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Gröhe: SPD hat von CDU-Erfolgen profitiert

Das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern wertet CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe als Signal der Wähler für eine Fortsetzung der Großen Koalition. SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering mache seine Arbeit sehr geschickt und sammle auch die Erfolge etwa des CDU-Wirtschaftsministers ein.

Hermann Gröhe im Gespräch mit Dirk Müller | 05.09.2011
    Dirk Müller: Die SPD hat gewonnen und die CDU deutlich verloren wie fast immer in diesem Super-Wahljahr. Nach Hamburg und Stuttgart droht nun auch in Schwerin der Machtverlust für die CDU, und sei es auch nur als Juniorpartner. Wie weit geht das Desaster der FDP? Über den Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern und über die Folgen für die Bundespolitik wollen wir nun reden mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!

    Hermann Gröhe: Guten Morgen!

    Müller: Herr Gröhe, warum ist die CDU inzwischen eine Verliererpartei?

    Gröhe: Also wir haben, wenn Sie sich die Umfragen der letzten Wochen ansehen, im ARD-Deutschlandtrend drei Prozent dazugewonnen. Wir haben in diesem Jahr die Bestätigung der unionsgeführten Landesregierung in Sachsen-Anhalt erlebt, ebenso wie ein starkes Ergebnis in Rheinland-Pfalz, bei dem wir auf Augenhöhe mit einer abgestürzten SPD gelandet sind und die Ausgangslage sich für uns deutlich verbessert hat. Also das muss man Wahl für Wahl sich ansehen. Und in Mecklenburg-Vorpommern haben die Wählerinnen und Wähler ein klares Signal auch der Fortsetzung einer erfolgreichen Regierungskoalition aus SPD und CDU gesetzt, von der zugegebenermaßen die Partei des Regierungschefs deutlich mehr profitiert, auch von den Erfolgen, für die etwa der CDU-Wirtschafts- oder -Innenminister steht.

    Müller: Herr Gröhe, dann ist für die CDU, anders als viele meinen, doch alles in Butter?

    Gröhe: Also es ist nicht alles in Butter, weil unser Land sich um wichtige politische Herausforderungen Sorgen macht. Natürlich löst die Debatte über Griechenland, über eine drohende oder abgewendete Staatspleite in den USA, die Sorge um die Stabilität der Währung Sorgen aus, die auf ein Land treffen, das toll aus der Wirtschaftskrise herausgekommen ist, aber bei denen die Menschen fragen, ist das von Dauer, wird sich das mit meinem Arbeitsplatz weiter gut entwickeln. Und solche Sorgen werden in einer Partei wie der Union aufgenommen, lebendig diskutiert, Sorgen werden an die Bundesregierung adressiert. Insofern sind das Herausforderungen, vor denen wir stehen. Gleichwohl ist richtig, dass gestern es um eine Landtagswahl ging, bei der die Wählerinnen und Wähler ganz deutlich nach landespolitischen Kriterien entschieden haben.

    Müller: Ja, das ist oft so, Herr Gröhe. Sie als Generalsekretär, das kann man ja nachvollziehen: Immer wenn eine Partei verliert in den Ländern, sind es landesspezifische Dinge.

    Gröhe: Nein, das sind ja die Wählerinnen und Wähler gefragt worden, welches Thema oben ansteht. Dann haben sie über Arbeitsplätze, über Bildung, über das, was ihnen im Land gut gefällt, und da, wo sie weitere Schritte wollen, gesprochen. Natürlich hat das Thema Euro und andere Fragen auch eine Rolle gespielt, aber wer in Schwerin, wer in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt unterwegs war, spürte, in welcher Weise gerade landespolitische Debatten, eine fehlende Wechselstimmung, die ja auch zu einer leider sehr geringen Wahlbeteiligung geführt hat, dieses Wahlergebnis bestimmt haben.

    Müller: Wenn das alles so stimmt, warum hat die CDU dann in Schwerin fünf Prozent verloren?

