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Großzügige Schimpansen

Ethologie. - Die österreichische Verhaltensforscherin Signe Preuschoft hat mit einem Rehabilitationsprojekt für ehemalige Laborschimpansen bemerkenswerte Erfolge erzielt. Sogar das Sozialverhalten, Nahrung mit Artgenossen zu teilen, haben die ehemals geschundenen Tiere wieder erlernt.

Von Kristin Raabe | 05.09.2007
    Für die ehemaligen Laborschimpansen im österreichischen Safaripark Gänserndorf ist es schon schwer genug, die anderen Affen im Raum zu ertragen. Diese extrem verhaltensgestörten Tiere haben zehn bis 20 Jahre lang - seit dem Kleinkindalter - in den Laboren der Pharmaindustrie in Einzelhaft gelebt. Ein Jahr nachdem sie von der Verhaltensforscherin Signe Preuschoft in Gruppen zusammengefasst wurden, mussten sie sich einer erneuten Herausforderung stellen. Um herauszufinden, ob die Schimpansen ihr Futter mit anderen teilen würden, versteckte die Wissenschaftlerin riesige Wassermelonen im Gehege der Tiere.

    "Dann haben wir die Schimpansen in den Wohnraum gelassen, und die haben natürlich ganz schnell rausgekriegt, wo die Wassermelonen sind. Und dann haben wir geguckt, wer sich die aneignet zuerst, und das ist ganz interessant, weil: Das sind nicht zuerst die Ranghöchsten, die sich eine Wassermelone nehmen zuerst."

    Signe Preuschoft beobachtete, wie der Entdecker der Melone seine Beute zunächst in eine ruhige Ecke trug, dicht gefolgt von den anderen Interessenten. Sobald er ein Loch in der Melone hatte, setzte das Betteln ein. Meistens dauerte es auch nicht lange, bis der Melonenbesitzer ganz beiläufig ein Stück beiseite legte.

    "Das ist das Signal an den Bettler, das ist das Stück, das du haben kannst. Und dann reden sie manchmal noch drüber und sagen oh, oh, oh oder ha, ha, ha, ha - also, ob ich das wirklich haben kann, und vergewissern sich über akustische Signale, dass es jetzt echt so gemeint ist, dass sie das Stück haben können. Und dann gehen sie mit Vokalisationen weg, und es kann sein, dass andere, die das beobachtet haben, dann auch noch Kommentare abgeben. Ich weiß natürlich nicht genau, was die sich sagen, aber diese Beiläufigkeit, dass man sozusagen ein Stück zur Seite legt, die wird völlig konterkariert dadurch, dass sie soviel darüber reden."

    Natürlich wollte die Verhaltensforscherin auch herausfinden, unter welchen Bedingungen die ehemaligen Laborschimpansen miteinander teilen.

    "Man muss nicht befreundet sein, um Nahrung abzubekommen, und man muss auch nicht dominant sein, um jetzt zu sagen, das ist jetzt mein Anspruch, jetzt muss ich das haben. Sondern im Gegenteil: Dominante geben viel Futter ab. Wir haben nicht so richtig rausgekriegt, wer jetzt bevorzugte Empfänger sind. Es sieht so ein bisschen so aus, als würden die, die am meisten betteln, auch am meisten bekommen."

    Darin unterscheiden sich die ehemaligen Laborschimpansen nicht von anderen Schimpansen, die in großzügigen Freigehegen aufgewachsen sind. Das belegen die Ergebnisse derselben Experimente mit einer Schimpansengruppe in den USA, die Signe Preuschoft ebenfalls ausgewertet hat.

    "Das war für mich auch sozusagen die frohe Botschaft daran, dass Pi mal Daumen die Schimpansen nach zehn bis 20 Jahren Isolation, ein Jahr nachdem sie in Gruppen gelebt haben, haben sie Nahrung geteilt, wie andere normale Schimpansen auch. Und das spricht in meinen Augen dafür, dass das Nahrungsteilen von Schimpansen wirklich als eine schöne Sache empfunden wird. Es ist eben nicht einfach nur so, ich schlage mir den Bauch voll, und das ist das einzige, was mich interessiert, sondern das gemeinsame Essen hat einen Wert für sich wie bei uns auch."

    Ob ihre Laborschimpansen allerdings weiterhin Fortschritte machen, weiß Signe Preuschoft nicht. Denn seit einem Jahr hat sie die Tiere nicht mehr gesehen. Der Safaripark ist in Konkurs gegangen und die Verhaltensforscherin arbeitet inzwischen für die Universität Zürich. Lediglich vier Tierpfleger sorgen für eine Notversorgung der Tiere: ein Zustand, der jetzt bereits seit zwei Jahren anhält.

    "Jetzt geht es wirklich darum, dass wir als Allgemeinheit sagen, ja wir wollen nicht nur von den Pharmaprodukten profitieren, sondern wir wollen das auch unterstützen durch unsere Aufmerksamkeit und unseren Respekt, dass aus diesen Schimpansen wieder normale Schimpansen werden können."

    Den wissenschaftlichen Beweis, das eine Rehabilitation von verhaltensgestörten Laborschimpansen möglich ist, hat Signe Preuschoft geliefert. Die Pharmafirma Baxter will das Projekt auch weiterhin finanziell unterstützen, aber diese Mittel reichen nicht. Auch das österreichische Gesundheitsministerium hat Unterstützung zugesagt. Passiert ist aber bislang noch nichts.