische Regierung erklärt, die Talsohle sei erreicht. Dass ihr das nicht alle glauben, davon zeugten die Streiks in dieser Woche und die Autobombe, die in der Nähe der Notenbank hochging.
    Am Telefon ist Elmar Brok (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments. Guten Morgen!
    Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Brok, blicken wir auf den gestrigen Tag zurück. Was bedeutet die Anleihe für Griechenland, außer den drei Milliarden Euro für die Staatskasse?
    Brok: Es zeigt, dass Licht am Ende des Tunnels ist. Es zeigt, dass die Dinge aufwärts gehen. Es ist vieles noch nicht gelöst, man ist lange noch nicht aus den Problemen heraus. Aber die Tatsache, dass man an den Märkten wieder reüssiert, zeigt, dass Vertrauen geweckt worden ist in die Zukunftsfähigkeit Griechenlands, und ich glaube, das ist eine Ermutigung, mit der Reformpolitik weiter voranzugehen, damit Griechenland auf Dauer aus der Krise herauskommt.
    Heinemann: Wasser in den Wein, in den Rezina, gießen Wirtschaftsfachleute, zum Beispiel Lutz Göbel, der Chef des Familienunternehmer-Verbandes. Er sagt, der Staatsanleihekauf durch vornehmlich Hedgefonds sei ein Beleg dafür, dass die Finanzinvestoren die politischen Tricksereien bei der Euro-Rettung durchschauen und darauf spekulieren, dass im Notfall wieder andere die Zeche zahlen. Die anderen sind dann die Steuerzahler. Solide klingt anders?
    Brok: Nun, beim letzten Mal haben ja die Anleger bezahlt. Es hat ja einen Schnitt gegeben zu Lasten der Anleger, so dass das schon aufgrund der Vorgeschichte sehr risikoreich wäre, wenn man darauf es abstellen würde, denn der Steuerzahler wird nicht bezahlen. Und außerdem müssen wir ja sehen, dass mit der Bankenunion jetzt sehr viel stärker die Banken selbst für ihr Fehl-Management herangezogen werden können. In Zukunft wird wegen dieser Bankenunion, die wir mit Europäischem Parlament und Ministerrat beschlossen haben, eben nicht mehr der Steuerzahler für solche Dinge einzutreten haben, wenn es ein Fehlverhalten, eine Fehlplanung von Bankinstituten gibt.
    Ein Stück Glaubwürdigkeit wiederhergestellt
    Heinemann: 4,75 Prozent muss Griechenland für diese Staatsanleihen zahlen. Hat das Land dieses Geld?
    Brok: Das Land muss, glaube ich, Geld aufnehmen, und wenn man sieht, dass man bei ... Zinsen waren von 10, 12, 13 Prozent noch vor einem Jahr, anderthalb Jahren, wenn man an die Märkte gegangen wäre, zeigt sich, dass dies eine verdammt gute Entwicklung ist und dass dadurch ein Stück von Glaubwürdigkeit wiederhergestellt worden ist und dass dieses auf Dauer immer noch eine billigere Lösung ist. Ich glaube, dass dies ein Ansporn dazu ist, mit den Reformmaßnahmen weiterzugehen. Man hat erst mal hier einen Primärüberschuss im Haushalt erwirtschaftet. Ich weiß nicht, ob das für jedes deutsche Bundesland gelten würde. Und daran zeigt man, dass man erhebliche Anstrengungen, sehr zu Lasten auch der Bevölkerung, gemacht hat, und deswegen ist es jetzt an der Zeit, dass dies mit verstärkten Wachstumsimpulsen gegeben wird. Dadurch, dass jetzt Vertrauen wieder wächst, ist dies auch, glaube ich, eine Frage, die dann wieder zu stärkeren Investitionen führt. Ich finde es wichtig, was die Bundeskanzlerin vorhat, mit dem Mittelstand dort zu reden, denn ein Hauptproblem ist es noch, dass der Bankensektor nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellt für den Mittelstand, um dort Investitionen vorzunehmen. Ich glaube, da muss noch erheblich nachgearbeitet werden.
