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Großbritannien
Machtkampf in der Labour-Partei

Die Labour-Partei steckt weiter in der parteiinternen Krise. Nachdem ihr Vorsitzender Jeremy Corbyn wegen seiner Rolle beim Brexit-Referendum unter Druck geraten war, spitzt sich der Kampf um den Vorsitz der Partei weiter zu. Owen Smith, ein ehemaliger Unterstützer Corbyns, will ihm bei der bevorstehenden Basis-Wahl den Posten streitig machen.

Von Gerwald Herter | 01.08.2016
    Labour-Chef Jeremy Corbyn lächelt nach dem Treffen des Exekutivkomitees in London.
    Labour-Chef Jeremy Corbyn steht in der eigenen Partei unter Druck. (AFP / Chris Ratcliffe)
    "Wir sind die Labour-Party, es gibt keine Alternative" - diese Reaktion des Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn auf einen brisanten Artikel im Daily Telegraph fiel ziemlich knapp aus. Dabei hatte es der Bericht dieser konservativen Zeitung wirklich in sich: eine Gruppe von Labour-Abgeordneten, das will der Telegraph erfahren haben, plant eine eigene, eine "alternative" Partei zu gründen, wenn Corbyn Vorsitzender bleibt. Das wäre wohl die Spaltung von Labour und sie würde die linke Opposition in Großbritannien womöglich auf Jahre hin bedeutungslos machen.
    Selbst davon lässt sich der Labour-Vorsitzende allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Gleichgültig, was in den letzten Wochen auf ihn zukam: ob der Ausgang des Brexit-Referendums, ob Aufforderungen zum Rücktritt – selbst vom abgelösten Premier Cameron im Unterhaus, Corbyn saß alles aus – stoisch oder gelassen und nachdenklich, je nachdem, wie positiv man das betrachten will. Was auch immer an den Gerüchten über eine neue, alternative Labour-Party stimmen mag, der Vorsitzende weiß, dass er mächtige Feinde hat:
    Sie sollten nochmals nachdenken, rät ihnen Corbyn, und besser mit ihm, dem gewählten Vorsitzenden zusammenarbeiten, um die regierenden Torys in die Knie zu zwingen. Davon kann zurzeit überhaupt keine Rede sein. Seit ihrem Amtsantritt hat die neue Premierministerin Theresa May ihre Partner in Deutschland, Frankreich, Schottland, Nordirland der Slowakei und Polen besucht. Milliardenschwere industriepolitische Entscheidungen schob sie einfach auf. Doch May steht bestenfalls unter dem Druck der britischen Leitmedien. Labour scheint weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Auch Corbyns Herausforderer Owen Smith geht es so:
    "Ich mache mir ernste Sorgen über eine Teilung von Labour. Wir stehen am Rande des Abgrunds und müssen die Partei heilen und wieder zusammenkommen."
    Owen Smith will den Vorsitz der Labour-Partei übernehmen
    Deshalb, so der frühere BBC-Journalist, sei er angetreten, deshalb wolle er den Vorsitz übernehmen. Auch Owen Smith versucht immer wieder daran zu erinnern, dass es doch eigentlich darum gehe, die Torys abzulösen. Aber damit kommt er bisher nicht durch. Zunächst rückte seine frühere Tätigkeit für einen großen Pharma-Konzern ins Zentrum der Aufmerksamkeit, dann war es eine unwirsche Äußerung über Theresa May, die Smith zurücknehmen musste. Und bisher gelingt es ihm selten, Corbyn inhaltlich zu kritisieren, sich von ihm abzugrenzen, auch wenn Smith es noch so beharrlich versucht:
    "Er betrachtet die Dinge aus einer linken Perspektive. Nationale Identität, Patriotismus das macht ihn nicht wirklich aus".
    Der Waliser Owen Smith sagt außerdem über Jeremy Corbyn, dass er als Londoner wenig Verständnis für die Sorgen der Regionen, wie eben Wales oder Schottland habe. Eine allzu große Durchschlagskraft solcher Argumente fürchtet Corbyn offenbar aber nicht. Sonst hätte er sich nicht dazu bereit erklärt, Mitte der Woche im walisischen Cardiff, zum ersten Mal während dieser Kampagne mit Smith zusammenzutreffen, um über Labour zu diskutieren. Dass es Smith schwer haben wird, Corbyn den Vorsitz abzunehmen, ist inzwischen auch vielen Labour-Parlamentariern klar. "Wir haben nicht gerade Rocky im Boxring", sagt einer von ihnen.
    Immerhin wird Owen Smith von der Labour-Abgeordneten Eagle unterstützt und sie hatte dafür ihre eigene Kandidatur aufgegeben:
    "Wir haben eine Partei, die nicht funktioniert, einen Vorsitzenden, den die Abgeordneten nicht unterstützen und der die Menschen nicht erreicht. Wir brauchen eine starke und geeinte Labour-Party um eine starke Opposition zu stellen und gegen die Regierung zu kämpfen".
    Eagle hatte sich zu Beginn der parteiinternen Krise wie viele andere Abgeordnete aus Corbyns Schattenkabinett zurückgezogen. Er habe zuvor nicht einmal Zeit für ein Telefongespräch gehabt, sagte sie.
    Längst warnen ehemalige Parteigrößen Labour vor der drohenden Bedeutungslosigkeit.
    Britische Arbeitnehmer im Fokus
    Beide Kandidaten, Corbyn und Smith, wollen die Rechte der britischen Arbeitnehmer stärken und eine neue Steuer einführen, für alle, die jährlich mehr als 150.000 Pfund verdienen. Doch auch die konservative Regierungschefin May hat erkannt, welche Sorgen viele britische Familien haben. Sie hat die Chance schon nach der Sommerpause auf sozial Schwächere zuzugehen, noch bevor überhaupt feststeht, ob Corbyn Labour-Vorsitzender bleibt.