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Große Ambitionen, wenig Macht

Der US-Geheimdienst NSA hat Enthüllungen von Edward Snowden zufolge Bankdaten der EU-Bürger abgegriffen, obwohl das SWIFT-Abkommen das verbietet. Deshalb fordern Europaabgeordnete von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström Konsequenzen.

Von Patrick Wellinski | 26.09.2013
    "Ich bin wie auch Sie, sehr besorgt, über die Vorwürfe, die durch die jüngsten Presseberichte zutage gefördert wurden."

    Etwas hilflos wirkt EU-Kommissarin Cecilia Malmström vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des europäischen Parlaments. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass US-Geheimdienste Informationen aus der SWIFT-Datenbank gefischt haben und damit Informationen über Kontonummern, Geldbeträge, Einzahler und Empfänger von EU-Bürgern sichergestellt haben. Dabei ist dies durch das SWIFT-Abkommen zwischen EU und USA seit 2010 verboten. Eine Mehrzahl an EU-Abgeordneten fordert mittlerweile das Abkommen auszusetzen oder zu kündigen. Malmström muss zugeben, dass bisherige Konsultationen schleppend verlaufen. Doch bevor die Kommission handelt, will sie Beweise für die Spähaktion.

    "We need more information, more clarity and I suspect to get that very soon."

    Zum dritten Mal tagte der Untersuchungsausschuss, der nach den Snowden-Enthüllungen im Juli eingesetzt wurde und dessen Ziel es ist, die NSA-Affäre aufzuklären. Kritiker behaupten, dass das Vorhaben nicht viel bewirken werde, schließlich hat der Ausschuss keine gerichtsähnlichen Befugnisse. Außerdem werden sich viele vorgeladen Zeugen, unter anderem Präsident Obama, nicht in Brüssel blicken lassen. Doch der Grünen-Abgeordnete und Ausschussmitglied Jan Philipp Albrecht verweist auf erste, zarte Erfolge:

    "Wir haben in den ersten Sitzungen gesehen, dass zum Beispiel der schwedische Geheimdienst und der französische Geheimdienst im Grunde genauso wie der britische Geheimdienst in die NSA-Überwachungen einbezogen sind. Und insofern: Auch wenn wir als europäisches Parlament am Ende nicht die Möglichkeit haben, die Mitgliedsstaaten zu etwas zu zwingen, so haben wir dennoch die Möglichkeit, öffentlichen Druck zu erzeugen und die Öffentlichkeit noch ein Stück weiter ins Bild zu setzen."

    Auch die EU selbst ist, Edward Snowden zufolge, im Visier der Ausspäher. Ratsgebäude und Büros sollen massiv verwanzt sein. Das Ausmaß entsetzte Justizkommissarin Reding derart, dass sie sich - was eher selten vorkommt - in ihrer Heimatsprache Luxemburgisch aufregte:

    "Und ich sag Ihnen, was das Ganze ist. Es ist eine Schweinerei."

    Bei einem solchen Ausmaß an Überwachung stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es für die EU nicht besser wäre, einfach zurück zu spionieren. Jan Philipp Albrecht:

    "Nein, als Konsequenz zu sagen, wir müssen jetzt selbst mehr überwachen, ist genau das Falsche und völlig am Thema vorbei. Denn das Thema ist doch: Wie können wir eigentlich verhindern, dass alles, was technisch möglich ist an Überwachung und Kontrolle, rechtlich erlaubt wird und dann auch praktisch gemacht wird."

    Im Zusammenhang mit der NSA-Affäre und ihren Folgen wird immer wieder der Ruf nach einem eigenen europäischen Geheimdienst laut. Bloß nicht, meint Jan Philip Albrecht:

    "Es muss europäische Regelungen für Geheimdienstarbeit geben. Es darf nicht mehr so sein, dass europäische Geheimdienste das Schwarze Loch der Demokratie sind - und der Rechtsstaatlichkeit. Ein britischer Geheimdienst darf nicht außer Rand und Band gehen."

    Trotzdem sieht so aus, als wäre der Rat der Europäischen Union nun genau auf die Idee der Gegenspionage gekommen. Unter der Kennziffer CONS/AD/099 wurde eine Stelle ausgeschrieben. Gesucht wird ein Mitarbeiter, der den Rat auf dem Gebiet der Spionageabwehr berät. Stockt die Union jetzt doch noch ihren Vorrat an Agenten auf, um zukünftig keinen Nachteil in der "Spähwelt" zu haben? Albrecht:

    "Also das, was hier jetzt wohl gemacht wird, ist weniger eine Gegenspionage als der legitime Ansatz - und das wäre eigentlich wichtig, das weiter auszubauen - unsere Systeme, Telefone und Internet sicherer gegenüber illegalen Zugriffen zu machen. Wir müssen verhindern, dass unsere Telefone, unsere Internetverbindungen und all das, was wir an Systemen betreiben, quasi die Tür sperrangelweit aufmachen, für jeden, der Lust hat, das abzurufen."