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Großbauprojekte in der Schweiz
Was Deutschland von den Eidgenossen lernen kann

Der Gotthard Basistunnel ist ein Meisterwerk schweizerischer Bau- und Planungskunst. Nach rund 16 Jahren Bauzeit wird er am 1. Juni eröffnet. Zeit- und Kostenrahmen wurden eingehalten. Ein Zustand, von dem deutsche Großbauprojektleiter nur träumen können. Ein Grund für den Erfolg: Die hohe Akzeptanz von Großbauprojekten in der Schweizer Bevölkerung.

Von Hans-Jürgen Maurus | 31.05.2016
    Arbeiter montieren im Oktober 2014 im Gotthard Basistunnel Schienen.
    Am 1. Juni wird der Gotthard Basistunnel eröffnet. (dpa/picture alliance/Sigi Tischler)
    Es wurde gesprengt, gefräst, gebohrt und geschwitzt. 17 Jahre haben die Bauarbeiten am Gotthard Basistunnel gedauert, von den ersten Schachtarbeiten in Sedrun 1999 bis zur Eröffnung am 1. Juni. Für den badischen Unternehmer Martin Herrenknecht, dessen Bohrmaschinen Gabi 1 und 2, Heidi und Sissi die Schwerstarbeit am Gotthard leisteten, ist der Flachtunnel mit zwei Röhren à je 57 Kilometer nicht nur Weltrekord, sondern eine Meisterleistung:
    "Den Zeitplan haben sie eingehalten, die Schweizer, sind sogar ein Jahr früher fertig geworden bei diesem gigantischen Projekt, was eine Meisterleistung ist, sowohl ingenieurmäßig als auch von der finanziellen Seite. Das ist abgelaufen wie eine Schweizer Uhr."
    Die langsamen Mühlen der deutschen Bürokratie
    Und wie erklärt sich der Bohrweltmeister Herrenknecht die überpünktliche Fertigstellung, während in Deutschland von der Hamburger Elbphilharmonie über Stuttgart 21 bis zum Berliner Flughafen peinliche Verzögerungen und abenteuerliche Kostenexplosionen zu verzeichnen sind?
    "Das Volk entscheidet, wenn ein Großprojekt durchgeführt wird, es gibt eine Volksabstimmung. Wenn die Volksabstimmung dann erfolgt ist, wird das über die Bühne gezogen und die Schweizer halten das ein, Präzision, wie ne Uhr wird das abgewickelt.
    Es ist auch so, das Tunnelbau dreimal gemacht wird: Zweimal im Kopf und einmal in der Realität. In Deutschland geht das alles viel, viel länger. Die Volksabstimmung bei Stuttgart 21 ist erst sehr spät erfolgt. Man ließ zwölf Jahre ins Land gehen ließ, um so eine Entscheidung zu treffen."
    Keine Überraschungen
    Dass die Akzeptanz beim Schweizer Stimmvolk nach einer Volksabstimmung recht hoch ist, ist bewiesen. Diesen politischen Aspekt nennt auch der Schweizer Bahnchef Andreas Meyer als wichtigen Faktor, aber er preist auch das Schweizer Know-how an:
    "Alle können mitreden, hier sogar eine Volksabstimmung. Es gibt keine Überraschungen. Man ist nie nicht gefeit vor Einsprachen, aber die generelle Akzeptanz, die Überzeugung, dass ein solches Projekt notwendig ist, ist schon einmal groß. Damit verbunden auch lange Vorlaufzeiten, wie ich in meinen Lehrjahren gelernt habe: Was man am Anfang eines Projektes nicht richtig aufgleist, lässt sich nachher nicht mehr richtig einholen.
    Ich glaub, da sind wir Schweizer sehr sorgfältig, haben auch eine gute Industriehistorie, sind auf der ganzen Welt bekannt für gutes Projektmanagement."
    Nicht alles läuft glatt
    Alptransit Chef Renzo Simoni relativiert, auch in der Schweiz habe es am Anfang durchaus Widerstände gegen die neue Eisenbahntransversale NEAT gegeben:
    "Bei uns war es lange Zeit auch so, dass die Diskussionen sich um die Finanzierung und die Terminprognosen gedreht haben, und es gab Schlagzeilen, da hat es geheißen: 'NEAT Fass ohne Boden', "Fass ohne Boden". Ich mache meinen Kollegen von Stuttgart 21 damit auch immer Mut, mit solchen Gegenüberstellungen von Schlagzeilen aus den 1990ern und den aktuellen, die wir jetzt positiv haben in der Schweiz. Das hängt auch damit zusammen, dass es ein Generationenprojekt ist, auch in dem Sinne, das Generationen an Ingenieuren und Fachleuten daran arbeiten."
    Klare Vorteile
    Und doch sieht Unternehmer Herrenknecht, der auf der ganzen Welt gearbeitet und seine Lehrjahre in der Schweiz verbracht hat, klare Vorteile:
    "Deshalb ist die Schweiz, wenn sie Entscheidungen machen, viel viel schneller und auch was die Kosten betrifft viel viel exakter.