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Großbritannien
Missbrauchs-Vorwürfe erschüttern Westminster

Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon zog jetzt die Konsequenzen aus einem Vorfall, der bereits 15 Jahre zurück liegt - und trat zurück. Es könnte nicht der letzte Politiker gewesen sein: Im britischen Unterhaus soll eine Liste mit den Verfehlungen aller britischen Politiker kursieren.

Von Friedbert Meurer | 02.11.2017
    Außenaufnahme des britischen Unterhauses in London. Hier soll eine Liste kursieren, auf denen die Verfehlungen von Politikern aufgelistet sind.
    Das britische Unterhaus in London: Hier soll eine Liste kursieren, auf denen die Verfehlungen von Politikern aufgelistet sind. (AFP/Daniel Leal-Olivas )
    Der Vorfall, der Michael Fallon jetzt einholt, liegt 15 Jahre zurück. Beim Mittagessen während eines Parteitages tätschelte er wiederholt das Knie einer neben ihm sitzenden BBC-Journalistin. Sie war es auch, die den Fall jetzt öffentlich machte, ohne aber den Namen des Politikers zu nennen. Das tat der britische Verteidigungsminister vor zwei Tagen selbst – und zog nun die Konsequenzen.
    "Ich habe die Standards der britischen Streitkräfte verletzt. Ich trete deswegen als Verteidigungsminister zurück."
    Julia Hartley-Brewer, das betroffene Opfer, äußerte sich in einem Tweet überrascht von dem Rücktritt. Ihr Knie könne nicht der wahre Grund für den Rücktritt sei. Sie habe den Vorfall längst abgehakt und trage Fallon nichts nach. Und dann bezeichnete sie selbst die derzeitige Serie von Anschuldigungen als "Hexenjagd".
    Die Zeitung "Daily Mail" behauptet dagegen, gegen Fallon lägen noch weitere Vorwürfe vor. "Was früher akzeptiert wurde, ist eindeutig heute nicht mehr akzeptabel", räumte Verteidigungsminister Fallon ein. "Wir müssen unser Verhalten verbessern und unsere Mitarbeiter vor Übergriffen schützen."
    Rücktrittsforderungen an stellvertretenden Premierminister Green
    Westminster wird seit Tagen von einer ganzen Serie von Sex-Vorwürfen erschüttert. Selbst der stellvertretende Premierminister Damian Green wird bezichtigt, eine 30 Jahre jüngere Frau belästigt zu haben. Er weist den Vorwurf aber zurück. Dennoch gibt es schon Rücktrittsforderungen an ihn.
    Mark Garnier, Staatssekretär im Handelsministerium, musste zugeben, eine junge Mitarbeiterin beauftragt zu haben, Sex-Spielzeug einzukaufen. Das sei ein Scherz gewesen, verteidigte er sich.
    Auch die Opposition ist von den Vorwürfen betroffen. Eine 25 Jahre alte Frau wurde nach eigenen Angaben sogar von einem Labour-Politiker vor sechs Jahren vergewaltigt.
    "Ich wurde sexuell missbraucht. Es war kein Abgeordneter, aber ein Vorgesetzter von mir bei Labour. Zwei Jahre später fand ich endlich den Mut, mich zu beschweren. Aber man sagte mir bei Labour, wenn ich das öffentlich mache, würde mir das Schaden."
    Liste von Verfehlungen kursiert in Westminister
    Premierministerin Theresa May hatte schon vor dem Rücktritt ihres Verteidigungsministers Michael Fallon dafür plädiert, Mediatoren zu benennen, an die sich betroffene Opfer sexueller Übergriffe im Parlament oder in der Regierung wenden können.
    "Ich habe alle Parteivorsitzenden für Anfang nächste Woche eingeladen, ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln. Wir haben die Pflicht, alle, die sich hier in den Dienst der Allgemeinheit stellen, mit Respekt zu behandeln."
    In Westminster in London kursiert eine Liste, auf denen die Verfehlungen von Politikern aufgelistet sein sollen. Nach Fallons Amtsverzicht drohen jetzt noch weitere Rücktritte zu folgen.