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Großbritannien
Lokalwahl im Zeichen des Brexit

Sie gelten als wichtiger Test vor der Parlamentswahl am 8. Juni: Am Donnerstag finden in vielen britischen Kommunen Lokalwahlen statt. Die Stadt Doncaster liegt in der nordenglischen Grafschaft Yorkshire und galt bisher als Labour-Hochburg. Doch das könnte sich nun ändern. Und das dürfte auch am unklaren Brexit-Kurs der Labour-Führung liegen.

Von Erik Albrecht | 03.05.2017
    Leere Ladenlokale in der High Street von Mexborough.
    Die Kleinstadt Mexborough gehört zu Doncaster, seit jeher eine schier uneinnehmbare Labour-Hochburg. (Erik Albrecht)
    Eine Reihenhaussiedlung in Yorkshire. Sean Gibbons zieht von Haus zu Haus. Jedes Mal schließt sich der Briefkasten hinter einem weiteren Brief der Wählervereinigung "Mexborough First". Sean Gibbons: "After we have got these out we have got then to have a big push to get the main bulk out, don't we?"
    Rund 10.000 solcher Umschläge werden der Stadtrat und seine zwei Kollegen bis zur Lokalwahl am Donnerstag verteilt haben. Wahlwerbung an Laternen oder auf öffentlichen Plätzen ist in England verboten. Wahlkampf ist Häuserkampf. Gibbons' Hauptgegner: die Labour-Partei. Die Kleinstadt Mexborough gehört zu Doncaster, seit jeher eine schier uneinnehmbare Labour-Hochburg. Hier schlug lange Zeit das Herz der britischen Kohle- und Stahlindustrie. Als Margaret Thatcher in den 80er Jahren gegen großen Widerstand die Minen schloss, machte das ihre Konservative Partei für eine weitere Generation unwählbar. Von der abrupten Deindustrialisierung hat sich die Region bis heute nicht erholt.
    Bei der Lokalwahl will "Mexborough First" mit lokalen Themen punkten. Labour habe den Kontakt zu seinen Wählern verloren, sagt Gibbons, der in Mexborough die Lebensmittelhilfe für sozial Schwache organisiert. Das werde Labour auch bei der Parlamentswahl Stimmen kosten. Gerade beim Brexit fehle der Partei ein klarer Kurs.
    "I think locally people are just wanting them to get on with it in government. So I wouldn't be surprised if some solid Labour supporters voted Tories this time", sagt Sean Gibbons.
    Zwei Drittel der Menschen in Doncaster und Umgebung wollen raus aus der EU. Mit ihrem harten Brexit-Kurs könnte Theresa May also auch hier Labour-Wähler abwerben, glaubt Gibbons.
    Dass sich ein Konservativer gegen einen Labour-Abgeordneten durchsetzt und ins Parlament einzieht, sei aufgrund des Mehrheitswahlrechts zwar nicht zu erwarten, schätzt der Politologe Matthew Flinders von der Universität Sheffield. Trotzdem spüre Labour das landesweite Umfragetief selbst in Städten wie Doncaster. Matthew Flinders:
    "Die Idee, dass es Labour-Hochburgen gibt, löst sich gerade auf und damit auch die Idee der sicheren Sitze für Labour. Die Labour-Partei befindet sich im freien Fall."
    Nach 25 Jahren wieder ein Tory
    Auch Nick Allen spürt Rückenwind wegen des Brexit:
    "Brexit is definitely an issue on the doorstep. A lot of people are very happy that we are leaving the EU and are very supportive of the Conservative Party because we gave them the choice."
    Seit zwei Jahren vertritt der 30-Jährige den Stadtteil Bessacarr im Stadtrat von Doncaster - als erster Konservativer seit 25 Jahren. Nun will er wiedergewählt werden und rechnet sich gute Chancen aus: Viele Bewohner von Bessacarr sind älter und vergleichsweise wohlhabend. Damit passen sie eher in das Profil eines typischen Tory-Wählers. Nick Allen:
    "This ward was so unusual to elect a local counsellor. Vast parts of Doncaster feel still like no go areas."
    Typisch sei das nicht, räumt auch Allen ein. Große Teile Doncasters seien immer noch No-Go-Areas für Konservative. Immerhin: Beim Thema Brexit stimmt Allen mit seinen Wählern überein. Trotzdem sieht er auch Gefahren für seine Stadt. Schließlich habe Doncaster stark von EU-Fördermitteln profitiert.
    "What guarantee can we have that that money will still be spent here? That could be very detrimental because who is going to finance all of these projects, all those things that you need", sagt Nick Allen.
    Zu viel versprochen?
    Ein Wegfall der Gelder würde der Stadt extrem schaden, fürchtet Allen. Irgendwann werden die Menschen merken, dass die Brexiteers ihre Versprechen nicht halten können, glaubt der Politologe Flinders:
    "Der Zorn der Wähler wird sich dann aber nicht gegen die Brexit-Befürworter richten, sondern gegen alle Politiker, die weiter verteufelt werden, weil man ihnen nicht trauen kann."
    Noch profitieren die Tories vom anstehenden Brexit - und von der Unzufriedenheit der Leute mit Labour. In der Markthalle von Doncaster machen nur wenige Kunden ihre Wochenendeinkäufe. Das Geschäft laufe schlecht, sagt Patrick Queen, während er seine Steaks anpreist. Labour habe zu wenig getan, um die Innenstadt von Doncaster zu beleben, beschwert sich der Fleischer. Bei der Wahl zum Unterhaus setzt er auf Theresa May. Nur sie habe das Zeug, sich gegen Europa durchzusetzen. Dafür brauche sie das Land hinter sich. Patrick Queen:
    "She has done it right. She is the best at the moment. She is on the board, she has got it rolling, she needs the country behind her and she is doing the right thing."
    Trotzdem ist er sich sicher: Ob bei der Lokal- oder bei der Parlamentswahl - in Doncaster wird Labour noch einmal gewinnen.