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Grippeimpfung
Darmflora offenbar wichtig für Schutzwirkung

Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts lassen sich etwa ein Drittel aller Deutschen gegen Influenza-Viren impfen. Allerdings erkranken trotz Impfung besonders ältere oder geschwächte Menschen häufig doch. Wie sich die Impfwirkung verbessern lässt, ist deshalb eine wichtige Frage. Forscher aus Atlanta haben jetzt entdeckt, dass die Bakterien der Darmflora dabei eine wichtige Rolle spielen könnten.

Von Magdalena Schmude | 12.09.2014
    Wer sich gegen Grippe impfen lässt, bekommt meist einen Impfstoff unter die Haut gespritzt, der Teile von abgetöteten Viren enthält. Das Immunsystem erkennt diese Antigene und produziert passende Antikörper, die bei erneutem Kontakt mit dem Erreger eine Infektion verhindern können. Bali Pulendran und sein Team am Emory Vaccine Center in Atlanta untersuchen diese schützende Immunreaktion. Sie wollten wissen, welche Gene im Körper nach dem Impfen angeschaltet werden. Neben einigen Genen, die für die Antikörperproduktion wichtig sind, stießen die Forscher dabei auch auf eins, das mit den Grippeviren auf den ersten Blick wenig zu tun hatte:
    "Unter den aktivierten Genen war ein Gen, das TLR5 heißt. Es trägt Informationen für den Toll-like-Rezeptor 5, ein Protein, das bakterielles Flagellin erkennt. Dass das TLR5-Gen durch einen viralen Impfstoff wie den gegen Grippe angeschaltet wird, war eine Überraschung für uns."
    Virenimpfung aktiviert Gen gegen Bakterien
    Flagellin ist ein Baustein der Flagellen; langer Proteinfäden, die Bakterien auf ihrer Oberfläche tragen, um sich damit fortzubewegen. Die Grippeviren im Impfstoff besitzen kein Flagellin, konnten also nicht der Auslöser für die Genaktivierung sein. Die Forscher sahen außerdem, dass die schützende Wirkung der Impfung stärker war, je mehr TLR5 vom Körper hergestellt wurde.
    "Deshalb haben wir uns gefragt: 'Woher kommt das? Gibt es einen Zusammenhang zwischen TLR5 und der Immunreaktion gegen den Impfstoff?'"
    Um das herauszufinden, impften die Forscher eine Maus, bei der das Gen für TLR5 ausgeschaltet war, mit dem Grippeimpfstoff.
    "Wir untersuchten die Immunreaktion gegen den Impfstoff und sahen, dass sie viel geringer war als in normalen Mäusen, die den Rezeptor besitzen. Das hat uns gezeigt, dass TLR5 für eine starke Immunreaktion auf den Grippeimpfstoff nötig ist."
    Immunantwort profitiert von Bakterien
    Im Darm von Maus und Mensch leben besonders viele Bakterien, die Flagellen tragen. Sie helfen bei der Verdauung, beeinflussen den Stoffwechsel und sind für die Abwehr von Krankheitserregern wichtig, die in den Verdauungstrakt gelangt sind. Bali Pulendran und sein Team wollten wissen, ob diese Darmbakterien auch die Immunreaktion auf den Impfstoff beeinflussen.
    "Wir sagten uns: 'Lasst uns die Mäuse mit einem starken Antibiotikum behandeln, das die Bakterien beseitigt, und sie dann gegen Grippe impfen.' Und als wir das taten, sahen wir wieder, dass die Immunantwort auf die Grippeimpfung in den behandelten Mäusen stark reduziert war im Vergleich zu Mäusen, die keine Antibiotika bekommen hatten."
    Die Immunreaktion kehrte zurück, nachdem die Forscher die Darmflora der Mäuse mit einer Mischung verschiedener Flagellen-tragenden Bakterien wiederhergestellt hatten. Mit einer mutierten Bakterienart, die keine Flagellen trägt, war das nicht möglich. Dieser Unterschied bestätigte die Theorie der Forscher, dass bakterielles Flagellin nötig ist, um nach einer Grippeimpfung eine starke Immunantwort bei den Mäusen auszulösen. Als nächstes möchten Bali Pulendran und sein Team ihre Erkenntnisse jetzt auf den Menschen übertragen.
    "Unsere Daten legen den Verdacht nah, dass die Darmflora auch bei Menschen eine wichtige Rollen für die Immunität nach Impfungen spielt. Und natürlich wüssten wir gerne, ob das so ist. Beeinflusst zum Beispiel eine Behandlung mit Antibiotika die Immunantwort bei Impfungen?"
    Schon in den nächsten Monaten sollen deshalb erste klinische Studien durchgeführt werden.