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Grossbritannien
Schotten verunsichern Märkte

Die Unabhängigkeitspläne Schottlands sorgen an der Börse für Nervosität. Experten sehen im schwachen Pfund jedoch keine Ankündigung, dass Schottland es alleine wirtschaftlich nicht schaffen könnte. Problematisch seien vielmehr die für den Fall einer Abspaltung noch offenen ökonomischen Fragen, wie zum Beispiel die nach einer Währungsunion.

Von Jochen Spengler | 08.09.2014
    Schottische Pfund: Welche Währung wird Schottland nach einer möglichen Abspaltung nutzen?
    Schottische Pfund: Welche Währung wird Schottland nach einer möglichen Abspaltung nutzen? (ANDY BUCHANAN / AFP)
    Wenn der Währungskurs so etwas wie der Aktienpreis eines Landes ist, dann zeigt die Entwicklung heute, dass das Vereinigte Königreich aus Sicht der Märkte an Wert verloren hat. Das Pfund büßte gegenüber dem Dollar etwa 1 Prozent ein. Was, so sagt der Londoner Währungshändler Aplesh Patel, kein Urteil über die Unabhängigkeitspläne Schottlands sei:
    "Der Grund dafür, dass wir das Pfund im Moment verkaufen, ist nicht, dass wir glauben, die Unabhängigkeit wäre eine wirtschaftliche Katastrophe, sondern wann immer es Unsicherheit gibt, schauen wir darauf, was alle anderen machen; und die verkaufen, weil es das Naheliegende ist. Wir dürfen da nicht hineinlesen, dass für Schottland die Unabhängigkeit wirtschaftlich nicht funktionieren wird."
    Die Unsicherheit über den Ausgang des Referendums endet am Morgen des 19. Septembers. Zumindest bis dahin dürfte die Volatilität des Pfundes anhalten. Und sollten die Schotten tatsächlich für den Alleingang stimmen, könnte sie sich fortsetzen; denn eine ganze Reihe ökonomischer Fragen ist bislang unbeantwortet, sorgt also für anhaltende Verunsicherung. Und Schottlands Regierung sucht schon gewohnheitsmäßig für alle Negative die Schuld in London. Vizeregierungschefin Nicola Sturgeon:
    "Wenn es hier Unsicherheit gibt, dann liegt die Schuld darin zum Großteil bei der britischen Regierung, die sich schlicht weigert, vernünftig mit uns über eine Währungsunion und andere Fragen zu diskutieren, was den Märkten Vertrauen gäbe."
    Die Vorteile einer Währungsunion
    Tatsächlich ist unklar, welche Währung ein eigenständiges Schottland haben wird. Die schottischen Separatisten erklären, das britische Pfund gehöre ihnen ebenso wie England. Doch Großbritanniens Finanzminister George Osborne sagt, wer das Vereinigte Königreich verlasse, der verlasse eben auch seine Währung. Dahinter steckt zum einen die Angst Londons vor einer Währungsunion mit einem unabhängigen Staat, auf dessen Finanz- und Steuerpolitik man keinen Einfluss hat, was ja auch dem Euro seine Probleme beschere.
    Andererseits will man mit der Drohung, ein eigenständiges Schottland werde das Pfund verlieren, die Schotten davon abhalten, für die Unabhängigkeit zu votieren. Doch der Abschreckungseffekt wirkt offenbar immer geringer. Zumal auch einige Experten eine Währungsunion zwischen Rest-Großbritannien und Schottland für wünschenswert halten. Noch einmal der Trader Aplesh Patel:
    "Wir sehen keinen Grund, warum zwei Nationen, die soviel gemeinsam haben, nicht versuchen sollten, die Unabhängigkeit zum Laufen zu bringen. Es läge aus ökonomischer Sicht keineswegs im Interesse Rest-Großbritanniens, der Zusammenarbeit mit Schottland den Rücken zu kehren."
    So gäbe es bei einer Währungsunion keine Transaktionskosten, keine Wechselkursrisiken und vor allem für Unternehmen der Finanzbranche, weniger Gründe, den Firmensitz von Edinburgh nach London verlegen zu müssen. Deren Aktienkurse sind heute deutlich gesunken.
    Zur Unsicherheit der Märkte trägt außerdem bei, dass noch andere Punkte unklar sind. Wie etwa werden die britischen Staatsschulden im Fall der Unabhängigkeit aufgeteilt, wer bezahlt welche Pensionen, inwieweit können die Einnahmen aus der Nordseeölförderung Schottlands Haushalt entlasten, wie hoch wird das Defizit des neuen Staates sein und welche Wirtschaftspolitik wird er verfolgen?