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Großprojekt zwischen Dänemark und Deutschland
Fehmarnbelt-Tunnel: die umstrittene Röhre

18 Kilometer lang, gut sieben Milliarden Euro teuer: Der geplante Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland ist ein großes Projekt. Bis heute ist der Nutzen des Tunnels umstritten. Dennoch könnte ab dem kommenden Jahr gebaut werden.

Von Johannes Kulms | 12.07.2020
Die blauen Kreuze auf Fehmarn und in Ostholstein sind das Symbol der Tunnelgegner
Die blauen Kreuze auf Fehmarn und in Ostholstein sind das Symbol der Tunnelgegner (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
Noch ist nichts zu sehen vom Tunnel, der eines Tages einmal Deutschland und Dänemark verbinden soll. Doch vor der dänischen Ostseeinsel Lolland gehen die Vorbereitungen für das Projekt voran. Mehrfach in der Woche treffen seit kurzem Frachtschiffe aus Norwegen ein. Jedes Mal mit einer neuen Ladung Granitsteine. Auch an diesem sonnigen Tag Anfang Juli hat wieder ein Frachter zur Entladung an einem Schwimmponton festgemacht. Ein grüner Kran wuchtet die schweren Steine hinüber auf ein Floß. Insgesamt werden rund 2,3 Millionen Tonnen Granit benötigt für den Arbeitshafen.
"Die Wellenbrecher schützen den Hafen und geben ihm seine Form. Auch der Strand wird mit den Steinen geschützt." Patrick Braam steht an der Reling eines kleinen gelben Transportboots und beobachtet die Szene. Er ist einer von rund 3.500 Mitarbeitenden, die in den nächsten Jahren das Großprojekt Fehmarnbelt-Tunnel auf dänischer Seite realisieren sollen. Der Niederländer Braam soll als "Offshore-Manager" vor allem das Ausbaggern des Grabens in der Ostsee überwachen, durch den ab 2029 der 18 Kilometer lange Tunnel verlaufen soll, zwischen Lolland und der deutschen Ostseeinsel Fehmarn.
"Die größte Herausforderung wird das Ausgraben der Tunnelrinne sein, mit allem, was dazu gehört. Die Logistik ist dabei sehr wichtig, der Fehmarnbelt ist ja eine Wasserstraße. Es wird Umweltschutzmaßnahmen geben. All das zusammen zu planen ist die größte Herausforderung."
Schnellere Verbindung soll Wirtschaft stärken
Seit 1963 gibt es eine Fährverbindung zwischen dem dänischen Rødbyhavn auf Lolland und dem deutschen Puttgarden auf Fehmarn. Die Schiffe brauchen für die Überfahrt eine Dreiviertelstunde. Mit einer deutlich schnelleren Verbindung durch den Tunnel erhoffen sich die Projektbefürworter wirtschaftliche Impulse für die ganze Region. Autos sollen in zehn Minuten den Fehmarnbelt durchfahren können, Züge im Tunnel nur noch sieben Minuten unterwegs sein. Damit könnte die Fahrtzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen deutlich sinken. Statt heute rund 4,5 Stunden sollen die Schnellzüge dann nur noch etwa halb so lang brauchen. Denn das Projekt sieht auch vor, auf beiden Seiten der Meerenge die Schienen- und Straßenwege zu ertüchtigen.
