Freitag, 29. März 2024

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Dresdner Ausstellung würdigt A. R. Penck
Der Ruhm aus der Sicht des Künstlers

Anfang Mai 2017 starb der deutsche Maler, Grafiker und Bildhauer A. R. Penck. Bisher hat sich seine Heimatstadt Dresden nicht zu einer Rückschau im Gedenken an das Multitalent durchringen können. Zwei Kuratorinnen haben deshalb im Residenzschloss eine kleine Hommage an eine große Ost-West-Künstlerkarriere eingerichtet.

Von Carsten Probst | 01.01.2018
    A. R. Penck beim Improvisieren in Dresden im Jahr 1979
    Penck hatte vielfache Interessen an Musik, Naturwissenschaft, Film, Performance und Lyrik. 1979 improvisierte er in Dresden (Atelier Volker Tenner / Staatliche Kunstsammlung Dresden)
    "Der Osten hat mich ausgespuckt, der Westen noch nicht gefressen", so heißt es in einem Gedicht, von A. R. Penck aus dem Jahr 1982. Es gehört zu der achtteiligen Bilderserie "Die Acht Erfahrungen", einem der aufschlussreichsten Werke in dieser kleinen, hoch konzentrierten Penck-Hommage im Dresdner Residenzschloss. Zwei Jahre lebte der Künstler damals nach seiner Ausweisung aus der DDR bereits in Westdeutschland, und obwohl er vorher schon über seinen Galeristen Michael Werner im Westen Bilder verkauft hatte, fühlte er sich im vermeintlichen Land der Freiheit auch nicht besonders wohl, wie Kuratorin Claudia Schnitzer sagt.
    "Es ist natürlich etwas anderes, im Osten eine kritische Haltung einzunehmen als im Westen. Er ist eigentlich genauso angeeckt wie im Osten."
    Im Saal gibt es eine Ost- und eine Westseite
    Pencks Rollenwechsel vom Künstler Ost zum Künstler West ist der zentrale Punkt in seiner künstlerischen Biografie. Auf ihn konzentriert sich diese Ausstellung mit ihren rund 40 Werken. Die beiden Kuratorinnen Claudia Schnitzer und Konstanze Rudert haben den kleinen Saal dafür in eine Ost- und eine Westseite geteilt. "Die Acht Erfahrungen" hängen auf der Westseite, weil sie im Westen produziert wurden, auch wenn Penck sie sofort wieder an das Kupferstich-Kabinett nach Dresden schenkte. Dessen Direktor Werner Schmidt war einer der wichtigsten institutionellen Unterstützer von unabhängiger Kunst in der DDR. Schon vor 1989 hatte Schmidt weit über 200 Arbeiten von Ralf Winkler, wie Penck ursprünglich hieß, für das Kupferstich-Kabinett gekauft. Die acht Drucke der "Acht Erfahrungen" wirken 1982 nun wie ein verrätselter Bericht Pencks aus dem neuen Leben an die alten Freunde, ein Leben mit neuen individuellen Freiheiten, aber Beschränkungen anderer Art:
    "Im Westen hatte er plötzlich das Gefühl, er wird bewertet, er wird ins Verhältnis zu anderen Künstlern gesetzt, er muss einen eigenen Stil finden, weil er muss vielleicht auch den Kunstmarkt bedienen, also es hat ein paar Jahre gedauert, bis er da eigentlich auch seine eigene Position gefunden hat."
    Vögel lassen sich in Pencks Werk zuweilen als Symbole der Freiheit interpretieren, und auf einem der Drucke ist ein großer skelettierter Vogel zu sehen, der scheinbar eine Menschenfigur auf den Kopf dreht. Auf einem anderen Bild ist eine tanzende Frauenfigur und auf einem weiteren eine Figur in einem dschungelartigen Dickicht zu sehen, das auch auf dem Werk "Ich im Westen" von 1985 zu finden und wohl als Sinnbild für das Leben in der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen ist.
    Eine intim gehaltene Erinnerung an den prominenten Künstler
    Auf der Ostseite des Ausstellungssaales hängen indes teils sehr frühe Bilder Pencks, die Werner Schmidt auch frühzeitig für das Dresdner Kupferstich-Kabinett erworben hat. Pencks Ost-Zeit ist geprägt von seinem Bemühen und seinem Scheitern, sich den Regeln in der sozialistischen Gesellschaft anzupassen und von seinen vielfachen Tätigkeiten und Interessen an Musik, Naturwissenschaft, Film, Performance und Lyrik und von der schrittweisen Entwicklung seiner eigenen künstlerischen Sprache, die dann in Westdeutschland so ganz anders gelesen werden sollte als in der DDR:
    "Witzig finde ich eigentlich bei Penck, dass er sich ja nach dem Eiszeitforscher und Geologen Albrecht Penck benannt hat, und er wollte eben eine Bildsprache entwickeln, die für jeden verständlich ist, ob Kind, ob Erwachsener, ob Mann, ob Frau, und gleichzeitig natürlich ist es so eine Anspielung auf den Kalten Krieg, auf die Eiszeit."
    Claudia Schnitzers und Konstanze Ruderts Initiative für diese intim gehaltene Erinnerung an den prominenten Künstler ist auch ein Zeichen an die Stadt selbst. Dort hat seit September dieses Jahres der Dresdner Bilderstreit gerade auch bei den Staatlichen Kunstsammlungen für erheblichen Wirbel gesorgt, seit ihnen und ihrer aus Westdeutschland gekommenen Generaldirektorin Marion Ackermann vorgeworfen wird, die Kunst aus der DDR in die Depots zu verbannen und gleichsam westliche Siegerkunstgeschichte schreiben zu wollen. Ein kurioses Kapitel darin wäre allerdings, wenn ausgerechnet A. R. Penck, der weder hüben noch drüben wirklich heimisch wurde, in diesem spezifisch sächsischen Ost-West-Konflikt zum symbolischen Vermittler würde.