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Großbritannien
Cameron kann sicher alleine regieren

Die Tories mit Premierminister David Cameron an der Spitze haben nach der Bekanntgabe des Endergebnisses eine Mehrheit im Parlament. Der Labour-Vorsitzender Ed Miliband erklärte inzwischen genauso seinen Rücktritt wie Nick Clegg bei den bisher mitregierenden Liberaldemokraten und Nigel Farage bei der europafeindlichen Ukip.

08.05.2015
    David Cameron bei seiner Rede an der No. 10 Downing Street
    David Cameron bei seiner Rede an der No. 10 Downing Street (afp / Adrian Dennis)
    Nach Auszählung aller Wahlkreise werden die Tories von Premierminister David Cameron 331 Mandate im neuen Parlament haben. 325, also genau die Hälfte der 650 Parlamentssitze, würden ausreichen, da vier Parlamentarier der nordirischen Sinn-Fein-Partei ihre Sitze traditionell nicht einnehmen. Der deutliche Wahlsieg der Konservativen überraschte Beobachter, nachdem seit Monaten mit einem engen Rennen zwischen den Konservativen und der Labour-Partei gerechnet worden war. Labour erreichte aber vorerst nur 232 Mandate. "Dies war der süßeste Sieg von allen", sagte Cameron vor seinen Wahlhelfern. Cameron besuchte bereits Königin Elisabeth II. und kündigte die Bildung einer Regierung an.
    PM: I’ve just been to see Her Majesty the Queen & I will now form a majority Conservative Government.— UK Prime Minister (@Number10gov) 8. Mai 2015
    Cameron will die Briten im Jahr 2017 wie im Wahlkampf versprochen in einem Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen lassen. Der Journalist Jeremy Cliffe bezeichnete des Ergebnis im Deutschlandfunk als "einen Schritt Richtung EU-Austritt". Elmar Brok, Europaabgeordneter der CDU, sagte dagegen ebenfalls im Deutschlandfunk: "Ich neige fast dazu, dass man zu einem Referendum kommen sollte und dass das nicht so schlimm ist, damit endlich Klärung kommt. Wir wissen aus neuesten Umfragen, dass 60, 70 Prozent der Briten eigentlich in der Europäischen Union bleiben möchten."
    Das Endergebnis
    Konservative: 36,9 % Stimmen (331 Mandate)
    Labour: 30,4 % Stimmen (232)
    SNP: 4,7 % Stimmen (56)
    Liberaldemokraten: 7,9 % Stimmen (8)
    Democratic Unionist Party (Nordirland): 0,6 % Stimmen (8)
    Social Democratic and Labour Party (Nordirland) 0,3 % Stimmen (3)
    Plaid Cymru (Wales) 0,6 % Stimmen (3)
    Ukip: 12,6 % Stimmen (1)
    Grüne: 3,8 % Stimmen (1)
    Sinn Fein (Nordirland): 0,6 % Stimmen (4 - Sitze werden nicht eingenommen)
    Miliband tritt zurück: "Eine schwierige Nacht"
    Labour-Parteichef Ed Miliband trat am Freitagmittag zurück. "Das ist nicht die Rede, die ich halten wollte", sagte Miliband und bat für sein Scheitern um Entschuldigung. Die Partei müsse sich nun erneuern. "Wir sind früher schon zurückgekommen, und diese Partei wird wieder zurückkommen."
    Ed Miliband von der Labourpartei
    Ed Miliband von der Labourpartei (imago stock & people)
    Zuvor hatte er die voraussichtliche Niederlage seiner Partei anerkannt. "Das war eindeutig eine sehr enttäuschende und schwierige Nacht für die Labour-Party", sagte Miliband. Seinen eigenen Sitz konnte Miliband zwar verteidigen, insgesamt hatte Labour aber im Vergleich zu 2010 mehr als 20 Sitze im Parlament verloren. Besonders zu schaffen machte der Partei der Sieg der sozialdemokratischen Nationalpartei in Schottland, wo bisher auf nationaler Ebene überwiegend Labour gewählt worden war.
