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Vor 175 Jahren geboren
Ludwig II. - der bayerische "Märchenkönig"

König Ludwig II. lebte in einer schillernden Traumwelt und ließ zahlreiche Schlösser bauen. Sie lassen deutlich erkennen, dass der Herrscher das absolutistische Königtum des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. idealisierte. Dass mittlerweile andere Zeiten angebrochen waren, interessierte den Bayernkönig nur wenig.

Von Carola Zinner | 25.08.2020
    Schloss Neuschwanstein bei Schwangau im Ostallgäu. Das auch als Märchenschloss bezeichnete Gebäude wurde im Auftrag von König Ludwig II. von Bayern im 19. Jahrhundert errichtet.
    Mit seinen zahlreichen Schlössern, hier Neuschwanstein, erschuf sich der bayerische König Ludwig II. eine Traumwelt. Heute gehören die Bauwerke zu den größten Touristenmagneten in Bayern. (picture-alliance / Stefan Puchner)
    Zitat: "Ein ewiges Rätsel will ich bleiben mir und anderen!"
    König Ludwig der Zweite von Bayern umgab sich gerne mit der Aura des geheimnisvollen. Und genau dafür, sagt der Historiker Ferdinand Kramer, lieben ihn seine Anhänger bis heute. "In einer Zeit, in der die Menschen sehr stark in Funktionalitäten hineingedrängt werden, ist das Anders-Sein des Königs offensichtlich was, was viele Menschen interessiert."
    Ludwig wurde am 59. Geburtstag seines Großvaters geboren
    Und es war vieles anders. Das begann schon kurz nach der Geburt. Denn wie eine Notiz der jungen Mutter, Marie von Preußen, verrät, verlief die Namensgebung nicht ganz reibungslos.
    Zitat: "Das Kind hieß einige Tage lang Otto."
    Eine Verehrerin hält eine Holztafel mit dem Bild von König Ludwig II.
    König Ludwig II. von Bayern und eine seiner - heutigen - Verehrerinnen (dpa / Lukas Barth)
    Doch da der Kleine ausgerechnet am 25. August des Jahres 1845 zur Welt gekommen war, dem 59. Geburtstag seines königlichen Großvaters Ludwig des Ersten, bestand dieser darauf, dass es sich hier nicht um einen Otto handelte, sondern natürlich um einen Ludwig. Schon bald stellte der König zufrieden fest, dass der namensgleiche Enkel auch die gleichen Interessen entwickelte wie er selbst.
    Zitat: "Bei der Christbescherung bekam Ludwig das Siegestor aus Baustein-Holzen. Zu bauen liebt er es, (…) Ich erkenne auffallende Ähnlichkeit im künftigen Ludwig dem Zweiten mit Ludwig dem Ersten."
    Der König war schön wie ein junger Gott
    Die Thronbesteigung Ludwigs des Zweiten hat der Großvater später tatsächlich noch miterlebt. Er selbst, der alte Ludwig, hatte ja im Revolutionsjahr 1848 abdanken müssen – nicht zuletzt wegen seiner ausufernden "Weiberg´schichten", wie die Bayern die Liebschaften ihres unternehmungslustigen Königs respektlos nannten. Sein Nachfolger auf dem Thron war der Sohn Maximilian, und nach dessen frühem Tod folgte dann der erst 18-jährige Enkel: Ludwig der Zweite, wie der Großvater blitzgescheit, technikaffin, baubegeistert und ein Liebhaber der Künste. Und dazu noch – und das war nun anders als bei Ludwig dem Ersten – schön wie ein junger Gott. Kurzum, eigentlich die Idealbesetzung für ein Land, das zwar weder militärisch noch wirtschaftlich viel auf die Beine brachte, jedoch in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu einem Zentrum der Wissenschaft und Künste geworden war.
    Das Schloss Neuschwanstein steht oberhalb von Hohenschwangau bei Füssen im südöstlichen bayerischen Allgäu. Die Architektur und Innenausstattung sind vom romantischen Eklektizismus des 19. Jahrhunderts geprägt; das Schloss gilt als ein Hauptwerk des Historismus.
    Grundsteinlegung vor 150 Jahren - Neuschwanstein, das Schloss aller Schlösser
    Das Schloss Neuschwanstein gilt als Höhepunkt bajuwarischer Kitschkultur. Am 5. September 1869 erfolgte auf Geheiß des Königs Ludwig II. die Grundsteinlegung. Die Fertigstellung des Prachtbaus hat der Bayernkönig jedoch nie erlebt. Dafür aber die zahlreichen Probleme beim Bau.
    Allerdings wies der junge König auch einige weniger erfreuliche Eigenschaften des Großvaters auf: die enorme Starrköpfigkeit etwa und ein gigantisches Machtbewusstsein. Und das, obwohl es seit 1871, als Bayern Teil des Deutschen Reiches wurde, nicht mehr weit her war mit dieser Macht.
    Ferdinand Kramer: "Wenn das Land Souveränität verliert, verliert der König an Souveränität, und das war mit seinem Idealbild eines Königs kaum vereinbar. Und ist ja deutlich erkennbar, dass nach der Reichseinigung der Weg in seine 'anderen Welten' immer deutlicher konturiert wurde."
    Die Schlösser sollten nach seinem Tod abgerissen werden
    Dabei war Ludwig der Zweite selbst es gewesen, der Preußens König Wilhelm schriftlich im Namen der deutschen Fürsten die Kaiserkrone angedient hatte. Freilich nicht ganz ohne Gegenleistung: Bismarck hatte ihm heimlich als Dank dafür – man könnte auch sagen, als Bezahlung – Millionen zukommen lassen. Geld, das samt und sonders in die Errichtung der verwegenen Prachtschlösser floss, die der Herrscher in abgelegenen, wildromantischen Regionen Bayerns erbauen ließ. Übrigens, wie die Historikerin Katharina Weigand betont, in ganz anderer Absicht als sein namensgleicher Vorgänger. Dessen Bauten gedacht waren zur Erhebung und Bildung des Volkes.
    Katharina Weigand: "Ludwig II. hat nur für sich gebaut. Der hat Schlösser gebaut, die nach seinem Tod abgerissen werden sollten. Der eine fürs Königreich - der andere für seine eigenen persönlichen Marotten."
    Herrenchiemsee, Linderhof, Neuschwanstein: Ludwigs Schlösser wirken wie zu Stein gewordene Träume, umwoben von der Musik Richard Wagners, dessen Opern der "Märchenkönig" als Leitfaden nahm für sein eigenes Handeln und Streben. Da war schon bald kein Platz mehr für die unerquicklichen Niederungen des Alltags. Auf der Flucht vor der Realität zog sich der selbstverliebte Monarch immer weiter zurück in die Sphären seiner royalen Allmachts-Phantasien - um schließlich darin unterzugehen.