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"Grüne" Produktion von Nylon
Durchbruch bei Entwicklung Lachgas-freier Verfahren

Bei der Produktion von Nylon entstehen bis heute riesige Mengen Lachgas, ein schädliches Treibhausgas. In der Fachzeitschrift "Science" beschreiben Chemiker heute einen neuen Reaktionsweg, bei dem der verpönte Stoff nicht mehr entstehen soll.

Von Volker Mrasek | 22.12.2014
    Nylon war die erste reine Kunstfaser. Der Chemie-Konzern DuPont brachte sie schon 1939 auf den Markt. Seither produziert die Industrie den Massen-Kunststoff aus einer Vorstufe namens Adipinsäure, die wiederum erst synthetisiert werden muss. Bei dieser Reaktion entsteht unweigerlich Lachgas und entweicht in die Atmosphäre. Das sei doppelt schlecht, beklagt Kuo Chu Hwang, Professor für Chemie an der Tsing-Hua-Universität in Taiwan:
    "Dieser Industrieprozess allein verursacht fünf bis acht Prozent der weltweiten Emissionen von Lachgas. Und Lachgas ist sowohl ein Treibhausgas wie auch schädlich für die Ozonschicht der Erde. Deshalb wird schon länger nach einem "grüneren" Herstellungsweg für Adipinsäure gesucht."
    Hwang, der seinen Doktor der Chemie an der Columbia University in New York City machte, glaubt ihn jetzt gefunden zu haben: Einen Reaktionsweg für Adipinsäure, bei dem überhaupt kein Lachgas mehr entsteht. Der Ansatz geht von dem gewohnten Rohstoff aus. Es ist Cyclohexan, ein ringförmiges Kohlenstoffmolekül. Das muss oxidiert werden. Im klassischen Industrieprozess geschieht das unter Zugabe von Salpetersäure, wobei sich aber das unerwünschte Lachgas bildet. Hwangs Arbeitsgruppe zeigt jetzt, dass man für die Oxidation auch Ozon und ultraviolettes Licht nehmen kann.
    "Wir können unsere Reaktion bei ganz normaler Raumtemperatur durchführen und produzieren überhaupt kein Lachgas. Der übliche Industrieprozess ist viel aufwendiger: Er benötigt einen Katalysator, hohe Temperaturen um 125 Grad Celsius und außerdem große Mengen Salpetersäure, die zur Korrosion der Reaktoren führen. Unser Prozess dagegen läuft unter sehr milden Bedingungen."
    Synthesen erwiesen sich als zu kostspielig
    Das neue Verfahren sei auch bezahlbar, betont Hwang. Es könne die Produktion von Adipinsäure sogar verbilligen. Dies sei ein wichtiger Anreiz für die chemische Industrie, wie der Grundlagenforscher sagt. Daran sind frühere Konzepte für eine grüne Produktion von Nylon nämlich gescheitert. Es gab sie durchaus. Und sie hätten vielleicht auch funktioniert. Doch diese Synthesen erwiesen sich als zu kostspielig. Zum Beispiel die Idee, Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel zu verwenden. Oder auch die biotechnologische Umsetzung von Traubenzucker zu Adipinsäure, mithilfe von Enzymen. Alles nicht verwirklicht, da zu teuer.
    Ozon und UV-Lampen dagegen kosteten nicht viel, so Hwang, der übrigens von einer "Zufallsentdeckung" spricht:
    "Das haben mich auch die Herausgeber von "Science" gefragt, wo unsere Studie jetzt erscheint: Wie ich eigentlich auf die Idee für den neuen Reaktionsweg gekommen bin. Nun, in der Atmosphäre sind Ozon und UV-Strahlung auch gemeinsam vorhanden und bauen dort organische Schadstoffe ab. Außerdem verwendet man sie bereits, um zum Beispiel Industrieabwässer zu reinigen. Da hab' ich mir gesagt: Testest Du doch 'mal, ob man mit Ozon und UV-Licht nicht auch den Ausgangsstoff für Adipinsäure oxidieren kann."
    Alternative Ausgangspolymere, die dann zu Nylon verknüpft werden
    Auch deutsche Forscher sind an dem Thema dran. Biotechnologen der Universität Saarbrücken veröffentlichten vor Kurzem eine Studie, wonach sie ebenfalls einen neuen Reaktionsweg für Nylon gefunden haben, und zwar ohne den Einsatz fossiler Rohstoffe. Und auch ohne den Weg über Adipinsäure. Genetisch veränderte Bakterien produzieren dabei alternative Ausgangspolymere, die dann zu Nylon verknüpft werden - durch Reaktion mit einer Säure, die aus Rizinusöl gewonnen werden kann. Noch muss man aber sagen: Es handelt sich hier um universitäre Grundlagenforschung und Laborexperimente. Als nächstes braucht es Pilotanlagen. Um zu demonstrieren, dass die Verfahren auch im größeren Maßstab funktionieren und bezahlbar sind. Erst dann könnte man sich den Bau industrieller Großanlagen für Nylon ohne Lachgas vorstellen. Eine Entwicklung, die schon noch Jahre in Anspruch nehmen würde.