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Großbritannien
Der Brexit war sein Exit

Er hat Großbritannien in Richtung Brexit gesteuert und sich dann aus der Regierung verabschiedet. Der frühere britische Premierminister David Cameron. Seitdem hat ihn das Thema nicht losgelassen, er verdient aber besser daran.

Von Friedbert Meurer | 09.11.2017
    Der britische Premier David Cameron spricht vor Number 10 Downing Street am 24.06.2016 in London.
    David Cameron strickt an seiner Legende. Er will nicht als Verlierer in die Geschichte eingehen und als jemand, der sich politisch verzockt hat. (dpa)
    Es wirkt wie ein Blick zurück auf längst vergangene Zeiten. Am 24. Juni 2016, dem Tag nach dem Referendum in Großbritannien zum Brexit, erklärte David Cameron nur Minuten später, er werde zurücktreten: "Die Briten haben sich sehr klar für einen anderen Weg entschieden. Wir brauchen eine neue, frische Führung. Aber ich werde nicht der Kapitän sein, der unser Land zu neuen Ufern führt."
    Nach der Neuwahl, die seine Nachfolgerin so fatal in Gang gesetzt hatte, verließ Cameron auch das Parlament und tourt jetzt nun die Welt. In Doha, der Hauptstadt von Katar, verteidigte er auf einer internationalen Konferenz seine Entscheidung, das Brexit-Referendum überhaupt angesetzt zu haben: "Ich hielt das für richtig, denn dieses Problem hatte die britische Politik jahrelang vergiftet. Die Europäische Union hat sich geändert und jetzt mehr Befugnisse. Aber die Menschen wurden nicht gefragt. Deswegen hatte ich versprochen, ein Referendum anzusetzen."
    Cameron verdient als Redner im Schnitt 100.000 Dollar
    Bei seinen vielen Gastreden in Katar, Indien oder besonders häufig in den USA kommt Cameron immer wieder auf das Referendum zu sprechen. Deswegen wird er ja auch als Redner gebucht, für im Schnitt 100.000 Dollar pro Rede. Cameron ist der Mann, der ungewollt den Brexit in Gang setzte - und eine ganze Kette als populistisch geltender Entscheidungen des Jahres 2016.
    "Wie das Jahr 2016 in die Geschichte eingehen wird, hängt davon ab, was die politischen Entscheider als nächstes tun. Wenn Sie den Kopf in den Sand stecken und sagen, das geht vorbei, dann wird 2016 als wirkliche Wasserscheide angesehen. Wenn aber unsere Demokratien sich als flexibel erweisen und ihre Politiker sich dessen bewusst sind, dann werden sie die notwendige Kurskorrektur vornehmen."
    David Cameron strickt an seiner Legende. Er will nicht als Verlierer in die Geschichte eingehen und als jemand, der sich politisch verzockt hat. Ganz im Gegenteil: die Entscheidung, das Referendum anzusetzen, sei doch goldrichtig gewesen: "Die Menschen fragen mich oft, wie gut ich schlafe. Dann antworte ich: Ich schlafe wie ein Baby."
    Von seiner Nachfolgerin Theresa May, deren Ringe unter den Augen immer röter werden, lässt sich das weniger behaupten.
    Inhaltlich ist Cameron gewohnt flexibel
    Im Frühsommer im Rahmen der vorgezogenen Neuwahlen machte Cameron Straßenwahlkampf für Theresa May und präsentierte sich flexibel wie gewohnt. Mit Mays Wunsch, neue Grammar-Schools zu gründen, staatliche Elite-Gymnasien, hatte er auf einmal kein Problem mehr, auch nicht damit, dass die Tories jetzt auf einmal für eine Deckelung der Strompreise sind. Das hatte Cameron früher als "marxistische Idee" abgelehnt.
    "Ich kann das verstehen, viele sind frustriert wegen der hohen Energiepreise." "Das ist also nicht mehr marxistisch?", erinnert ihn der Interviewer an seine alte Position. "Nein, sie müssen doch auf die Details schauen", wischt Cameron die Kritik beiseite.
    Innenpolitisch spielen Camerons Erklärungen aber keine Rolle mehr. Vielleicht wird sich das noch einmal kurz ändern, wenn sein Memoiren erscheinen. Für sie hat er eine Anzahlung von 800.000 Pfund erhalten, 900.000 Euro umgerechnet.
    Er sei ein Getriebener der Rechten in seiner Partei gewesen, ruft ihm sein früherer Koalitionspartner Nick Clegg von den Liberaldemokraten hinterher. Das politische Klima in Großbritannien ist trotz Brexit immer noch vergiftet und wird es auf Jahre bleiben. Einer aber hat mit alldem nichts mehr zu tun: David Cameron. Seinen wahren Gemütszustand präsentierte er wohl, als er sich an jenem 24. Juni 2016 nach seiner Rücktrittserklärung umdrehte und bester Laune zurück zur schwarzen Haustür von No. 10 Downing Street schritt. Ohne zu wissen, dass das Mikrofon noch eingeschaltet war:
    "Dudubidudu. Right!"