Patrick Braam (Links) Ist Offshore-Manager beim Tunnelbau, Jens Villemoes Ist Pressesprecher von Femern AS
Patrick Braam (Links) Ist Offshore-Manager beim Tunnelbau, Jens Villemoes Ist Pressesprecher von Femern AS (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
Am Ufer von Lolland türmen zwei Bagger von einem Schwimmponton aus die angelieferten Granitsteine zu einer Art Wall auf. Bereits im kommenden Jahr soll der Arbeitshafen fertig sein. Dann soll an Land auch eine Fabrik ihren Betrieb aufnehmen, in der die knapp 200 Meter langen und 70.000 Tonnen schweren Tunnelelemente gefertigt werden. Die wichtigsten Bestandteile dafür sind Stahl und Beton, wie ein Videoclip der Tunnelbaufirma Femern A/S zeigt, die sich im Besitz des dänischen Staates befindet:
"Die Gießarbeit ist ein fortwährender Prozess, in dem neun identische Teile zu einem fertigen Tunnelelement gegossen werden. Es dauert neun Wochen, ein Tunnelelement zu gießen. Das fertige Tunnelelement wird in ein Trockendock geschoben und transportfähig gemacht."
Später ziehen Schiffe die schwimmenden Betonelemente hinaus auf die Ostsee, wo sie dann in der ausgegrabenen Rinne am Meeresgrund versenkt und so nach und nach zum Tunnel zusammengesetzt werden. Ein ähnliches Verfahren wurde in den 90er-Jahren bereits zum Bau der Öresund-Querung zwischen Schweden und Dänemark eingesetzt. Die Verbindung besteht aus einer Tunnel- und Brückenkombination.
Kritiker befürchten Schäden für Umwelt und Tourismus
Beim Öresund-Projekt seien wichtige Erfahrungen gesammelt worden. Auch habe sich gezeigt, dass Umweltschutz und große Infrastrukturvorhaben vereinbar seien, sagt Jens Villemoes, Pressesprecher der Baufirma Femern A/S, der auch auf dem gelben Transportboot dabei ist. Er verweist auf ökologische Ausgleichsmaßnahmen für die Eingriffe in die Ostsee, die es auch beim Fehmarnbelt-Tunnel geben soll.
"Die Dänen sind genauso umweltbewusst wie die Deutschen. Das ist ein sehr wichtiges Thema in Dänemark. Und wir gehen da mit allergrößter Vorsicht ran, um der Umwelt nicht langfristig zu schaden. Vieles spricht dafür, dass dieses Projekt sogar den Zustand der Natur in der Fehmarnbeltregion verbessern wird. Auch wenn wir das erst später sehen werden." Laute Kritik am geplanten Fehmarnbelt-Tunnel ist in Dänemark nur wenig zu vernehmen.
Ganz anders in Deutschland. Auf der Insel Fehmarn und in der angrenzenden Region Ostholstein ist das Projekt seit vielen Jahren umstritten. Kritiker befürchten schwere Schäden für Umwelt und Tourismus durch die jahrelangen Tunnel-Bauarbeiten und den späteren Betrieb. Und sie befürchten ein finanzielles Milliardengrab. Zwar kommt für die Baukosten in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro allein Dänemark auf. Das Geld soll später durch eine Maut wieder eingenommen werden. Aber Deutschland beteiligt sich an der Hinterlandanbindung, der Erneuerung von Straßen und Schienenwegen zwischen Lübeck und dem Fährhafen Puttgarden. Die geplanten Kosten dafür sind zuletzt laut Bundesrechnungshof auf 3,5 Milliarden Euro gestiegen. Ursprünglich sollten die Arbeiten rund 800 Millionen Euro kosten.
Fehmarnbelt-Querung - Ein Tunnel sorgt für Streit
Wer von der deutschen Insel Fehmarn nach Dänemark will, muss auf eine Fähre umsteigen. Demnächst soll es schneller gehen: Die Dänen drängen auf den Bau eines Tunnels - die Fehmarnbelt-Querung. Auf deutscher Seite gibt es allerdings Bedenken.
Karin Neumann überrascht das nicht. Sie ist die Sprecherin der Initiative "Beltretter", die sich gegen den Tunnelbau einsetzt: "Wir sehen ja am BER oder wir sehen an S21 ja, was dann am Ende wirklich bei rauskommt und dass die Gegner eigentlich sehr häufig Recht behalten mit dem, was sie am Anfang befürchtet haben. Und ich finde, das muss man sehr viel ernster nehmen. Und dann kann man, glaube ich, auch so eine Planung viel besser und zügiger gestalten."