    Miliband hatte den Parteivorsitz 2010 übernommen, nachdem Labour mit dem früheren Premierminister Gordon Brown an der Spitze die Parlamentswahl verloren hatte. Er setzte sich im Rennen um den Posten knapp gegen seinen Bruder David Miliband durch, der unter Brown Außenminister gewesen war und eigentlich als aussichtsreicherer Kandidat gegolten hatte. Bis ein neuer Parteichef gewählt ist, wird die stellvertretende Parteivorsitzende Harriet Harman Milibands Posten übernehmen.
    Clegg: "Ich muss die Verantwortung tragen"
    Nick Clegg, britischer Vizeregierungschef bei einer Veranstaltung im Vorfeld der Unterhauswahlen.
    Nick Clegg tritt nach der Wahlniederlage als Parteivorsitzender der Liberaldemokraten zurück. (picture alliance / dpa - Andy Rain)
    Der bisherige Vize-Premierminister Nick Clegg trat nach der Niederlage seiner Liberaldemokraten ebenfalls als Parteivorsitzender zurück. "Ich muss die Verantwortung tragen und ich trete als Vorsitzender der Liberaldemokraten zurück", sagte Clegg. Die Partei des 48-Jährigen hat nur noch acht Sitze im Unterhaus und wurde damit von den Wählern abgestraft. 2010 hatten die Liberaldemokraten noch 57 Parlamentarier entsenden können.
    Er war seit 2007 Parteichef der Liberaldemokraten. Clegg, der als einer der europafreundlichsten Politiker in Großbritannien gilt, gewann sein Direktmandat in Sheffield und kann seine Arbeit als Abgeordneter fortsetzen.
    Der Absturz der Liberaldemokraten sei eine Folge der Regierungsbeteiligung in den vergangenen fünf Jahren, sagte Sir Graham Watson, Europaabgeordneter der Liberalen, im Deutschlandfunk: "Wir haben so viel darunter gelitten, Mitglied der Regierung zu sein. Wir brauchen eine Periode in der Opposition."
    Enormer Zuwachs der Schottischen Nationalpartei, Ukip verliert
    Die SNP konnte offenbar einen großen Zuwachs verbuchen und sich von bisher sechs auf nun 56 der 59 in Schottland zu vergebenden Sitze steigern. Parteichefin Nicola Sturgeon gab sich hinsichtlich der Prognose vorsichtig: "Ich hoffe auf eine gute Nacht, aber ich glaube, 58 Sitze sind unwahrscheinlich."
    Der Chef der EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (Ukip), Nigel Farage, hat es nicht ins neue britische Parlament geschafft und trat deshalb ebenfalls zurück. Laut Prognosen scheiterte er mit dem Versuch, den südenglischen Wahlkreis South Thanet zu erobern. "Ich bin ein Mann, der sein Wort hält", sagte er. Vor der Wahl hatte der EU-Parlamentarier angekündigt, den Ukip-Parteivorsitz niederzulegen, sollte er sein Direktmandat nicht gewinnen. Er empfahl Suzanne Evans aus dem Parteivorstand als vorläufige Nachfolgerin. Auch in mehreren anderen Wahlkreisen, in denen sich die Ukip im Vorfeld der Wahl Hoffnungen auf ein Mandat gemacht hatte, scheiterte die Partei.
    UKIP-Chef Nigel Farage bei einer Rede in Manchester, September 2013
    UKIP-Chef Nigel Farage bei einer Rede in Manchester, September 2013 (AFP / Leon Neal)
    Die Prognose wurde für das britische Fernsehen von zwei Meinungsforschungsinstituten durchgeführt und basierte auf Interviews mit 22.000 Wählern. Sie wurde nach Schließung der Wahllokale gestern Abend veröffentlicht. Das vorläufige Endergebnis wird für heute Nachmittag erwartet.
    (nch/tz/vic/bn)