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"Größtmögliche Transparenz schaffen"

Telekommunikationsunternehmen müssen der Öffentlichkeit mehr Auskünfte über ihre Zusammenarbeit mit Behörden geben können, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von BITKOM. Dabei dürften jedoch berechtigte Interessen der Geheimdienste nicht behindert werden.

Bernhard Rohleder im Gespräch mit Martin Zagatta | 02.08.2013
    Martin Zagatta: Der britische Geheimdienst, der amerikanische Geheimdienst hört uns offenbar alle ab - wir hatten jetzt etwas Schwierigkeiten, den Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, also des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien, Bernhard Rohleder, zu erreichen, aber jetzt hat es geklappt. Guten Tag, Herr Rohleder!

    Bernhard Rohleder: Ja, schönen guten Tag!

    Zagatta: Herr Rohleder, was sagen Sie denn zu diesen Informationen, dass in Deutschland tätige Telekommunikationsunternehmen offenbar aktiv an der Ausspähung mitmachen? Regt Sie das noch auf, oder traut man Briten und Amerikanern in ihrer Branche mittlerweile alles zu?

    Rohleder: Ich weiß nicht, ob die Briten und die Amerikaner dort alleine hingehören, wo sie jetzt stehen, nämlich am Pranger. Es ist nun mal eine seit fast schon Jahrhunderten geübte Realität, dass Geheimdienste im Ausland spionieren, Ausforschungsarbeiten betreiben, dass ihnen das für Inländer untersagt ist. Und die Frage, die uns beschäftigen muss, ist, inwiefern gibt es Zirkelschlüsse zwischen den einzelnen Auslandsgeheimdiensten, sodass zwar jeder die eigenen Bürger im Inland nicht abhört, sich dafür dann aber der Dienste des befreundeten Geheimdienstes bedient.

    Zagatta: Die Frage, die wir mit Ihnen erörtern wollen, ist aber jetzt: Wie weit müssen denn Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, da mitmachen, wenn wir hören, dass sich jetzt angeblich Unternehmen sogar dafür bezahlen lassen, Telekommunikationsunternehmen sogar dafür bezahlen lassen, dass sie ihre Kunden ausspähen?

    Rohleder: Ja, der Umstand, dass Unternehmen dafür entschädigt werden, und zwar deutlich unterhalb der Kosten, die ihnen dafür entstehen, dass sie den Auskunftsersuchen der Behörden nachkommen, das ist nicht neu, das gibt es auch in Deutschland und schon seit Jahren. Es gib in Deutschland eine sehr strengen Regularien unterworfene Telekommunikationsüberwachung, gebunden an den richterlichen Beschluss im jeweiligen Einzelfall, und wenn der vorliegt, müssen die Unternehmen tätig werden, und dafür gibt es eine kleine Entschädigung. Das sind in der Regel so 25 Euro.

    Zagatta: Aber das sind Einzelfälle, wir sprechen ja jetzt von einer generellen Ausspähung.

    Rohleder: Na, ob das eine generelle Ausspähung ist, das müsste zunächst mal noch nachgewiesen werden. Dass die Unternehmen ein Interesse daran haben, diesen Prozess möglichst effizient auch zu gestalten, das ist evident, denn so, wie es derzeit läuft, kommen alle Anfragen völlig unstrukturiert bei den Unternehmen herein. Das reicht in der Tat von dem Dorfpolizisten, der mal bei der örtlichen Telekom-Niederlassung anruft und gern bestimmte Verbindungsdaten hätte, und geht bis zu der sehr strukturierten Anfrage dann von großen Behörden. Und darauf müssen die Unternehmen ihre Prozesse abstellen, sie müssen Technologien zur Verfügung stellen, und sie müssen ihre Mitarbeiter entsprechend schulen, und beschäftigen damit auch große Rechtsanwaltskanzleien. Und dass die Unternehmen hier den Aufwand gerne minimieren möchten, auch im Sinne ihrer Kunden, die dafür letztlich alles bezahlen, das, denke ich, ist normal, und dafür habe ich dann auch Verständnis.

    Zagatta: Das ist die eine Sache, aber es geht ja jetzt um den Vorwurf - und sollten diese Informationen stimmen, dass ein Unternehmen wie Vodafone da bei einer generellen Ausspähung mitmacht, dafür bezahlt wird, und das - dadurch, dass das Unternehmen ja in Deutschland auch tätig ist - auch auf deutschem Gebiet, wäre das nach Ihrer Ansicht rechtmäßig überhaupt? Ist Deutschland ein rechtsfreier Raum?