Im Bündnis "Beltretter" haben sich Bürgerinitiativen, Gemeinden, Naturschutzorganisationen und lokale Vertretungen von Grünen, SPD und Piraten zusammengeschlossen. Auch Firmen sind dabei, die häufig vom Tourismus leben. Karin Neumann vermietet auf ihrem Hof auf Fehmarn Ferienwohnungen.
"Und seit zehn Jahren bläht sich dieses Projekt auf, die Kosten steigen schon vor Baubeginn in unermessliche Höhen. Ich finde, so können wir einfach nicht weitermachen, gerade in dieser Zeit. Die Politik sagt immer, Corona sei ein Brennglas für Missstände. Und ich sage: Die feste Fehmarnbeltquerung ist ein Brennglas für sämtliche Großbaustellen, wo irgendwas richtig in der Planung schiefgelaufen ist."
NABU zweifelt Bedarf für das Projekt an
Im Januar 2019 erließ das Schleswig-Holsteinische Verkehrsministerium für den deutschen Abschnitt des Projektes dennoch den Planfeststellungsbeschluss. Damit scheint der Baubeginn in greifbarer Nähe, Anfang 2021 könnte es losgehen. Doch dafür muss im Herbst noch eine juristische Hürde ausgeräumt werden. Am 22. September soll vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren beginnen, sechs Klagen gegen das Projekt sollen dort verhandelt werden.
Einer der Kläger ist die Umweltschutzorganisation NABU, die den Planfeststellungsbeschluss anficht. Malte Siegert ist im Landesverband Hamburg für Natur- und Umweltpolitik zuständig. Er beobachtet das Tunnel-Projekt seit langem. "Wir haben erhebliche Bedenken, dass viele ökologische Fragen nicht ausreichend beachtet worden sind."

Der NABU befürchtet schwere Schäden in der Natur und verweist auf die Fischlaichgebiete und die artenreichen Sandbänke in dem Gebiet. "Aber wir bezweifeln eben auch, dass es den Bedarf für dieses Vorhaben überhaupt gibt. Wir sagen, man gibt da einen Haufen Geld aus, richtet einen riesengroßen ökologischen Schaden an. Aber für eine Menge an Verkehr, die eigentlich so einen großen Eingriff überhaupt nicht rechtfertigt."
Der NABU traut der Planung der dänischen Bauherren nicht. Und begründet das auch mit Riffen in der Meerenge zwischen Fehmarn und Lolland. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Umweltschützer Taucher zum Ostseegrund geschickt und nach eigener Aussage festgestellt, dass sich die dort endeckten Riffe über mehrere Quadratkilometer erstrecken. "In den Ursprungsplanungsunterlagen, da waren Riffe eingezeichnet. Riffe sind streng geschützte Strukturen und sind eben sehr artenreich, sehr selten mittlerweile. Und in späteren Planunterlagen, die im Planfeststellungsbeschluss beigefügt waren, da waren diese Riffe gar nicht mehr verzeichnet."
NABU-Experte Malte Siegert sieht die Riffe als einen Beleg dafür, dass die dänischen Tunnelbauer schlecht geplant haben – und als Chance, den Planfeststellungsbeschluss für das Projekt noch zu kippen oder zumindest zu verändern. Der dänische Projektträger Femern A/S will sich zur Rolle der Riffe unter Verweis auf das laufende Verfahren in Leipzig nicht äußern. Doch die Firma verspricht, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den Tunnel umweltfreundlich zu bauen.
Der geplante Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark auf dänischer Seite in Rodbyhavn.
