Samstag, 20. April 2024

Archiv

Grüne Gentechnik
"Wir brauchen keinen genveränderten Mais"

Der CDU-Europaparlamentarier Karl-Heinz Florenz glaubt nicht, dass gentechnisch veränderter Mais ökonomisch und ökologisch für die Bauern und die Ernährungsindustrie in Europa Sinn macht. Erforderlich sei aber angesichts der Importe beispielsweise aus den USA eine klare Gesetzgebung in der EU, sagte Florenz im Deutschlandfunk.

Karl-Heinz Florenz im Gespräch mit Dirk Müller | 12.02.2014
    Dirk Müller: Wir haben vor einer Stunde bereits über das Thema gesprochen hier im Deutschlandfunk: Pionier 1507. Das ist eine gentechnisch veränderte Mais-Sorte aus den USA. Und die EU-Kommission will den Anbau dieser Sorte jetzt offenbar zulassen, nachdem sich übrigens die zuständigen EU-Minister nicht einigen konnten. Die Deutschen hatten sich in dieser Runde gestern enthalten. – Am Telefon ist jetzt noch einmal CDU-Europaabgeordneter Karl-Heinz Florenz, dort zuständig für Umweltfragen, Gesundheit und die Sicherheit von Lebensmitteln. Noch einmal einen guten Morgen zu Ihnen nach Brüssel.
    Karl-Heinz Florenz: Guten Morgen!
    Müller: Ist die Leitung jetzt gut?
    Florenz: Die Leitung ist gut.
    Müller: Herr Florenz, dann probieren wir das. Ich versuche, die erste Frage zu stellen.
    Florenz: Ja gerne.
    Müller: Wir brauchen ihn nicht, den genmanipulierten Genmais. Das haben Sie gesagt vor einer Stunde, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Warum sieht das die Kommission anders?
    Florenz: Ich bin ja selbst Landwirt und ich kann nicht erkennen, warum wir genveränderten Mais brauchen. Die Kommission weiß natürlich auch, dass hinter dieser gesamten Innovation Gentechnologie noch viel, viel mehr steckt wie nur Lebensmittel, und da möchte sie ganz gerne wohl offensichtlich die Tür offen lassen. Die Entscheidung der Kommission ist aber auch insofern falsch, weil jetzt jedes Land machen kann was es will. Ich lebe an der niederrheinischen Grenze zu den Niederlanden. Die Niederlande lassen zu, Deutschland nicht, und dann geht alles kreuz und quer durcheinander. Diese Entscheidung, einzelstaatlich das zu regeln, ist ein Vehikel, was mir nicht gefällt. Ich glaube, klare Gesetzgebung in dieser Frage auch für die Zukunft wäre viel richtiger.
    "Ganz aussteigen ist auch falsch"
    Müller: Herr Florenz, da muss ich noch mal nachfragen. Wir haben das gestern ja versucht, auch nachzulesen. Da ist darüber spekuliert worden, wenn wir das richtig verstanden haben, dass solche Einzelfall-Regelungen oder länderspezifische Regelungen zu Stande kommen können. Das heißt, die Holländer können sagen, ja, wir machen das, die Friesen können sagen, wir machen es nicht, Sachsen-Anhalt kann sagen, wir machen es, Nordrhein-Westfalen zum Beispiel sagt, wir machen es nicht. Ist das für Sie schon ausgemachte Sache, wenn es so kommt, dass das dann auch Teil des Kompromisses sein wird?
    Florenz: Ja, aber das ist ja wenig glaubhaft. Wer kann das denn an der deutsch-niederländischen Grenze alles überprüfen? Ich glaube, das ist einfach falsch. Da gibt es auch keine Schwarz-Weiß-Regelung. Man muss da wirklich mal intensiver drüber reden, was bringt uns das, und da sehe ich gar nicht mal so die ganz großen Vorteile bei uns in Europa, sondern man kann sich ja vorstellen, dass wir möglicherweise eine Weizensorte bekommen, die nicht 400 Liter Wasser braucht, sondern nur 50 Liter Wasser, und die eines Tages in der Sahel-Zone angebaut werden kann, wo man dann Hunderttausende von jungen Menschen retten kann. Also ausschließen darf man das nicht, das wäre falsch. Ganz aussteigen ist auch falsch, aber wir brauchen eine klare, auch eine harte Regelung. Das würde ich mir von der europäischen Kommission wünschen. Die zaudert da zu viel. Die europäische Regelung kann so hart sein, dass man sagt, nein, wir wollen es nicht, aber wir brauchen eine Regelung, denn die Amerikaner schicken uns gentechnisch veränderten Soja hier rein, jeden Tag, und wir können nichts machen. Das ist doch traurig.
    Müller: Wir können nichts machen, wir haben es ja so gewollt.
    Florenz: Ja, weil wir nicht mutig genug sind. Wir enthalten uns auf der einen Seite, manche Länder wollen es haben, …
    Müller: Und da meinen Sie jetzt Deutschland?
