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Großbritannien
Positive Aspekte des Alterns entdecken

Jahrzehntelang hat sich "Age UK" auf negative Aspekte des Älterwerdens konzentriert. Jetzt findet bei Großbritanniens größter Stiftung, die sich um die Belange der Senioren kümmert, ein Umdenken statt. Mit ihrer neuen Kampagne "Love Later Life" soll den Briten ab sofort das Altern schmackhaft gemacht werden.

Von Ruth Rach | 02.10.2014
    Es gibt keine Arznei gegen das Älterwerden, denn Altern ist keine Krankheit.
    So beginnt ein Gedicht, das der britische Poet Roger Mc Gough für die jüngste Kampagne von Age UK verfasst hat. Age UK ist die größte britische Stiftung, die sich für die Belange der Senioren einsetzt. Das Motto ihrer Kampagne lautet: "Love Later Life". Liebe das spätere Leben.
    Die Zeit fliegt, heiβt es, aber in Wirklichkeit sind wir die Flüchtigen. Die Zeit steht still, aber wir hasten an ihr vorbei.
    Zwar altert die britische Bevölkerung nicht ganz so schnell wie ihre Nachbarnationen auf dem Kontinent, dank der zumeist jungen Migranten, die in den letzten 40 Jahren aus den Commonwealth-Ländern zuzogen. Dennoch ist der demografische Wandel auch in Großbritannien ein großes Thema, sagt Mervyn Kohler, Sprecher von Age Uk.
    "Wir haben Jahre lang gekämpft, um die Zwangsverrentung abzuschaffen. Mit Erfolg. Jetzt dürfen britische Bürger frei entscheiden, wie lange sie in ihrem Beruf bleiben wollen. Das ist sinnvoll – laut der Statistik können Menschen um die 65 noch mindestens zwanzig gute Jahre erwarten."
    "Seit ich tanze, bin ich ein neuer Mensch"
    Jahrzehntelang hat sich Age UK auf negative Aspekte des Älterwerdens konzentriert. Mit gutem Grund. Ein Drittel der britischen Rentner lebt in Armut. Die staatliche Grundrente ist miserabel, sagt Mervyn Köhler. Mit ihrer neuen Kampagne "Love Later Life" will Age UK den Briten aber nun auch positive Botschaften vermitteln, denn es gebe so viele Möglichkeiten, diesen Lebensabschnitt zu genießen, Neues zu lernen und seinen Hobbys und Interessen nachzugehen.
    Herausragendes Beispiel: Die "Company of Elders", ein Tanztrupp, vom renommierten Sadlers Wells Theater in London gegründet. Die Mitglieder – lauter Laien - sind zwischen 62 und 91 Jahre alt und gehen mit ihren modernen, von namhaften Choreografen einstudierten Stücken regelmäßig auf Tournee.
    Wir waren in Holland, Österreich, Venedig, um den Leuten zu zeigen, wozu ältere Leute fähig sind, sagt Geoff, Mitte 70: Früher hockte ich immer nur in der Kneipe. . Seit ich tanze, bin ich ein neuer Mensch.
    Pam hat zwei Rückenoperationen hinter sich. Zum Gehen und Stehen benutzt sie den Stock. Aber nicht zum Tanzen. Tanzen ist besser als jede Physiotherapie, sagt Pam. Und das beste Gedächtnistraining.
    Wer neugierig bleibt, flexibel, und bereit, Neues zu lernen, kann das Älterwerden genießen, betont Age UK Sprecher Mervyn Kohler. Jeder fünfte Brite ist über 60 – das sind rund 15 Millionen Menschen. Aber zu viele klagten über Einsamkeit und sagten, der Fernseher sei ihr bester Freund.
    Sie fühlen sich abgehängt in einer Gesellschaft, die vom Internet und den sozialen Medien dominiert wird, sagt Mervyn Köhler. Das führe zu Depressionen. Die Leute vernachlässigten ihre Gesundheit. Das ist schlecht für sie, und schlecht für die Gesellschaft.
    Aber das Blatt beginnt sich zu wenden: Mit der wachsenden Zahl älterer Briten wächst auch das Angebot kreativer Initiativen, um Senioren aus der Passivecke herausholen.
    Es gibt Onlinecommunities wie gransnet, wo sich Silver Surfer vernetzen können. Anspruchsvolle Universitäten nur für ältere Semester. Modelabel wie 'Oldladiesrebellion', die mit den herkömmlichen Mode-Erwartungen aufräumen und immer mehr moderne Tanztheater im Stil der "The Company of Elders", sagt Jane Hackett vom Sadlers Wells Theater.
    Die Zeit jenseits der 60 ist nicht dazu da, seine Träume aufzugeben, sondern um sie zu verwirklichen.