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Grüne Bio-Raffinerie

Auch in Österreich betreiben immer mehr Bauern Landwirtschaft nur noch als Nebenerwerb. Doch mit dem Rückgang der intensiven Rinderhaltung stellt sich nun die Frage: Wohin mit den geschätzten 750.000 Tonnen Grünlandbiomasse, die nun nicht mehr im Magen der Kühe und Rinder landen?

Von Alexander Musik | 09.06.2010
    Bauer Josef Höckner und seine drei Kompagnons interessierten sich schon immer für erneuerbare Energien. Sie bauten 2005 eine Biogasanlage mitten auf ihre Felder rund um die Gemeinde Utzenaich. Ein paar Jahre später stieß Horst Steinmöller, Biotechnologe am Energieinstitut der Linzer Universität, auf die Anlage. Größe und Standort entsprachen genau seinen Vorstellungen. Schnell wurde er mit den Landwirten einig, seine Bioraffinerie an die bestehende Biogasanlage anzudocken. Denn Bauer Höckner sieht darin viel Potenzial für seine Kollegen:

    "Weil die Anfragen in der Richtung sehr, sehr groß sind, es gibt sehr viel Betriebe, die mit Viehwirtschaft aufgehört haben, die mit der Rinderzucht aufgehört haben und für Grassilage keine Verwendung mehr haben, und so etwas wird deshalb in den meisten Gebieten sehr gern aufgenommen, ganz klar."

    Seit einem Jahr liefern Höckner und andere Landwirte aus der Region Grassilage zur Aufbereitung in die Bioraffinerie. Bis zu vier Tonnen täglich werden hier gepresst. Daraus macht die Anlage 100-400 Liter Grassaft und je zehn Liter Milch- und Aminosäure pro Stunde, Inhaltsstoffe für Farben, Kosmetika und die Lebensmittelindustrie. Die ausgepresste Silage, der sogenannte Presskuchen, wird in die Biogasanlage eingespeist, die bislang 500 Kilowatt Stromleistung liefert. Für 14, 5 Cent pro Kilowattstunde nimmt der regionale Energieversorger den Strom ab.

    "Silage ist fermentierter Grünschnitt. So wie Sauerkraut im Prinzip, also milchsauer vergoren. Die Idee war eben, Silage zu verwenden, weil man das ganze Jahr darauf zurückgreifen kann, das heißt, man hat keine Saison",

    sagt der Messtechniker Thomas Raab, einer von fünf jungen Wissenschaftlern, die die Anlage am Laufen halten, Tag und Nacht, worauf auch die Klapp-Betten im Aufenthaltsraum hindeuten. Zwei Wochen Betrieb, eine Woche Datenanalyse. Was sie vorher im Labor ausprobiert hatten, ließ sich im Feldversuch bestätigen, sagt Raab.

    "Wir müssen natürlich drauf achten, dass wir noch energieeffizienter werden. Das heißt, wir dürfen auf keinen Fall mehr Energie verbrauchen bei der Aufarbeitung als in den Endprodukten drin steckt."

    Die Idee, ungenützte Ressourcen wie Gras in seine wertvollen Bestandteile zu zerlegen, ist verlockend, auch wenn die Ökobilanz noch unklar ist. Projektleiter Steinmöller von der Uni Linz sieht die Chancen, ist aber ein nüchterner Wissenschaftler. Die Herausforderung für ihn besteht darin, dass es nirgendwo Vergleichsanlagen gibt. Auch wenn er sich natürlich austauscht: Mit den Niederländern, die Roggen zu Zellulose verarbeiten wollen, mit den Iren, die nicht-fermentiertes Gras einsetzen, und mit einem ähnlichen deutschen Projekt, das noch im Laborstadium ist. Der Presssaft fließt aus zwei 1000 Liter-Tanks durch ein System aus mechanischen und elektrochemischen Filtermembranen.

    "Das ist die sogenannte Ultrafiltrationsanlage. Hier wird alles, was Sie noch an Feinteilen drinnen haben, heraus filtriert, so dass Sie am Ende eine sehr klare Lösung haben."

    Etwa 1, 10 Euro kostet ein Kilogramm Milchsäure am Markt; die Bioraffinerie kann das Produkt für weniger als einen Euro herstellen und ist auch beim Preis für Aminosäuren durchaus wettbewerbsfähig, sagt Horst Steinmöller. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die Demonstrationsanlage zu einer Großanlage ausgebaut wird. Zehn Millionen Euro würden die Investoren - mehrere Energieversorger aus Oberösterreich - in die Großanlage stecken. Dafür wollen sie den Beleg, dass sich die Bioraffinerie rechnet. Den grünen Anstrich der Anlage nehmen sie dabei gerne in Kauf.