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Gründung der Wendezeit

Im Januar 1990 trat der Christoph Links Verlag auf den Plan - mit dem Anspruch, seine Veröffentlichungen vorrangig den "weißen Flecken" der DDR-Geschichte zu widmen. Seitdem hat sich das Verlagsportfolio mächtig erweitert, aber der untergegangene SED-Staat bleibt einer der Schwerpunkte des Links-Verlages.

Von Ralph Gerstenberg | 09.11.2009
    "Mit Links überleben" heißt das druckfrische Buch, das auf dem Schreibtisch des Verlegers Christoph Links liegt. Der Titel verspricht einen Rückblick auf die zwanzig Jahre, die es den Verlag nun bald gibt. Mit links, also ganz ohne Schwierigkeiten, ging es nicht immer. Zweimal hatte der Verlag bereits mit bedrohlichen Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Doch Christoph Links und sein Team haben es immer wieder geschafft, aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen. Das Wort "Links" steht aber nicht nur für die unverwechselbare Handschrift des Verlegers, sondern ist auch in anderer Hinsicht Programm.

    "Wir sind ein linksliberales Haus. Wir sind offen für Autoren unterschiedlicher Richtungen, aber auf jeden Fall kann man, wenn man von Geburt an Links heißt, schlecht rechts denken, ohne eine innere Persönlichkeitsspaltung zu haben."
    Christoph Links wurde 1954 geboren und wuchs in einer ostdeutschen Verlegerfamilie auf - sein Vater leitete den Kiepenheuer- und den Inselverlag. Bereits im Sommer 1989 hatte Links beim DDR-Kulturministerium einen Antrag auf die Gründung eines Verlages gestellt, der jedoch mit Hinweis auf fehlende Papier- und Druckkapazitäten abgelehnt wurde. Als die Mauer fiel, stand der studierte Philosoph und Lateinamerikanist, der damals als Assistent der Geschäftsleitung beim Aufbau Verlag arbeitete, als Gründer eines eigenen Verlages bereits in den Starlöchern. Zum Startprogramm zählten Publikationen zu Themen, die von der DDR-Regierung jahrzehntelang mit Tabus belegt waren. Die weißen Flecken der DDR-Geschichte sollten endlich mit Kontur und Farbe versehen werden.

    "Insofern war unser erstes Programm dann auch mit Themen wie stalinistischen Schauprozessen, Amtsmissbrauch und Korruption in der DDR, also mit den anstehenden aktuellen Themen gespickt. Erst allmählich in den Jahren danach ist dann das Programm weiter geworden und hat sich mehr auch mit der NS-Geschichte, der Kolonialgeschichte auseinandergesetzt, inzwischen auch mit vielen aktuell-politischen Themen internationaler Natur. Aber im Gründungsjahr ging es zunächst darum, die blockierten Themen zur DDR-Geschichte aufzuarbeiten."
    Nach den Anfangsjahren, in denen mit der "Chronik der Wende" und der "Chronik des Mauerfalls" auch die wirtschaftlichen Folgen und politischen Herausforderungen des Vereinigungsprozesses thematisiert wurden, entwickelte sich der Christoph Links Verlag von einer kritischen Stimme Ostdeutschlands zu einem gesamtdeutschen Verlag mit einem breiten Publikationsspektrum. Mit literarischen Reportagen, Lebenshilferatgebern, Textbildbänden und historischen Reiseführern erschloss man sich eine wache Leserschaft in Ost und West. Der Verleger weiß, dass ein kleiner Verlag ein klar erkennbares Profil haben muss, um in der Menge nicht unterzugehen.

    "Daher war unsere Entscheidung, bei Politik und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts konsequent zu bleiben, keine Belletristik in den Verlag zu nehmen, keine Humor- und Unterhaltungs-, keine Koch- und Krimibücher, sondern beim Sachbuch zu bleiben, aber innerhalb dieses Rahmens vielfältige Editionsformen zu nutzen."
    Dass Christoph Links im Gegensatz zu anderen Gründern der Wendezeit erfolgreich auf eine zwanzigjährige Geschichte seines Unternehmens zurückblicken kann, ist seinem verlegerischen Geschick ebenso zu verdanken wie dem produktiven Geist, der in dem mittlerweile zehnköpfigen Team herrscht. Jeder fühlt sich als Teil des Ganzen und für dessen Gelingen verantwortlich. "Mit Links überleben" ist hier zu einem Credo geworden, das man sogar beim gemeinsamen Mittagessen in den Verlagsräumen spürt.

    "Ich war heute gerade wieder mit Kochen dran. Diese Stunde von eins bis zwei mittags gönnen wir uns, weil dann auch beim Kaffee, beim Nachtisch über alle aktuellen Probleme gesprochen wird. Insofern hat dieses "Mit links überleben" auch tatsächlich so eine besondere Bedeutung, dass man mit der Art, wie wir hier miteinander umgehen, mit der konzentrierten Arbeit bei gleichzeitiger Lockerheit, einen Stil des Arbeitens gefunden hat, wie es ihn in großen, sehr unter Renditedruck stehenden Häusern nur noch selten gibt."

    Ralph Gerstenberg war das mit einem Porträt des Christoph Links Verlages, der im kommenden Januar sein 20-jähriges Bestehen feiert. "Mit Links überleben – 20 Jahre Ch. Links Verlag", 264 Seiten, Euro 16,90 (ISBN-10: 3861535556).