Donnerstag, 28. März 2024

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Griechische Wirtschaft
Wansleben: Wir sehen auch wieder Investitionen

Die Situation in Griechenland stabilisiere sich langsam, meint Martin Wansleben im Interview mit dem Deutschlandfunk. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sagte, erste Investoren kämen in das Land zurück, aber es sei noch ein langer Weg zu gehen.

Martin Wansleben im Gespräch mit Dirk Müller | 10.01.2014
    Müller: Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK. Guten Morgen!
    Martin Wansleben: Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Wansleben, wir haben darüber gesprochen, wie ist die Situation wirklich, wie schlimm ist es denn?
    Wansleben: Ja gut, ich meine, Griechenland musste sparen, da hilft nun mal alles gar nichts, wer zu viel Geld ausgibt, kann das auf Dauer nicht durchhalten. Die Alternative wäre ja gewesen, dass Deutsche oder andere halt das Geld zur Verfügung stellen. Wenn wir jetzt das uns angucken – Herr Vassiliadis hat das ja völlig richtig wiedergegeben –, der Abfall ist jetzt vorbei, also die Talsohle scheint erreicht zu sein.
    Aber es ist überhaupt keine Frage, Griechenland hat in den letzten Jahren ungefähr 25 bis knapp 30 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes verloren. Das heißt, die sind in der Krise, auch wenn man von außen betrachtet sagen kann, immerhin, der Rückgang ist gestoppt. Und jetzt geht es darum, ein solches Land wiederaufzubauen. Und da gibt es pragmatische Punkte, also zum Beispiel die Finanzierung der Unternehmen, die griechischen Banken sind nach wie vor nicht in der Lage, auch solchen Unternehmen, die eigentlich gut und erfolgreich wirtschaften könnten, Kredite zu geben.
    "Da traut man sich nicht mehr so richtig über den Weg"
    Hier ist es schon mal ein gutes Zeichen, dass die KFW einspringt, aber da muss mehr geschehen. Das heißt, große Hoffnung bezüglich der Bankenunion und vielleicht sogar eine gute Kombination, dass jetzt Griechenland die Ratspräsidentschaft hat, dann kann Griechenland genau dieses Thema auch bedarfsgerecht anpacken. Ein zweites Thema ist, dass so ein Land wie Griechenland oder so eine Gesellschaft wie Griechenland natürlich zutiefst verunsichert ist, das würde uns ja auch gehen, wenn wir ungefähr 25 bis 30 Prozent verlieren würden.
    Da traut man sich nicht mehr und man traut sich auch gegenseitig nicht so richtig über den Weg. Der normale Bürger den Eliten nicht, die Reformen greifen natürlich nicht von heute auf morgen, denn in Griechenland hatten wir es ja mit mehr zu tun als – in Anführungszeichen – nur mit einer Finanzkrise. Ich glaube, dass es deswegen wichtig ist, dass Griechenland klar sagt: Es gibt eben keine Korruption mehr und so weiter und so fort, bis hin zu Bürokratie. Der Staat wird nach wie vor als bürokratisches Monster empfunden. Und so gibt es jetzt eine Menge von Maßnahmen, die ergriffen werden.
    Müller: Reden wir noch mal über die unternehmerische Perspektive! Sie haben gerade ja in den vergangenen Monaten Unternehmen zusammengeschaltet, Diskussionsforen veranstaltet und gefragt, wer ist denn jetzt von euch aus deutscher Perspektive oder eben EU-Perspektive bereit, in diesen Zeiten, das heißt unter den Konditionen, die im Moment dort sind, nach Griechenland zu gehen, dort was aufzubauen und zu investieren. Haben Sie jemanden gefunden?
    Wansleben: Solange uns Griechen an der Grenze entgegenkamen, kann man keinem deutschen Unternehmer vorwerfen, doch nicht zu investieren. Aber inzwischen ist es so, dass ja schon eine Fülle von Reformen durchgeführt worden sind. Wir listen das regelmäßig mithilfe unserer Auslandshandelskammer auf, da ist eine Menge passiert, das sollten wir in Deutschland auch wirklich, wie Herr Steinmeier zu Recht das sagt, sehr wertschätzen.
    Und so langsam stabilisiert sich auch hier die Situation. Das heißt, die Immobilienpreise gehen runter, Grundstückspreise gehen runter. Und wir wissen von den Mitgliedern unserer Auslandshandelskammer, dass man jetzt nicht mehr darüber nachdenkt, mit fliegenden Fahnen aus dem Land zu gehen, sondern dass man feststellt, es gibt so was wie eine Konsolidierung und an der ein oder anderen Stelle sehen wir jetzt auch wieder Investitionen, bis hin eben zum Tourismus, der ja auch greift.
    Müller: Ja, es gibt den Blick dorthin, aber noch keine Entscheidung. Das heißt, es gibt Andeutungen…
    Wansleben: Da brauchen wir uns überhaupt nichts vorzumachen, es gibt jetzt noch keinen rasanten Aufschwung. Für dieses Jahr sind ja vorsichtige 0,6 Prozent Wachstum prognostiziert, Griechenland – ich glaube, da beißt keine Maus den Faden ab –, das ist wirklich noch ein langer Weg. Und das ist, wenn Sie so wollen, der schwierigste Fall. Sie hatten eingangs moderiert, Griechenland hätte, sagen wir mal, so ein bisschen dieses ganze Desaster mit verursacht.
    "Die ganzen Europäer haben weggeguckt"
    Ich glaube, was uns klar sein muss, wenn wir auf Griechenland oder auf andere Länder gucken: Wir haben natürlich auch alle gedeihlich weggeguckt. Also, das ist schon, sagen wir mal … Griechenland hat die Hauptverantwortung, ich glaube, was wir jetzt üben müssen - sehen wir ja auch so ein bisschen an der Einwanderungsdiskussion in Deutschland …
    Müller: Also, die deutsche Politik hat weggeguckt, sagen Sie?
    Wansleben: Die ganzen Europäer haben weggeguckt, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Sie können alle nehmen. Keiner hat sich so zu Wort gemeldet, dass frühzeitig gerufen worden ist, halt, da sind die Entwicklungen völlig, völlig falsch! In Spanien ja genauso. Wenn Sie die Immobilienentwicklung in Spanien wirklich immer analysiert hätten und hätten festgestellt, dass die spanischen Banken so viel Kredite ausgeben für Immobilien wie die französischen, italienischen und deutschen Banken zusammen, hätte man irgendwie auch erkennen können, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann!
    Müller: Also auch, weil Kontrolle und Finanzaufsicht ohnehin, weil der Überblick in Europa immer noch nicht funktioniert?
    Wansleben: Exakt. Das war sicherlich ein ganz großes Problem. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die europäischen Institutionen stärken, um mehr Verbindlichkeit in die Politik hineinzukriegen, und zwar mehr Verbindlichkeit auf nationaler Ebene, aber auch mehr Verbindlichkeit auf europäischer Ebene.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag!
    Wansleben: Danke Ihnen, Herr Müller!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.