Der geplante Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark auf dänischer Seite in Rodbyhavn (Femern A/S)
Vergleich zu Öresund-Verbindung zwischen Kopenhagen und Malmö umstritten
Das von den Grünen geführte Schleswig-Holsteinische Umweltministerium sieht inzwischen ebenfalls Hinweise auf nicht bekannte Riffe im Bereich des geplanten Tunnels und fordert, diese in der Tunnelplanung zu berücksichtigen. Widerspruch kommt vom Koalitionspartner FDP. Ob sich die neuen Erkenntnisse auf das Gerichtsverfahren und die Planung des Großprojektes auswirkten, stehe noch nicht fest, sagt Thilo Rohlfs. Der liberale Politiker ist Staatssekretär im Schleswig-Holsteinischen Verkehrs- und Wirtschaftsministerium.
"Das ist ja noch nicht abgeschlossen. Und auch die Rückmeldung des Vorhabenträgers, der die Planungsunterlagen ja zu erstellen hat, liegen ja dazu noch nicht vor. Ich glaube, das ist auch nur fair, dass man auch der dänischen Firma Femern A/S die Chance gibt, zu diesen neuen Erkenntnissen Stellung zu nehmen. Und erst auf der Grundlage wird man bewerten können, was bedeutet das und was bedeutet das für das Verfahren? Am Ende wird das Projekt daran nicht scheitern, da bin ich mir sicher."
Der Verkehrsstaatssekretär sieht das Tunnelprojekt als wichtiges europäisches Infrastrukturvorhaben und als wirtschaftliche Chance. Zudem habe die Öresund-Verbindung zwischen Kopenhagen und Malmö gezeigt, wie zwei Städte durch einen neuen Verkehrsweg zusammenrücken können. Auch die Lübecker Industrie- und Handelskammer spricht sich für das Projekt aus. Mit dem Tunnel können die Märkte in Skandinavien, Deutschland und Zentraleuropa noch enger zusammenwachsen, heißt es. Die IHK der Hansestadt erwartet wegen des Wirtschaftswachstums im Ostseeraum weiterhin eine deutliche Zunahme des Verkehrs.
Auch Mogens Fosgerau sieht das Großprojekt skeptisch. Fosgerau ist Wirtschaftsprofessor an der Universität von Kopenhagen, der Verkehrsbereich zählt zu seinen Forschungsschwerpunkten. Die geografische Umgebung der Fehmarnbelt-Region sei nicht mit der Öresund-Region zu vergleichen. Auch die Storebælt-Brücke, die seit mehr als 20 Jahren das Reisen zwischen Kopenhagen und der dänischen Halbinsel Jütland verkürzt, befinde sich in einer anderen Umgebung, sagt Fosgerau.
Die Öresundbrücke von Malmö (Schweden) aus gesehen. 
Die Öresundbrücke verbindet die beiden Großstädte Kopenhagen und Malmö (picture alliance / dpa / Jochen Lübke)
"Die Storebælt-Brücke liegt etwa in der Mitte von Dänemark. Sie wird viel genutzt, weil größere Städte in der Nähe sind. Auch die Öresund-Brücke verbindet zwei große Städte: Kopenhagen und Malmö. Da leben viele Menschen. Aber die Region um Fehmarn herum ist dünn besiedelt. Der Tunnel wäre also nur für den Fernverkehr."
Heute schon nutzen viele Reisende von Kopenhagen Richtung Deutschland die Storebælt-Brücke. Der Weg ist zwar knapp 150 Kilometer länger als über den Fehmarnbelt, aber häufig billiger. Denn die Fährtickets zwischen Dänemark und Fehmarn kosten für einen Pkw in der Hauptsaison schnell mehr als 100 Euro.
Und auch die geplante Maut im Fehmarnbelt-Tunnel, die das Projekt refinanzieren soll, sieht Ökonom Mogens Fosgerau kritisch. Denn von der Gebührenhöhe hänge letztlich ab, wie gut der Tunnel von Pkw- und Lkw-Fahrern angenommen werde. Am Ende könnte es weiterhin sein, dass viele Reisende auf dem Weg nach Zentraleuropa lieber die Storebælt-Brücke nutzen, um Geld zu sparen. "Das Fehmarnbelt-Projekt birgt große Risiken. Es besteht die Gefahr, dass am Ende die dänischen Steuerzahler das Defizit ausgleichen müssen. Wenn dieses Projekt privat finanziert würde, wäre es für einen Investor kaum attraktiv. Es ist kein gutes Investment."