    Gröhe: Unsere Mitglieder der Regierung hatten schwierige Zukunftsaufgaben anzupacken. Ich nenne den Umstand, dass der Spitzenkandidat und Innenminister zuständig war für eine Kreisgebietsreform, die das Land fit für die Zukunft macht, die aber natürlich erst einmal bei den Betroffenen auf wenig Verständnis, ja auf deutliche Kritik stößt. Das hat zu Klagen CDU-geführter Kommunen gegen die Landesregierung geführt, die erst wenige Tage vor der Landtagswahl entschieden wurden. Also der Mut, auch Unpopuläres anzupacken, und die Chance, dass ein Regierungschef, der seine Arbeit sehr geschickt macht, gut mit dem Volk kommuniziert, auch vieles einsammelt, etwa die erfolgreiche Wirtschaftspolitik von CDU-Wirtschaftsminister Seidel, die zu vielen neuen Arbeitsplätzen geführt hat, das ist ein Umstand, den es auch in anderen großen Koalitionen zu beobachten gab.

    Müller: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Gröhe, war dieses Ergebnis gestern, auch das Ergebnis in Hamburg, in Stuttgart, auch die Verluste in Magdeburg, eine Wahl, eine Wahlentscheidung gegen den Trend?

    Gröhe: Nein. Aber jedes Land hat eine spezifisch andere Situation. Wir haben in Rheinland-Pfalz am selben Wochenende wie in Baden-Württemberg deutlich anders abgeschnitten und wir haben in Magdeburg eine Koalition mit einem neuen Spitzenkandidaten erfolgreich fortsetzen können. Ich wünsche mir auch auf Bundesebene mehr Zustimmung und damit mehr Rückenwind für Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer vor Ort. Es kann doch gar keine Frage sein, dass wir insgesamt mehr Zustimmung für uns als Union, für die bürgerlichen Parteien insgesamt wünschen, und dennoch verdient es jede Wahl, für sich ernst genommen und analysiert zu werden.

    Müller: Wie groß ist jetzt der Druck auf die Kanzlerin?

    Gröhe: Der Druck ist durch die Probleme da. Wir wollen in Sachen Europa, Euro-Stabilität weiter voran kommen, die Menschen überzeugen von notwendigen Schritten. Wir werden die Dinge im September im Parlament breit diskutieren. Ich bin überzeugt, in dem Maße, in dem auch deutlich wird, dass viele Sorgen bei uns gut aufgehoben sind, desto mehr auch das Vertrauen steigt in die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, dass dann auch vor allen Dingen dann, wenn unnützer Streit aufhört, die Koalition insgesamt, alle Koalitionsparteien wieder besser dastehen.

    Müller: Aber der Euro und der Euro-Raum, Herr Gröhe, bringt ja jeden Tag neue Hiobsbotschaften. Wir haben das am Freitag, an diesem Wochenende wieder erlebt mit Griechenland. Jetzt gibt es schon Stimmen in der Union, Stimmen in der Koalition, die sagen, Griechenland muss raus aus der Euro-Zone. Das hört sich ja so an, als wird das alles noch ungemütlicher.

    Gröhe: Die Lage ist ernst in Griechenland und das löst Diskussionen aus. Und mit Verlaub: Wir wollen als Union insgesamt das Problem an der Wurzel packen. Wir wollen Stabilität in diesen Ländern. Deswegen bestehen wir auf mehr Eigenanstrengung, auf konsequentem Sparkurs. Rot-Grün will die Schulden vergemeinschaften, das würde die Folgen der Verschuldung in anderen Ländern der Euro-Zone nach Deutschland holen durch steigende Belastung. Wir wollen Stabilität in diese Länder bringen. Insofern ja, wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, die auch die Alternativen deutlich machen, Stabilität mit uns oder rot-grüne Schuldenunion. Dieser Debatte müssen wir uns angesichts der großen Sorgen in der Bevölkerung stellen.

    Müller: Es wird der Kanzlerin ja immer wieder vorgeworfen, auch aus den eigenen Reihen, dass sie führungsschwach sein soll. Ist da für Sie was dran?