    Heinemann: Herr Brok, an den Zahlen zum Haushaltsüberschuss besteht Zweifel. Die Troika hat das zwar bestätigt. Die Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat sprechen aber eine ganz andere Sprache. Sie haben für die ersten drei Quartale 2013 ein Defizit von 17 Milliarden Euro errechnet. Wird das schön gerechnet?
    Brok: Es ist sicherlich ein Defizit da. Primärüberschuss heißt, positiv mit Herausnahme des Schuldendienstes. Mit dem Einrechnen dieses Schuldendienstes ist das natürlich nach wie vor ein defizitärer Haushalt. Dies ist eindeutig so. Aber es ist ein erheblicher Fortschritt, dass die Struktur des Haushalts heute gesünder ist als vor einem oder zwei oder drei Jahren. Und wir müssen auch sehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft gegenüber Deutschland in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent aufgeholt hat. Auch dieses sind positive Zeichen. Ich sagte ja am Anfang, das ist alles noch nicht ausreichend. Es muss noch lange nachgearbeitet werden und es muss noch manches geschehen. Aber ich glaube, dass es jetzt ein Licht am Ende des Tunnels ist, und ich habe in der vergangenen Woche mit Ministerpräsident Samaras darüber geredet. Er sagt, wir haben eine neue Chance, und wenn man sieht – das ist ja im Bericht von Herrn Bormann deutlich geworden vorhin -, dass diese Regierungspartei diese schwierigen Operationen vorgenommen hat, dennoch jetzt wieder in der Führung liegt bei den Meinungsumfragen, ist das augenblicklich auch ein Zeichen für dieses demokratische Bewusstsein der Griechen.
    Heinemann: Bleiben wir noch mal bei der Ehrlichkeit. Es gibt auch Berichte darüber, Athen hübsche die Haushaltsbilanz dadurch auf, dass Rechnungen an Lieferanten in Höhe von über vier Milliarden Euro einfach nicht bezahlt würden.
    Finanzamt arbeite noch nicht richtig
    Brok: Es wird ja ständig Misstrauen gesät und natürlich ist manches in der Staatsverwaltung nicht in Ordnung, und das ist ja auch eines der Hauptprobleme, die wir sehen müssen, dass die Administration noch nicht stimmt, dass das Finanzamt und das Finanzministerium nicht vernünftig arbeiten, deswegen immer noch nicht genügend Gelder von den reichen Griechen eingenommen werden, und ich glaube, dass diese Strukturen weiter ausgebaut werden müssen, um dieses Stück Ehrlichkeit dort einzubauen, das in 30 Jahren, 40 Jahren verschlampt worden ist, und dass dies ein sehr, sehr schwieriger Prozess ist, den Ministerpräsident Samaras da auf sich genommen hat, dieses völlige Versagen der wirtschaftlichen und politischen Klasse des Landes über Jahrzehnte in Ordnung zu bringen. Aber ich glaube, das, was er in knapp zwei Jahren jetzt zu Wege gebracht hat, das lässt sich sehen. Und ich glaube, dass wir das unterstützen sollten, nicht kleinreden sollten. Wir sollten die Fortschritte sehen. Wir sollten sehen, das Glas ist halb voll und nicht halb leer.
    Heinemann: Trotzdem muss man ja auch in die Zukunft gucken. Wer garantiert denn, dass Athen nicht zur kreativen Ausgabenpolitik zurückkehren wird, wenn mal die Troika den Haushaltspolitikern nicht mehr auf die Finger schaut?
    Brok: Wir haben inzwischen mit dem Fiskalpakt, mit dem neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt und einer ganzen Reihe von anderen Instrumenten heute Möglichkeiten des Hineinsehens, des Prüfens, des Verbietens, des Einfluss nehmens, als dieses in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. In den letzten drei Jahren sind diese europäischen Mechanismen erheblich aufgebaut worden. Des Weiteren ist es so, dass auch in den Finanzbereich hinein, etwa durch die Bankenunion und manche andere Dinge, heute auch die kreative Mitwirkung des Finanzsektors nicht mehr so möglich ist, so dass da die Voraussetzungen für die Zukunft besser sind, dass man nicht eine solche Krise wieder haben wird. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass beispielsweise europäische Unterstützung der Strukturfonds besser eingesetzt wird, nicht für irgendwelchen Kleinkram - auch in Deutschland machen wir ja da viele Fehler, wenn ich manche Förderung etwa im Ruhrgebiet und anderen Gegenden mir anschaue -, sondern dass wir das wirklich sehr viel stärker einsetzen zur Förderung von Mittelstand, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zur Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit und nicht für einige andere schöne Dinge.