    Florenz: Falsche Strategie.
    "Wir müssen strenge Regeln haben"
    Müller: Wir enthalten uns, Sie meinen Deutschland, Sie meinen Berlin, Sie meinen die Bundesregierung?
    Florenz: Ja gut. Da gibt es halt Regeln, wenn die Regierung sich nicht einig werden kann. Das könnte ich dann ja auch nicht ändern. Aber ich glaube, dass man klare Vorstellungen haben muss, wie wir das seinerzeit in der Medizin hatten. Wir haben uns zurückgezogen, die ganze Technologie ist in den Vereinigten Staaten gemacht worden und jetzt kommen die Medikamente hier hin. Und ich glaube, viel besser wäre, wir haben eine strenge Regelung in Europa, glasklar, transparent. Dann, glaube ich, könnten wir viel besser damit umgehen und wir würden auch den Standort, den Forschungsstandort Europa nicht aufgeben. Einfach Nein sagen ist zu einfach.
    Müller: Herr Florenz, wenn wir das parteipolitisch noch mal ein bisschen sortieren können, ganz kurz, weil da waren gestern auch hier viele in der Redaktion überrascht. Die SPD ist ja dort sehr kritisch eingestellt, die CSU auch, Sie auch, aber viele in der CDU wollen das. Ist das richtig so?
    Florenz: Noch einmal: Als Landwirt brauche ich das Zeug nicht. Aber ein Teil meiner Freunde sagen zurecht, wir sind in Deutschland jetzt auf dem Wege, überall auszusteigen. Wir steigen aus der Atomenergie aus, wir steigen aus Fracking aus, wir steigen aus Gentechnologie auch. Eine Eisenbahn, wo die Menschen nur noch aussteigen, die kann eines Tages stillgelegt werden. Das ist schon gefährlich. Deswegen gehe ich eigentlich den wesentlich komplizierteren Weg und sage, wir müssen strenge Regeln haben, die müssen wir ordentlich diskutieren mit den Bürgern, was wir damit wollen, und da darf nicht einfach nur der Profit von den beiden großen amerikanischen Konzernen stehen, sondern da muss die Weltbevölkerung Vorteile von haben.
    Müller: Aber der Streit liegt in der CDU? Ist das richtig?
    Florenz: Ich weiß nicht, ob das immer ein Streit ist. Warum dürfen wir nicht mal ordentlich miteinander über Themen reden? Ich finde, das ist richtig, wenn wir ordentlich und sauber miteinander über die Vor- und die Nachteile reden, und dann wägen wir ab. Die Kollegen aus dem Süden machen sich das etwas leichter.
    A und B zugleich
    Müller: Mit dem Ergebnis, dass sich die Bundesregierung enthalten hat. Das ist ja offenbar auch nicht in Ihrem Sinne gewesen. – Ich muss Sie noch einmal fragen. Sie sagen ganz klar aus der Perspektive des Praktikers, des Landwirts: wir brauchen das nicht, das hat keinen Sinn. Auf der anderen Seite – und das haben Sie eigentlich jetzt noch nicht klar gesagt – müssen wir dennoch so weit sein, etwas auszuprobieren. Das heißt, nicht auszusteigen. Das heißt, Sie sagen A und B zugleich?
    Florenz: Ja. Aber ich kann doch gerne sagen, dass die Landwirtschaft das im Moment nicht braucht in Europa. Das ist so. Das wird auch nicht bestritten. Aber es kann durchaus Entwicklungen in der Gentechnologie geben, bei Getreide, wie ich das gerade geschildert habe, wo in anderen Regionen, wo heute jede Pflanze verdorrt, durchaus eine Pflanze wachsen kann und der Menschheit da wirklich gut geholfen wird. Da gibt es schon sehr große Entwicklungsmöglichkeiten und die darf Europa sich auch nicht verschließen.
    Müller: Aber Nein in Europa, Nein in Europa, das ist für Sie klar?
    Florenz: Nein! Ich würde eher sagen, sehr strenge Regeln in Europa. Im Moment haben wir nur Nein gesagt in Europa. Sie sehen ja, wie schwer sich die Kommission tut. Wir haben keine anständigen Regeln, auch nicht für die Forschung. Ein großes deutsches Unternehmen ist ja gerade in die USA abgewandert, und das ist eigentlich falsch. Die machen das jetzt in den USA bei laxeren Regeln und dann kommen die Produkte hier hin, und genau das will ich nicht. Ich möchte, dass sie hier kritisch geprüft werden, dass hier auch oft dann bei den Einzelzulassungen Nein gesagt wird. Aber wenn wir uns nur auf Nein verständigen, machen das andere, ohne dass wir einen Einfluss haben.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Europapolitiker Karl-Heinz Florenz. Danke für das Gespräch, auf Wiederhören nach Brüssel.
    Florenz: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.