    Rohleder: Ja, Deutschland ist sicherlich kein rechtsfreier Raum, und zum Glück wird dieses Thema auch hier in Deutschland so intensiv diskutiert, das ist ja genau das, was wir etwas kritisch betrachten, dass wir doch weitgehend allein stehen, wenngleich die Diskussion auch in anderen Ländern jetzt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Aber ich gehe fest davon aus, dass sich ein Unternehmen, das hier in Deutschland tätig ist, auch an deutsches Recht hält. Wenn es das nicht täte, hätte es maßgebliche Probleme und möglicherweise auch existenzielle Probleme. Dem wird sich kein Unternehmen aussetzen, insofern meine ich schon, dass hier, bevor wir einen Generalverdacht auf Basis von zwei, drei Folien, die wenige Einzelne gesehen haben, aber zum Beispiel die Sicherheitsbehörden selbst gar nicht gesehen haben konnten bislang, dass wir auf dieser Basis einen Generalverdacht aussprechen und bereits über Unternehmen urteilen.

    Zagatta: Wer muss das ausräumen? Das sind ja jetzt knallharte Vorwürfe gegen ein Unternehmen wie beispielsweise Vodafone. Sehen Sie da Ihren Verband in der Frage auch gefordert, da mal nachzufragen bei Vodafone, oder ist das Sache der Politik?

    Rohleder: Wir sprechen darüber natürlich mit unseren Unternehmen, aber die Unternehmen unterliegen gerade in Deutschland einer noch strengeren Geheimhaltungspflicht, als das in den USA der Fall ist. Das wird oft übersehen. Die Unternehmen haben hier letztlich einen Maulkorb verpasst bekommen und können deshalb selbst dann, wenn sie möchten, so gut wie keine Informationen an die Öffentlichkeit geben, und auch nicht an uns als Verband geben.

    Zagatta: Von der deutschen Politik, von der deutschen Gesetzgebung oder von Ihnen?

    Rohleder: Von der deutschen Gesetzgebung, genau.

    Zagatta: Müsste das nicht schnellstens aus Ihrer Sicht geändert werden?

    Rohleder: Ja, das sollten wir ändern, und wir sollten es in der Tat schnellstens ändern, und auch nicht nur in Deutschland ändern, sondern wir sollten die größtmögliche Transparenz schaffen, die möglich ist, ohne die Geheimdienste in ihren berechtigten Interessen zu behindern.

    Zagatta: Sind Sie da im Gespräch mit der Bundesregierung?

    Rohleder: Wir sind im engen Dialog dazu mit der Bundesregierung. Die Aufgabe hat hier im Übrigen nicht nur die Regierung, sondern auch der Gesetzgeber, hier ist der Bundestag gefordert. Also an der Stelle gilt es, sicherlich noch zwei, drei Monate abzuwarten, bis die Wahlen gelaufen sind, aber dann meine ich, dann muss sich der Gesetzgeber auch dieses Thema vornehmen, und muss es so lösen, dass wir uns wieder sicher im Internet bewegen können, nicht nur in Deutschland, sondern auch als Reisende und als international tätige Unternehmen weltweit.

    Zagatta: Herr Rohleder, Sie haben da Einblick: Entwickeln deutsche Firmen, entwickeln die das auch, solche Überwachungssoftware, von der wir jetzt hören? Oder überlässt man das den Amerikanern?

    Rohleder: Ja, Sie sprechen ein nicht ganz einfaches Kapitel in der Geschichte der deutschen Kommunikationstechnik an. Natürlich hatte jedes Telekommunikationsnetz, das ja auch von deutschen Unternehmen, die sich auf dem Markt leider weitgehend verabschiedet haben, weltweit installiert wurde, bestimmte Backdoors, bestimmte Schnittstellen, zum Beispiel Wartungsschnittstellen, aber auch Schnittstellen für Behörden, die dann aktiviert wurden, wenn die entsprechenden gesetzlichen lokalen, nationalen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben waren. Sie können davon ausgehen, dass in vielen Ländern Technologien ohne diese Schnittstellen nicht hätten verkauft und nicht hätten eingesetzt werden können. Und diese Technologien kamen nicht nur aus den USA, sondern auch aus fast allen anderen Ländern.

    Zagatta: Und diese Technologie als technische Einrichtung unterscheidet ja nicht - sind das spezielle Anfragen, oder kann man da generell überwachen, das wäre auch damit möglich, ja?

    Rohleder: Nun, Sie können diese Schnittstellen natürlich so konfigurieren, dass eben nicht der beliebige und der beliebig häufige und der beliebig unbeobachtete Zugriff möglich ist, und wie sie konfiguriert werden, das hängt von den nationalen gesetzlichen Anforderungen ab, und da sind die Anforderungen in diktatorischen Staaten ganz andere als die, wie wir sie aus den meisten demokratischen Staaten, auch hier aus Deutschland kennen.

    Zagatta: Bernhard Rohleder, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes BITKOM. Herr Rohleder, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

    Rohleder: Danke an Sie!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.