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Großbritannien und die EU
Der Kampf um den Brexit

Gehen oder Bleiben: Knapp vier Wochen vor dem EU-Referendum kämpfen die EU-Gegner und Befürworter um die Gunst der jungen Wähler. Ein Kampf, der vor allen in den sozialen Medien ausgefochten wird. Einige der Leave- und Remain-Kampagnen sorgen im Netz für große Aufregung.

Von Korbinian Frenzel | 30.05.2016
    Die Flagge Großbritanniens und die der Europäischen Union
    Die Flagge Großbritanniens und die der Europäischen Union (Facundo Arrizabalaga, dpa picture-alliance)
    Zwei Frauen in knappen Kleidern, der Stoff in den Nationalfarben der Briten. Die Botschaft recht klar und simpel: Großbritannien, komm nach Hause, verlasse die EU… die Fußballhymne des Landes, umgedichtet und in Szene gesetzt von Mandy Boylett, eine Provinz-Politikerin der UKIP, der United Kingdom Indepentent Party.
    Handgemachte Werbung für den Brexit – so klang es noch zu Beginn der Kampagne. Mittlerweile läuft der Kampf um die Wähler hochprofessionell – auf allen Social-Media-Kanälen. Jüngster Vorstoß vom Wochenende… eine Zahl und ein Versprechen:
    Tippen Sie alle Spiele der Fußball-Europameisterschaft richtig – und gewinnen Sie 50 Millionen Pfund. Was nach allem, nur nicht unbedingt nach Politik klingt, ist doch genau das. Ein Gewinnspiel – ausgerufen von der leave-Kampagne, derjenigen, die die EU verlassen wollen. 50 Millionen Pfund – eine Zahl, die bewusst gewählt ist. So viel, sagen die EU-Gegner, überweist London jeden Tag an Brüssel, der Beitrag an die ungeliebte EU.
    Kampf um die Unentschlossenen
    Es ist der Kampf um die Unentschlossenen, der knapp vier Wochen vor dem Referendum immer größere Blüten treibt. Knapp genug sind die Umfragen noch immer, trotz einer leichten Führung, die den EU-Befürwortern für den 23. Juni prognostiziert wird. Und so wird um jede Stimme geworben.
    Wir, das Volk, werden gedrängt, unsere Demokratie aufzugeben. Dramatische Töne in: Brexit – the movie. So heißt das Werk in Spielfilmlänge – über 700.000 Tausend Menschen hat die leave-Kampagne damit erreicht. Und sie lernen dort nicht nur, dass Europa Geld kostet und die Demokratie untergräbt – sondern auch, dass es im Europäischen Parlament in Brüssel sowohl einen Friseur als auch eine Sauna gibt, Luxus für die Eliten.
    Wer der anderen Seite lauscht – und vor allem, wer ihr zusieht, der schaut in strahlend blaue Baby-Augen. Sam, 14 Monate. Ihm, das versprechen die EU-Befürworter, werde eine bessere Zukunft blühen, wenn Großbritannien drin bleibt.
    Kritik aus der Politik
    "Stronger in" – unter diesem Titel firmiert die Kampagne. Lahm und ohne Leidenschaft sei die, kritisiert nicht nur der in Berlin und London lebende deutsche Fotograf Wolfgang Tillmans. Auch aus der Politik kommt Kritik, zum Beispiel von Ex-Labour-Chef Ed Milliband genauso wie vom neuen Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, beide offen bekennende EU-Unterstützer. Und beide machen sich Sorgen, dass gerade junge Wähler am Ende einfach zuhause bleiben, eine Gruppe, die den Umfragen zufolge als mehrheitlich pro-europäisch gilt.

    Dieses Video könnte eine erste Antwort auf die Kritik sein. Harte beats, in schneller Folge; Worte, die eingeblendet werden, workin, livin, roamin, ravin und am Ende die Botschaft: das Leben ist besser in der EU – und es ist in Gefahr. 25 Sekunden, die schon jetzt mehr Aufmerksamkeit haben als Baby Sam.
    Für die aktuell größte Aufregung auf Twitter sorgt allerdings Werbung der ganz alten Art – ein großes Poster an der Autobahn A 40 zwischen London und Birmingham. "Halt ze German advance" – Haltet den deutschen Vormarsch auf. Eine Anspielung auf den Krieg wie auf schlechte deutsche Aussprache gleichermaßen. Dazu das offizielle Logo von VoteLeave. Empörung in hunderten Tweets. Der Tenor: Widerlich, ausländerfeindlich – einfach unglaublich im Jahr 2016. Die Klarstellung der VoteLeave-Kampagne folgte auf dem Fuße: Das kommt nicht von uns, schrieb die Vize-Chefin der EU-Gegner, die Labour-Abgeordnete Gisela Stuart.