Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Griechischer Kulturbetrieb
"Diese Jahre der Krise sind auch reizend für Künstler"

"In der Krise sind die Menschen nicht unbedingt weniger kreativ, vielleicht im Gegenteil", sagte Janis Pissis, persönlicher Berater des griechischen Kulturministers im DLF. Große archäologische Ausgrabungen seien ins Stocken geraten, Museen blieben länger geschlossen und Schauspieler seien arbeitslos – die Stimmung unter den Künstlern sei aber nicht wirklich schlechter durch die Krise.

Janis Pissis im Gespräch mit Beatriy Novy | 06.07.2015
    Wahrzeichen Griechenlands: Der Parthenon auf der Athener Akropolis.
    Wahrzeichen Griechenlands: Der Parthenon auf der Athener Akropolis. (AFP PHOTO / ARIS MESSINIS)
    Beatrix Novy: Am Tag nach dem deutlichen Nein der griechischen Bevölkerung zu den Sparauflagen der Institutionen ist außer dem Namen eines neuen Finanzministers alles offen, noch kennt ja keiner die Folgen. Aber wir fragen uns schon das eine oder andere, zum Beispiel, ob dieses Nein so deutlich auch von den Kulturschaffenden des Landes kam, ob sie sozusagen naturwüchsige Tsipras-Anhänger sind. Jannis Pissis ist ein Berater des griechischen Kulturministers Arestides Baltas. Dieses Ministerium war über die Jahrzehnte, wie das auch so üblich ist, für verschiedenes zuständig: für Kultur und Wissenschaft, Kultur und Sport, dann Kultur und Tourismus, seit 2012 schließlich für Bildung, religiöse Angelegenheiten, Kultur und Sport. - Frage an Jannis Pissis: Was kann dieses große Ministerium für die Kultur tun, was konnte es auch dafür tun, da die ja seit Jahren unter starken Kürzungen leidet?
    Jannis Pissis: Ja, das war tatsächlich eine schwierige Lage in den letzten Jahren. Eine große Frage sind natürlich die archäologischen Stätten in Griechenland. Dafür ist das Kulturministerium zuständig. Und durch all die Kürzungen war das natürlich ein großes Problem. Es gab eine mangelnde Überwachung, viele archäologische Stätten blieben länger zu, oder sogar Museen. Selbst das nationale archäologische Museum in Athen. Im Winter sind da nicht alle Säle zugänglich. Einige Säle bleiben zu wegen mangelndem Personal.
    Was die Konservierung, die Restaurierung und so weiter angeht, da ist zum Glück der ganze Betrieb nicht zusammengebrochen. Dafür sorgt man schon. Aber ja: Einige große Ausgrabungen zum Beispiel, die sind ins Stocken geraten in den Jahren.
    Novy: Herr Pissis, wie sieht es denn aus mit der Förderung von Theatern oder von Festivals, von Kunst? Wir haben ja in den letzten Krisenjahren, auch in den letzten Monaten noch in Athen und Thessaloniki immer noch beeindruckende kulturelle Höhepunkte, die Kunst-Biennale in Thessaloniki gerade oder auch Theater, die aus Nichts noch etwas machen, wenn auch meistens noch gefördert von EU-Geldern. Wie ist denn da die Stimmung jetzt?
    Pissis: Na ja. In der Krise sind die Menschen nicht unbedingt weniger kreativ, vielleicht im Gegenteil, und Initiativen gibt es viele in Griechenland in diesen Jahren. Die werden immer noch auch vom Staat unterstützt. Natürlich war es in den letzten Jahren schwieriger und vor allem die Arbeitslosigkeit bei Schauspielern und so weiter ist ein großes Problem, weil es auch keinen angemessenen Schutz gibt bei Arbeitslosen überhaupt in Griechenland, aber gerade auch in diesen künstlerischen Berufen. Man kann schon sagen, dass viele mittlere Bühnen oder auch nicht nur im Theater, auch in den anderen Künsten oder Galerien und so weiter, die hatten schon Probleme in den letzten Jahren, dass sie über die Runden kommen. Die Stimmung ist trotz der finanziellen Probleme nicht schlecht. Wie gerade gesagt, diese Jahre der Krise sind natürlich auch reizend für Künstler, für kulturschaffende Menschen.
    Novy: Haben die, um sie mal zusammenfassend so zu nennen, Kulturschaffenden mehrheitlich zu Tsipras, also zum Nein in der Abstimmung gestanden?
    Pissis: Das würde ich schon sagen, aber da fehlen mir die Daten. Auf jeden Fall haben die jungen Leute massiv für das Nein gestimmt. Es ging nur darum, dass man die Gläubiger besänftigen muss, damit sie uns nicht härter bestrafen, und dieser Diskurs ist tatsächlich sehr gefährlich, finde ich, für die Demokratie, aber auch für Europa. Auf der anderen Seite war auch das Nein nicht einfach, denn es gibt keine Alternative oder keine Perspektive ohne Euro. Man ist auf Europa angewiesen und man will auch. Niemand will auch eine andere Perspektive. Aber ja, man tut irgendwie, man hat mit so einer Geschlossenheit irgendwie das Richtige getan, auch wenn die Welt untergehen sollte, und man hofft natürlich, dass die Welt nicht untergehen soll. Die Menschen haben Angst natürlich, aber haben auch Hoffnung und haben auch ihre Würde, wie Sie selbst gesagt haben. Ja, man hofft, dass Besonnenheit herrscht dann in Europa.
    Novy: Gibt es eine Angst vor dem Austritt nicht nur aus dem Euro, sondern aus Europa? Welche Folgen könnte man sich da für die Kultur und insbesondere für den kulturellen Austausch vorstellen?
    Pissis: Das wäre schrecklich natürlich. Das möchte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Man will tatsächlich, auch die griechische Gesellschaft will, dass endlich die nötigen Reformen durchgesetzt werden. Man sieht Griechenland nur als Teil Europas natürlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.