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Grubbs I und II : Ein Mann, ein Wort

Der amerikanische Chemie-Nobelpreis-Träger von 2005 Robert Grubbs ist der Namensgeber gleich zweier Moleküle. Grubbs I und II sind die kurzen Bezeichnungen für metallorganische Prozesskatalysatoren, deren nomenklatorisch korrekte Namen viele Zeilen füllen würden. Hinweis: Wegen der aktuellen Sendung zur Verleihung des Nobelpreises in Chemie existiert von diesem Beitrag keine Hörversion.

Von Volker Mrasek | 05.10.2011
    Bohrium und Mendelewium, Lewis-Säuren und Brønsted-Basen, Fischer-Tropsch-Synthese und Haber-Bosch-Verfahren - bei chemischen Elementen, Stoffklassen und Reaktionen kommt es durchaus vor, dass sie nach berühmten Forschern und Erfindern benannt werden. Doch über die Namensgebung für die unzähligen Moleküle wacht gemeinhin die IUPAC, die Internationale Union für Reine und Angewandte Chemie. Nach ihren strengen Nomenklatur-Regeln sollte eigentlich alles, was in einer Verbindung drin ist, auch in ihrem Namen aufscheinen.

    Allerdings, würde man diesen hehren Maßstäben folgen, dann wäre Grubbs I ein Wortungetüm mit 19 Silben, nämlich: Benzyliden-bis-(tricyclo-hexyl-phosphin)-di-chloro-ruthenium. Von Grubbs II ganz zu schweigen. Sein offizieller IUPAC-Name würde sogar drei Zeitungszeilen füllen. "Da kann man sich schon vorstellen, warum man hier nicht auf den IUPAC-Regeln besteht", schmunzelt Alois Fürstner, Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr.

    Fürstner ist Experte auf dem Gebiet metallorganischer Prozesskatalysatoren, und genau dorthin gehört auch das Grubbs-Duo. Beide Moleküle enthalten das Metall Ruthenium und sind effiziente Werkzeuge für organische Synthesen. Mit Grubbs- und einigen ähnlichen Katalysatoren lassen sich Doppelbindungen zwischen Kohlenstoff-Atomen in ungesättigten Kohlenwasserstoffen ("Olefinen") äußerst sauber durchtrennen, so dass im Anschluss neue Reaktionspartner zueinanderfinden. "Olefine bilden die stoffliche Basis der modernen Industriegesellschaft", sagt Fürstner. Und neuartige Katalysatoren wie Grubbs I und II gestatteten es, sie selektiver chemisch umzusetzen: "Diese Materialien haben eine Lawine von Veröffentlichungen ausgelöst." Ihre breitere Anwendung bei der Herstellung von Kunststoffen und Medikamenten ist für den MPI-Forscher nur eine Frage der Zeit.

    Man sieht: Wenn die IUPAC ein Auge zudrückt, kann ein wenig Nobel-Glanz auch schon mal auf ein Molekül abstrahlen.

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