Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Grünen-Chef Bayern: Eigenständigkeit der Partei muss herausgestellt werden

Die Grünen sollten im Bundestagswahlkampf als eigenständige Kraft wahrgenommen werden, das fordert Dieter Janecek. Er bekräftigt die Koalitionsaussage mit der SPD, jedoch solle seine Partei grün und nicht rot-grün sein. Der bayerische Landeschef gehört zu den Mitinitiatoren des Änderungsantrags zum Wahlprogramm.

Dieter Janecek im Gespräch mit Mario Dobovisek | 27.04.2013
    Mario Dobovisek: Sie spielen mit dem Feuer, die Grünen – diesen Eindruck jedenfalls könnte der geneigte Beobachter beginnen, der die Steuerdebatte in der Partei verfolgt: 180.000 oder gar nur 60.000 Euro Jahreseinkommen pro Haushalt, ab dann könnte der Spitzensteuersatz von 49 Prozent greifen. Darüber diskutiert, ja streitet die Partei bereits seit Tagen. Die einen wollen die Reichen schröpfen, die anderen, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann fürchtet um den Mittelstand, ja, um ihre eigene Wählerschaft, die durchaus wohlhabende, aber damit nicht automatisch superreiche grüne Mitte. Seit gestern Abend beraten die Grünen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin über ihr Wahlprogramm und über die Nähe zur SPD. Zoff um Wahlprogramm der Grünen(MP3-Audio) Korbinian Frenzel berichtet.
    Aus Berlin vom Grünen-Parteitag der Bericht von Korbinian Frenzel. Und eben dort begrüße ich Dieter Janecek, er ist Vorsitzender der Grünen in Bayern und bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Janecek!

    Dieter Janecek: Guten Morgen, hallo!

    Dobovisek: Wir kämpfen in diesem Bundestagswahlkampf für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD, so heißt es nun im Wahlprogramm der Grünen. Was ist aus Ihrer Sicht falsch an dieser Formulierung, die Sie ja gestern mit einem Antrag ändern wollten?

    Janecek: Gut, wir haben im Wahlprogramm eine klare Aussage für die SPD als Koalitionspartner, es gab aber auch manche, die gesagt haben, müssen wir das so deutlich formulieren, dass wir einen rot-grünen Wahlkampf, also an Seit mit der SPD so führen, und das ist einfach eine Frage des Selbstbewusstseins der Grünen. Wir in Bayern zum Beispiel sehen in den Milieus, in denen wir unterwegs sind, von den Landwirten bis zum Mittelstand, dass es auf Lösungen ankommt, dass die Grünen als eigenständige Kraft wahrgenommen werden, und das wollten wir noch deutlicher formulieren, und mit 40 Prozent fast haben wir ja auch recht bekommen gestern.

    Dobovisek: Haben Sie Angst vor dem Abwärtssog des Peer Steinbrück?

    Janecek: Ich habe da weniger Angst vor, aber ich habe ein Selbstbewusstsein, dass die Grünen sagen können, wir sind eine Partei, die Inhalte formuliert, von der Energiewende bis zur besseren Bildung, und die anderen sollen sich nach uns richten, nicht wir nach den anderen.

    Dobovisek: Ist das also jetzt ein doch rot-grüner Wahlkampf, der uns bevorsteht?

    Janecek: Es ist zumindest ja so, dass wir den Wählerinnen und Wählern klar sagen, wo wir hinwollen, das ist mit der SPD am Schluss, aber es ist auch ganz klar, dass die Grünen sagen, wir sind nicht rot-grün, wir sind vor allem grün. Liebe Wählerinnen und Wähler, schaut unsere Inhalte an und entscheidet dann.

    Dobovisek: Wie nahe stehen denn Sie Grüne zum Beispiel in Bayern auch der Union?

    Janecek: Da gibt es keine Nähe, die wir betonen wollen, aber es ist in der Tat so, wenn Sie zum Beispiel in den ländlichen Raum schauen, dass die Menschen kein Lagerdenken haben. Wir wollen Inhalte beantwortet sehen bei der Agrarwende, bei der Nachhaltigkeit, bei der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft, und da geht es weniger darum, zu sagen, Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb, da geht es darum, zu sagen, wie schaffen wir das zum Beispiel, Ressourcen leicht zu wirtschaften.

    Dobovisek: Ihre Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt sieht das offenbar ein bisschen anders, sie sieht kaum Anknüpfungspunkte mit der CDU und der CSU, will im Prinzip kein Juniorpartner werden unter der Union. Das sehen Sie dann doch anders?

