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Groops.de
Der Blues des Analogen

Auf der Online-Plattform Groops verabreden sich Menschen mit gemeinsamen Interessen zu Freizeitaktivitäten im realen Leben - Wandern, Kochen, Spiele spielen. Thematisch gibt es bei den Interessengruppen keine Grenzen. 200.000 Mitglieder treffen sich über Groops im Monat. Entstanden ist die Plattform schon vor fast 20 Jahren in München und existiert immer noch.

Von Andi Hörmann | 25.05.2015
    Schon im Klangbild sind es Gegenwelten - digital und analog. Das Zirpen und Zwitschern einer Natur-Wanderung klingt so schön nach echtem Leben. Dagegen die Geräuschkulisse am Computer: Tip, Tip, Tap auf der Kunststofftastatur, Pling, Mail empfangen, Swosch, Message verschickt.
    Der mechanische Soundtrack der Online-Helden, die Kommunikation über gesichtlose Kommentare. Draußen die Welt, drinnen die Sehnsucht. Dazwischen: ein Leben vor dem Bildschirm.
    Jens Doka:
    "Es müsste doch möglich sein, diese entspannte Art, diese Selbstverständlichkeit mit der sich Menschen im Internet zu irgendwelchen Themen zusammenfinden und austauschen und unterhalten, die Offenheit ... Das müsste doch möglich sein, den Spirit auf das echte Leben zu übertragen."
    Mit der Idee zur Online-Plattform "Groops" war Jens Doka Vordenker im Vernetzen der digitalen und analogen Welt. Seit 2007 bringt er sie zusammen, Menschen im fahlen Monitorlicht ihrer Computer, die endlich mal wieder raus wollen, aus ihren eignen vier Wänden - Natur riechen, Freunde spüren. Das echte Leben eben!
    "Ausgehen, zusammen ins Kino gehen. Dann kamen irgendwann richtige Freizeitgruppen: gemeinsame Wanderungen, gemeinsame Radtouren, gemeinsam Kochen. Brettspiele waren am Anfang sehr populär. Viel Sport auch. Aber sagen wir mal nichts besonders hippes, sondern eher so allgemeinere Sachen."
    Also rein in die ganz normale, analoge Freizeitgestaltung! Startseite: Groops.de. Rechts oben registrieren. Benutzername, Passwort. Erster Schritt: Finde Gruppen und Treffen in deiner Stadt. O.k., 269 Gruppen gibt es momentan in München. Für jeden was dabei! Spiel, Sport und hoffentlich auch Spaß. Es lebe das Analoge, zum Teufel mit dem Digitalen!
    Jens Doka:
    "Ob das jetzt wirklich ein digital Detox ist? Ich bin nicht sicher, wie bewusst die Entscheidung gegen andere Communities ist. Viele unserer Nutzer sind bei Facebook. Wir nutzen Facebook teilweise für Ankündigungen. Wir sehen auch mit dem Urban Gardening, mit vielen solchen Trends, eine Leidenschaft für offline, für das Analoge. Und Groops ist da ein Baustein."
    Ich entscheide mich für "München geht aus", eine Gruppe mit mehr als 100 Mitgliedern. Nächstes Treffen, Freitagabend: ein Kneipen-Konzert der Band ´Blues Garden' aus Passau mit müden Coverversionen von The Animals über Eric Clapton bis hin zu Muddy Waters.
    Jens Doka:
    "Unsere Nutzerschaft ist einen Ticken älter. Das sind keine Teenager. Wir sprechen eher die Leute an, die einen neuen Lebensabschnitt beginnen: nach dem Studium, oder Stadt gewechselt, oder nach einer Scheidung, wo sich irgendwas ändert. Das sind tatsächlich so die Impulse. Und das ist nicht so einfach diesen Schritt zu tun, sich mit echten Menschen zu treffen. Das ist was völlig anderes, als seinen Kommentar unter irgendeinem Post zu einem Witzbild zu setzen. Es ist schon ein Schritt, seinen Hintern zu bewegen und raus zu gehen, und sich mit echten Menschen zu konfrontieren."
    Dominik Kopp:"Ich heiße Dominik Kopp, bin 29 Jahre alt und als Beruf bin ich Erzieher."
    Autor: "Was hast du denn erlebt, was passiert hier bei Groops oder bei diesen Treffen?"
    Dominik Kopp: "Im Kino waren wir, öfter trifft man sich nur nach der Arbeit und redet miteinander, lernt neue Leute kennen."
    Heute bin nur ich neu, fünf andere Mitglieder der Gruppe "München geht aus" sitzen an einem reservierten Tisch direkt vor der Bühne. Erst mal ein Bier, dann das gemeinsame Abendessen: Schnitzel und Spargel. Einen Flammkuchen nimmt die kleine, untersetzte Christa Fleißner. Sie ist Sachbearbeiterin in einem Telekommunikationsunternehmen, Single, und erinnert sich noch ganz gut wie sie vor drei Jahren begonnen hat, ihre Freizeit über Groops zu gestalten.
    Christa Fleißner:
    "Einige Wochen vorher war ich auf einer Ü40-Party und dann dachte ich mir: Jetzt schaust du mal wieder im Internet nach, ob vielleicht mal wieder irgendwo eine Ü40-Party steigt. Und wie ich dann so google, fällt mir die Seite von Groops ins Auge. Seitdem bin ich begeistert dabei. Ich bin jede Woche auf irgendeinem Treffen, manchmal auch zwei-, dreimal die Woche. Das macht einfach Spaß."
    Spaß am gemeinsamen Erleben, in der Gruppe "München geht aus" braucht es dazu nicht viel. Wir trinken Bier und der stumpfe Blues untermalt unser Beisammensein. Ein Journalist, eine Sachbearbeiterin, ein Hausmeister, eine Reisekauffrau, ein Erzieher. Nach dem Motto: Was uns eint ist weniger Gemeinsamkeit als vielmehr die Einsamkeit in der anonymen Großstadt. Vielleicht ist es inmitten des immer schneller getakteten digitalen Zeitalters, der zunehmenden Mobilität und Entfremdung genau das, was man sich immer mehr herbeisehnt: ganz normale, unaufgeregte Treffen - jenseits jeglicher Hypes und Trends.