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Gründungen vor 75 Jahren
Parteien als Feigenblatt für die SED-Alleinherrschaft

Schon kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus entstanden in Deutschland mit Erlaubnis der alliierten Besatzungsmächte wieder Parteien – zuerst in der Sowjetischen Besatzungszone. Doch Demokratie sollte dort von vorneherein nur zum Schein herrschen.

Von Otto Langels | 14.07.2020
    Der Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR Erich Honecker sitzt mit den Vorsitzenden der im sogenannten Demokratischen Block zusammengeschlossenen Parteien und Massenorganisationen zur turnusmäßigen Tagung im Haus des Zentralkomitees der SED.
    Eine Tagung des sogenannten Demokratischen Blocks im Jahr 1986 (dpa-Zentralbild)
    Bereits wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dachten Sozialdemokraten, Kommunisten, Liberale und Christdemokraten über die Neugründung von Parteien nach. Unter dem NS-Regime verfolgt und verboten, wollten sie das wiedererwachende politische Leben in der Sowjetischen Besatzungszone mitbestimmen, ermuntert von dem Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration vom 10. Juni 1945. Darin heißt es:
    "Auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland ist die Bildung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien zu erlauben, die sich die endgültige Ausrottung der Überreste des Faschismus und die Festigung der Grundlagen der Demokratie und der bürgerlichen Freiheiten in Deutschland … zum Ziel setzen."
    Schon einen Tag später meldete sich die KPD als erste politische Partei zu Wort. Walter Ulbricht, einer ihrer führenden Vertreter, erklärte im Rückblick:
    "Der Aufruf der KPD an das deutsche Volk vom 11. Juni 1945 ist der zwingende Beweis, dass sie in Deutschland die geschichtliche Lage richtig erkannte und fähig war, dem Volk den Weg aus dem Chaos zu einem neuen antifaschistisch-demokratischen Deutschland zu weisen."
    Einheitsbekundungen statt Feindschaft
    Die KPD bekannte sich zu bürgerlich-demokratischen Werten und lehnte eine Übernahme des Sowjetsystems für Deutschland ab. Wenige Tage später veröffentlichte die SPD ihr Parteiprogramm und versprach:
    "Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft! Wir sind bereit und entschlossen, hierbei mit allen gleichgesinnten Menschen und Parteien zusammenzuarbeiten."
    Wilhelm Pieck (Mitte, 1876-1960) nach seiner Wahl zum Präsidenten der DDR am 11.10.1949
    7. Oktober 1949 - Gründung der Deutschen Demokratischen Republik
    Als der SED-Vorsitzende Wilhelm Pieck in Berlin die Gründung der DDR verkündete, war die staatliche Teilung Deutschlands besiegelt. Zuvor wurde im Mai in Bonn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet.
    Viele Politiker hatten noch die erbitterte Feindschaft zwischen den Parteien, insbesondere zwischen KPD und SPD vor Augen, die nach ihrer Ansicht zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen hatte. Dies sollte sich auf keinen Fall wiederholen.
    "Die Fahne der Einheit muss als leuchtendes Symbol in der politischen Aktion des werktätigen Volkes vorangetragen werden", hieß es im Gründungsaufruf der SPD.
    Ähnlich äußerte sich kurz darauf Johannes Dieckmann, Mitbegründer der Liberal-Demokratischen Partei, LDPD:
    "Wir werden uns politisch so zu verhalten haben, dass der deutsche Arbeiter niemals wieder in seinem und unserem Vaterland mit Recht Anklage gegen uns erheben kann."
    Während die LDPD eine Sozialisierung von Unternehmen ablehnte, forderte die CDU Ende Juni in ihrem Gründungsaufruf, die Bodenschätze, den Bergbau und andere "monopolartige Schlüsselindustrien" der Staatsgewalt zu unterwerfen:
    "Das unermessliche Elend in unserem Volk zwingt uns, den Aufbau unseres Wirtschaftslebens ohne jede Rücksicht auf persönliche Interessen und wirtschaftliche Theorien in straffer Planung durchzuführen."
    Nicht mehr als Scheindemokratie
    Auf Initiative der Kommunisten bildeten CDU, LDPD, KPD und SPD am 14. Juli 1945 den sogenannten Antifa-Block, die "Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien". Die Parteien blieben formell selbstständig, wollten aber in einem paritätisch besetzten Zentralausschuss Grundsatzfragen beraten und beschließen.
    Otto Nuschke, Mitbegründer der ostdeutschen CDU, erinnerte sich später:
    "Was wäre das wohl für ein Unsinn, wenn wir jetzt Konfession gegen Konfession, Klasse gegen Klasse ausspielen wollten, wo uns die gemeinsame Not auf den Nägeln brennt. Und so ist damals die Blockpolitik begründet worden."
    Doch die proklamierte Einheit und Gleichheit konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die KPD mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsbehörden ihre Macht systematisch ausbaute. Wolfgang Leonhard kam gegen Kriegsende als junger kommunistischer Funktionär mit der Gruppe Ulbricht aus dem Moskauer Exil nach Berlin. Er vernahm damals die Devise Walter Ulbrichts:
    "Er sagte ganz klar, es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."
    Die Kommunisten besetzten Schlüsselpositionen in den neuen Verwaltungen und Behörden und drängten die Sozialdemokraten zur Verschmelzung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei. CDU und LDPD waren als "Blockparteien" nur mehr Feigenblätter für die faktische Alleinherrschaft der SED.