Der Projektträger Femern A/S geht davon aus, dass nach der Eröffnung rund 12.000 Fahrzeuge den Tunnel täglich nutzen werden. Gemäß der Finanzanalyse von 2016 werde sich das Projekt nach knapp 40 Jahren amortisiert haben. Die Mautgebühren können während der gesamten Nutzungsdauer sowohl den Betrieb als auch die Wartung des Tunnels finanzieren, so Femern A/S.
Dänemarks Verkehrsminister wirbt für Vertrauen
Ob das gelingt, hängt auch von der Reederei Scandlines ab, die die Fährverbindung über den Fehmarnbelt zwischen Dänemark und Deutschland betreibt. Auch Scandlines wird im September als Kläger gegen das Tunnelprojekt vor dem Bundesverwaltungsgericht auftreten. Die Reederei sieht entscheidende Fragen zur Schiffsicherheit während der Bauphase nicht geklärt und befürchtet Behinderungen an der Zufahrt zum Hafen in Puttgarden. Dennoch sollen die Fährverbindungen nach Eröffnung des Tunnels weiterbetrieben werden.
Dass das staatliche dänische Tunnel-Unternehmen Femern A/S bereits vor dem Urteil der deutschen Richter mit den Bauvorbereitungen angefangen hat, hat viele Kritiker verärgert. Er habe größten Respekt für die deutschen Gerichte, hebt Dänemarks Verkehrsminister Benny Engelbrecht hervor. Doch der Sozialdemokrat betont: "Wir müssen uns auch im Klaren sein über all die Arbeiten auf der dänischen Seite, die sehr viel Zeit brauchen. Wir müssen die Anlagen bauen, um die Tunnelelemente herzustellen. Selbst wenn wir damit am 1. Januar 2021 beginnen, werden wir nicht vor Mitte 2023 mit dem eigentlichen Bau des Tunnels starten."
Ein Frachter bringt Granitsteine aus Norwegen zur Errichtung des Arbeitshafens für den Tunnelbau
Ein Frachter bringt Granitsteine aus Norwegen zur Errichtung des Arbeitshafens für den Tunnelbau (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
Benny Engelbrecht ist bewusst, dass es bis heute deutlich mehr Gegenwind von deutscher Seite gegen das Großprojekt gibt. Doch er wirbt für Vertrauen. Die deutschen Nachbarn könnten sowohl auf die dänische Ingenieurskunst als auch auf die Erfahrungen im Umgang mit der Natur zählen, die bei anderen Tunnel- und Brückenbauprojekten gesammelt wurden. Auch das Finanzierungsmodell für den Tunnel stellt er nicht in Frage.
Doch Dänemarks Verkehrsminister weiß auch, dass das Planungsrecht für ebensolche Großvorhaben im Königreich deutlich einfachere und raschere Verfahren als in der Bundesrepublik vorsieht. "Das ist ja auch einer der Punkte, um die es bei den Gerichtsverfahren in Deutschland geht: Was kann für die Leute getan werden, damit die sich und ihre Sorgen ernst genommen fühlen? Es geht um notwendige Entschädigungen, um verstärkten Lärmschutz und vieles mehr, um sicherzustellen, dass die Menschen entlang dieser so wichtigen europäischen Infrastruktur leben können. Das muss Hand in Hand gehen."
Bad Schwartau: Bahntrasse mitten durch die Stadt
Eine Aussage, die in der Region Ostholstein aufmerksam verfolgt wird. Denn die Menschen hier sind vor allem von der Hinterlandanbindung betroffen, also dem Aus- beziehungsweise Neubau von Schienen- und Straßenwegen auf deutscher Seite. Knapp zwei Drittel der 88 Kilometer langen Bahntrasse zwischen Lübeck und Fehmarn sollen neu gebaut werden.