    Janecek: Die Union hat sich in der Tat ja auch entfernt von uns, wenn man sich zum Beispiel anschaut, Betreuungsgeld oder auch Adoptionsrecht für Lesben und Schwule, auch Peter Altmaier, was er sagt zur Strompreisbremse, wo Investoren im erneuerbaren Bereich ausgebremst werden.
    Aber darum geht es nicht, die Grünen müssen begreifen, dass sie zum Beispiel in Baden-Württemberg ja auch das Vertrauen bekommen haben, was sie haben, weil sie gesagt haben, wir stehen verlässlich für eine Politik der Energiewende, für ökologische Modernisierung, wir machen das deutlich und sagen, lasst uns bitte Stimmen gewinnen, lasst uns dann nach der Wahl schauen, dass die anderen sich nach uns richten.

    Dobovisek: Aber eine Koalition mit der Union wollen Sie nicht ausschließen?

    Janecek: Ausschließen wollen wir gar nichts, aber wir wollen auch ganz klar deutlich machen, wer uns wählt, kriegt bestimmte Inhalte. Und das ist zum Beispiel die Energiewende, und das ist zum Beispiel die Energiewende, und das ist auch die Frage einer gerechten Steuerpolitik.

    Dobovisek: Kommen wir zum Hauptthema der Grünen auf dem Parteitag heute, zu den Steuern: Es geht um den Spitzensteuersatz, eine Reichensteuer und auch eine Reichenabgabe. Eine zu hohe Gesamtbelastung hält Winfried Kretschmann für problematisch, sagt er und spricht von Maß und Mitte. Ab wann ist aus Ihrer Sicht die steuerliche Belastung eines Haushaltes zu hoch?

    Janecek: Ja, wir müssen schauen, dass wir zum Beispiel den Mittelstand nicht überfordern, deswegen haben wir auch hohe Freibeträge bei der Vermögensabgabe vorgesehen. Das heißt, erst ab fünf Millionen haben wir überhaupt einen Betrag, der greift. Auch bei den Familien müssen wir sehen, Familien zum Beispiel in München-Mitte oder Hamburg haben eine andere Belastungsfähigkeit, als das vielleicht im ländlichen Raum ist. Deswegen muss man da auch Maß und Mitte halten, da stimme ich Winfried Kretschmann völlig zu. Nichtsdestotrotz müssen wir aber auch Investitionen ermöglichen im Bereich Bildung, Energie, Klimaschutz, und deswegen ist es auch richtig, Vermögende heranzuziehen.

    Dobovisek: Ab wie viel Haushaltseinkommen pro Jahr gilt für Sie ein Haushalt, eine Familie für reich?

    Janecek: Das kann man schwer so beziffern, weil Sie ja nicht die Lebenshaltungskosten 1:1 in Deutschland gleich haben, aber ich denke mal, ab 80.000 Euro brutto ist jemand schon durchaus wohlhabend in Deutschland.

    Dobovisek: Das heißt, ab dann kann der Spitzensteuersatz von 49 Prozent gelten, den Sie ja offenbar einführen wollen?

    Janecek: Das finde ich auch richtig, also ab 80.000 Euro kann man das greifen lassen, ja.

    Dobovisek: Sind die Grünen damit eine Steuererhöhungspartei?

    Janecek: Das ist eine Begrifflichkeit. Uns geht es ja darum, zu investieren, auch in Klimaschutz, in Bildung, Infrastruktur, das kostet auch Geld, das nutzt uns auch allen. In Skandinavien können Sie auch sehen, wie das funktioniert. Insofern, ja, wir sagen unseren Wählerinnen und Wählern auch, ab einem bestimmten Einkommen wollen wir auch stärker belasten.

    Dobovisek: Wie wollen Sie das Ihren Wählern klarmachen, wenn gleichzeitig die Union jetzt sagt, sie werde auf keinen Fall nach den Wahlen die Steuern erhöhen?

    Janecek: Ja, das halte ich ja für eine populistische Aussage. Es geht ja darum, auch zu sagen, wo können wir Schulden abbauen, zum Beispiel mit der Besteuerung höherer Vermögen, wie können wir in Klimaschutz und Bildung investieren, und wen können wir dafür ranziehen. Das werden natürlich vor allem die Einkommen sein, die im vermögenden Bereich sind. Umgekehrt sagen wir ja auch, alle Einkommen unter 60.000 Euro brutto werden entlastet. Also da haben wir ein ganz klares Programm.

    Dobovisek: In Berlin beraten die Grünen auf ihrem Parteitag über ihr Wahlprogramm. Dieter Janecek, Landesvorsitzender der Grünen in Bayern. Ich danke Ihnen für das Interview!

    Janecek: Vielen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.