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Großbritannien und die EU
Tusk legt EU-Reformpläne vor

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat Reformvorschläge vorgelegt, mit denen er einen Austritt Großbritanniens aus der EU verhindern will. Sie sehen unter anderem vor, dass die Briten einige Sozialleistungen in "Ausnahmefällen" nicht zahlen müssen. Der britische Premierminister David Cameron sprach von einem "echten Fortschritt".

02.02.2016
    David Cameron und Donald Dusk (24.09.2015)
    Der britische Premierminister David Cameron und EU-Ratspräsident Donald Tusk haben sich auf Reformvorschläge geeinigt. (dpa / picture-alliance / Laurent Dubrule)
    In einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschef veröffentlichte Tusk das Ergebnis der Verhandlungen mit dem britischen Regierungschef. In dem Schreiben erläutert er die Veränderungen, die vorgesehen sind. Darin wird Großbritannien zugestanden, sich nicht an einer weiteren EU-Integration zu beteiligen, wie sie im Vertrag von Lissabon festgeschrieben ist.
    Einer der wesentlichen Punkte der Übereinkunft betrifft die Reisefreiheit und die Zahlung von Sozialleistungen an EU-Bürger. Wie vorab bereits bekannt geworden war, soll den Briten eine "Notbremse" zugebilligt werden.
    "Notbremse bei Ausnahmesituationen"
    In Tusks Brief ist von "Ausnahmesituationen" die Rede, etwa durch eine besonders hohe Zuwanderung von Arbeitern aus anderen EU-Ländern. Ein Phänomen, von dem Großbritannien besonders betroffen war - etwa nach dem EU-Beitritt Polens. Details, wie zum Beispiel die Dauer dieser "Notbremse", müssten noch diskutiert werden, schreibt Tusk. Gleichzeitig betont der EU-Ratspräsident, dass bestehende EU-Verträge respektiert würden und es lediglich um eine Interpretation dieser gehe.
    Mit Blick auf die gemeinsame Wirtschaftspolitik wird in dem Brief "gegenseitiger Respekt" eingefordert zwischen EU-Staaten, die enger zusammenarbeiten wollen und denen, die dies ablehnen. Zu letzteren zählt Großbritannien. Die Bedenken von Nicht-Euro-Staaten sollen demnach mehr Beachtung finden, ein Vetorecht für die Briten bei wichtigen Entscheidungen sei aber nicht geplant, wie unsere Brüssel-Korrespondentin Anette Riedel berichtet. Außerdem soll der Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union verstärkt und die Gesetzgebung sowie die Bürokratie verschlankt werden.
    Tusk sprach von einer "guten Grundlage für einen Kompromiss". Cameron betonte, die Ergebnisse stellten einen "echten Fortschritt" dar, es sei aber noch Arbeit nötig. Die meisten Vereinbarungen benötigen die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder.
    Hintergrund der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien ist der Plan Camerons, die Briten bis spätestens 2017 über den Verbleib in der Staatengemeinschaft entscheiden zu lassen. Sollten die europäischen Staats- und Regierungschefs den Plänen bei ihrem Treffen Ende der Woche zustimmen, könnte das britische Referendum schon im Juni dieses Jahres stattfinden. Viele Briten sehen den Verlust weiterer nationaler Souveränität zugunsten einer erstarkenden EU skeptisch.
    EU-Länder sehen britische Forderungen kritisch
    In der EU werden die britischen Forderungen dagegen mit Skepsis betrachtet - vor allem, wenn es um die Ungleichbehandlung von EU-Ausländern dort geht, wie es zum Beispiel bei der Kürzung oder Nichtzahlung von Sozialleistungen der Fall wäre.
    EU-Parlamentspräsident Matin Schulz (SPD) hatte zuvor betont, von einer Reform der EU müssen alle Mitgliedstaaten profitieren. Im Deutschlandfunk sagte er, es dürfte für Großbritannien keine "Extrawürste" geben. Einigen zentralen Reformforderungen des britischen Premiers Cameron stimmt der SPD-Politiker aber durchaus zu. Er betonte zudem: "Wir werden uns einigen." Schließlich brauche die EU Großbritannien, und umgekehrt Großbritannien auch die Europäische Union. Daher werde man den Kompromiss suchen, wenn auch nicht um jeden Preis. Offen sei aber, ob eine solche Einigung ausreiche, damit die Briten in dem geplanten Referendum für einen Verbleib ihres Landes in der EU stimmten.
    (pr/hba/tzi)