    Heinemann: Würden Sie sagen, Herr Brok, Trickserei ist überhaupt nicht mehr möglich in Zukunft?
    Brok: Dann würde ich die menschliche Natur außer Kraft setzen. Es wird immer wieder Versuche geben, Dinge zu umgehen.
    Heinemann: Das wollen Sie heute Morgen nicht tun?
    Brok: Das sollte man nicht tun, aber das wird überall geschehen. Aber ich glaube, dass nach menschlichem Ermessen wir heute mehr Einwirkungsmöglichkeiten haben, gegen solche Politiken vorzugehen, als es etwa die Bundesregierung hat gegenüber den Bundesländern.
    Über Elmar Brok
    Geboren 1946 in Verl, Nordrhein-Westfalen. Brok ist seit 2012 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments. Das gleiche Amt hatte er bereits von 1999 bis 2007 inne. Der studierte Jurist und Politologe ist zudem außenpolitischer Koordinator der Europäischen Volkspartei (EVP) und Präsident der Europäischen Union Christlich-Demokratischer Arbeitnehmer (EUCDA) (Quelle: Wikipedia)


    Heinemann: Schauen wir, Herr Brok, auf die soziale Seite. Wie viel wurde kaputt gespart?
    Brok: Die Alternative war der völlige Crash in Griechenland. Das hätte bedeutet, dass keine Löhne, keine Renten, überhaupt nichts mehr gezahlt werden könnte und die Krankenhäuser stillgelegt worden wären. Dieses ist vermieden worden und von daher ist es von der Ausgangsposition, von der Alternative her das beste, was möglich war. Aber es ist furchtbar, was dort angerichtet worden ist, auch in anderen Ländern wie Irland und so weiter, und deswegen ist es notwendig, denn der Ausgangspunkt war in vielen Bereichen ja der Crash in den USA 2008 mit Lehman Brothers, der uns alle in Schwierigkeiten gebracht hat, auch Deutschland. Deutschland hat 500 Milliarden Euro Steuergelder verloren durch das Auffangen dieser Krise, allein durch Rettung deutscher Banken und Konjunkturprogramme, dass wir darauf achten müssen, dass der Finanzsektor in Zukunft nicht mehr den Spielraum hat, Staaten und Unternehmen in solche Schwierigkeiten zu bringen, dass Menschen darunter leiden. Es leiden immer einfache Menschen darunter in erster Linie, und deswegen ist es notwendig, dass niemand mehr eine Bank, oder wer auch immer systemisch sein kann, dass der Steuerzahler ihn retten muss.
    Heinemann: Diese einfachen Menschen, Herr Brok, dürfen bald wählen. Mit welcher Entwicklung in Athen rechnen Sie, wenn das Linksbündnis Syriza die Wahl gewinnen sollte? Syriza lehnt ja die gesamte Rettungspolitik ab.
    Brok: Ich glaube, dass es da ein hohes Maß von Verantwortlichkeit in Griechenland gibt und dass die Nea Dimokratia, die Regierungspartei, gewinnen wird. Sorge mache ich mir um die sozialdemokratische Partei Pasok, aber ich hoffe, dass der Mut besteht, dass diese Regierung fortfährt bis ans Ende ihres Mandats, um auf die Art und Weise das Programm zu Ende zu führen, und man nicht mit dem Schluss endet, dass die Syriza-Politik durchgehen würde, die ja nicht nur sich sozial gibt, sondern die ja in manchen Fragen geradezu nationalistisch argumentiert. Dann muss man ja sagen, dass das eine Katastrophe wäre, und wir müssen allerdings immer die Sorge haben, in wirtschaftlichen und sozialen Krisen wie dieser, wie 1929, gibt es immer die große Chance für Populisten rechter oder linker Spielart. Deswegen müssen wir sehr darum kämpfen, dass das demokratische System diese Krise auffängt, im demokratischen Lager, um auf die Art und Weise Europa und auch dieses Land voranzubringen.
    Heinemann: Elmar Brok (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Brok: Ich danke, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.