    Gröhe: Wer sieht, wer diesen Kurs, den ich im Augenblick skizziert habe, Stabilität statt Verschuldungskrise, in Europa führend vertritt, wer diese Vorschläge jetzt gemeinsam mit Sarkozy in die Europäische Union einbringt, der sieht, in Europa und in Deutschland führt Angela Merkel, wir unterstützen sie dabei.

    Müller: Aber dennoch wird der Kurs ja nicht überzeugend unterstützt, er wird auch nicht überzeugend argumentiert, dementsprechend sind auch die Ergebnisse und auch die Umfragen.

    Gröhe: Also die Meldungen, die die Menschen umtreiben, die haben Sie ja selber angesprochen. Wenn am Freitag Botschaften aus Griechenland kommen, dass Sparziele verfehlt sind, das ist mit Verlaub nicht die Folge von Unionshandeln, aber das treibt Menschen natürlich um. Und dass sich solche Erwartungen und Sorgen dann an die Regierung richten, das müssen wir ernst nehmen, dem stellen wir uns, wir diskutieren diese Fragen intensiv und wir werden im September in der parlamentarischen Beratung Gelegenheit haben, dies zu verdeutlichen, und ich bin zuversichtlich, dass wir damit nicht nur einen geschlossenen Auftritt der Koalition insgesamt erreichen, sondern auch die Menschen im Land mehr überzeugen können.

    Müller: Was hat Angela Merkel bislang versäumt in dieser Debatte?

    Gröhe: Angela Merkel führt Europa, führt Deutschland, führt in Europa gemeinsam mit Partnern wie dem französischen Präsidenten.

    Müller: Aber das bezweifeln ja viele, Herr Gröhe, dass es eine gute Führung ist, dass es eine überzeugende Führung ist, dass man das nachvollziehen kann, was sie macht.

    Gröhe: Also wenn wir uns die wirtschaftliche Situation in Deutschland ansehen, dann hat Angela Merkel ihr zentrales Wahlversprechen, Deutschland klug aus der Krise zu führen, ausweislich der Zahlen am Arbeitsmarkt, der Konsolidierungserfolge im Haushalt, in deutlicher Weise erreicht. Da ist in der ersten Halbzeit der Koalition zu viel überlagert worden durch ein oft nicht optimales Miteinander in den Parteien und zwischen den Parteien. Aber die Erfolge sind weiß Gott deutlich und wir werden sie weiter verdeutlichen.

    Müller: Aber es bezweifeln ja auch viele in der Koalition, dass das der richtige Weg ist. Die Mehrheit steht noch nicht und Wolfgang Bosbach, ein renommierter CDU-Politiker, der auch über viel Rückhalt in der Fraktion verfügt, kritisiert den Kurs.

    Gröhe: Ja, aber es ist doch eine Situation, in der wir vor großen Herausforderungen stehen, in der diskutiert werden muss, und nicht jede Sachdebatte ist gleich ein großer Streit. Wir werden eine eigene Mehrheit erreichen. Wir haben einige wenige grundsätzliche Kritiker dieses Kurses und wir haben andere, die beispielsweise am Thema Parlamentsbeteiligung mit daran gearbeitet haben, dass wir eine gute Lösung finden. Also ich bin sehr zuversichtlich, dass deutlich wird, dass die überwältigende Mehrheit in der Koalition diesen Weg geht.

    Müller: Also hat die CDU-Führung in den vergangenen Monaten nichts falsch gemacht?

    Gröhe: Wo viel gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht. Aber die Entwicklung in Griechenland und andere Entwicklungen, die die Menschen umtreiben, da geht es um die bestmögliche Antwort darauf. Ursächlich dafür sind nicht unsere Fehler. Wenn wir allerdings durch manche öffentliche Diskussion zu oft den Eindruck von Streit machen, dann ist das sicher etwas, was die Arbeit nicht erleichtert. Also: Fehler sind sicher gemacht worden, auch, aber die überwiegende, ganz überwiegende Ausrichtung unserer Politik - das zeigen alle Wirtschaftsdaten in Deutschland - ist erfolgreich und Deutschland muss diesen Weg weitergehen.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Gröhe: Auf Wiederhören, Herr Müller.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.