Die Pläne haben in der Region jahrelang für Streit gesorgt. Den Badeorten in der Lübecker Bucht graute davor, dass mit der Tunneleröffnung jeden Tag dutzende zusätzliche Güterzüge durch die Gemeinden fahren. Die neue Streckenführung um viele Orte herum ist eine Reaktion darauf. Auch beim Lärmschutz hat die Politik reagiert. Erst vor wenigen Tagen beschloss der Deutsche Bundestag, gut 230 Millionen Euro zusätzlich für eine bessere Abschirmung vor dem Eisenbahnlärm zur Verfügung zu stellen.
Mit ihrem Infomobil tourt die Deutsche Bahn durch Ostholstein, um mit Anrainerinnen über die Hinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung ins Gespräch zu kommen
Feste Fehmarnbeltquerung - Im Hinterland wird’s laut
Noch ist es relativ ruhig und beschaulich in Ostholstein. Das könnte sich aber ändern, wenn einmal der Fehmarnbelttunnel gebaut und die Bahnstrecke zwischen Lübeck und Fehmarn entsprechend ausgebaut ist. Um auf die Sorgen von Anrainern einzugehen, informiert die Deutsche Bahn vor Ort.
Viele Orte entlang der Strecke hätten das bekommen, was sie sich gewünscht haben, sagt Bad Schwartaus parteiloser Bürgermeister Uwe Brinkmann. Anders sei es leider bei seiner Stadt gewesen. Hier soll die Bahntrasse auch in Zukunft mitten durch die Stadt verlaufen. Er hat dafür gekämpft, dass die neuen Schienen in einen sieben Meter tiefen Graben, einen so genannten Trog gelegt werden, um den Bahnlärm und Erschütterungen abzudämpfen. Doch dieser Forderung sei der Bundestag mit seiner Entscheidung Anfang Juli leider nicht gefolgt, bedauert Brinkmann. Stattdessen wurde ein Trog von 3,20 Tiefe beschlossen.
"Und es ist nachgewiesen worden, dass dieses Bauwerk, was im wahren Leben kein Trog ist, sondern eine Rampe, die bei null Meter beginnt und irgendwann bei einem Punkt für einige Meter mal 3,20 Meter tief ist, damit dann ein Brückenbauwerk darüber gebaut werden kann, was noch immer dann durch die gesamte Stadt sich schlängeln wird, untauglich ist. Und dieses technische Gutachten hat auch die Deutsche Bahn bestätigt und umso mehr hat uns jetzt verwundert, dass die Deutsche Bahn mit diesem Vorschlag, den sie wie gesagt selber als untauglich abgelehnt hat, hier mit der Vorlage in den Deutschen Bundestag gegangen ist."
Ob die Stadt Bad Schwartau oder einzelne Anwohner gegen die Entscheidung klagen werden, ist offen. Aber trotz allem Ärger befürwortet Uwe Brinkmann das Tunnelprojekt zwischen Deutschland und Dänemark. "Die Idee unterstütze ich, dass Nordeuropa verbunden werden soll. Und wenn Sie sich anschauen, dass die Dänen ja auch auf ihrer Seite einen Masterplan haben und bereits viele Milliarden verbuddelt und verplant haben, dann glaube ich nicht, dass dieses Projekt noch aufzuhalten ist!"
Trotzdem bleibt der Tunnelbau umstritten. Manche Kritiker hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorhaben noch stoppt. Und auch der Europäische Rechnungshof hat Schwachstellen identifiziert. Die Prüfer zweifeln an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Projekts. Ob die Bauarbeiten im kommenden Jahr losgehen und der Tunnel 2029 eröffnet werden kann, ist noch längst nicht sicher.