Freitag, 29. März 2024

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Spitzentreffen zum Handelsstreit
"Trump ist unbeirrbar"

Die EU könne eine Eskalation des Handelskriegs mit den USA nicht verhindern, sagte Handelsexpertin Claudia Schmucker im Dlf. Trotz Kritik der eigenen Industrie plane Trump Automobilzölle und sei nur zu überzeugen, wenn es der amerikanischen Wirtschaft schlecht gehe - doch der gehe es derzeit sehr gut.

Claudia Schmucker im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 25.07.2018
    Die Fahnen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wehen nebeneinander am 04.03.2017 in Nizza (Frankreich) im Wind. Foto: Jens Kalaene/dpa | Verwendung weltweit
    Die Europäische Union habe Donald Trump nie richtig verstanden, sagte Claudia Schmucker von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Dlf. Und Jean-Claude Juncker werde ihn nicht überzeugen können, die Zölle nicht einzusetzen. (dpa-Zentralbild)
    Jessica Sturmberg: Was kann ein Gespräch zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump bringen? In gut eineinhalb Stunden sitzen die beiden zusammen. Erst unter vier Augen, später kommen dann noch EU Handelskommissarin Cecilia Malmström und ihr US-Pendant Wilbur Ross, Finanzminister Steven Mnuchin und Wirtschaftsberater Larry Kudlow dazu.
    Zwei Stunden, in denen es darum geht: Spitzt sich jetzt alles zu oder bekommen die EU-Vertreter die Kuh noch vom Eis? Darüber habe ich vor der Sendung mit Claudia Schmucker von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gesprochen. Sie ist dort zuständig für das Thema globale Handelsbeziehungen und meine erste Frage: Ist dieses Spitzentreffen die letzte mögliche Ausfahrt vor dem Handelskrieg?
    Claudia Schmucker: Wir befinden uns schon in einem Handelskrieg. Was wir gerade versuchen ist, eine Eskalation des Handelskriegs zu vermeiden, weil er gedroht hat, Zölle von 25 Prozent auf die Automobilimporte zu erheben. Das betrifft einen deutlich größeren Anteil des Handels. Das ist für die EU deutlich wichtiger als die Stahl- und Aluminiumzölle. Und die Frage ist: Hört er da auf oder gibt es noch weitere Zölle? Das heißt: Wir befinden uns schon in einem Handelskrieg, aber schaffen wir es zu vermeiden, dass es weiter eskaliert?
    "Die Europäische Union hat er nie richtig verstanden"
    Sturmberg: Und? Schaffen wir das?
    Schmucker: Wir werden es nicht schaffen. Wir sind die falschen Personen, um ihn davon zu überzeugen, diese Zölle nicht einzusetzen.
    Sturmberg: Nicht Sie und ich, sondern wir sprechen jetzt …
    Schmucker: Die EU.
    Sturmberg: Genau.
    Schmucker: Die EU, Herr Juncker, wo er nicht versteht, welches Amt diese Person inne hat. Er spricht sehr gerne auf Ebene der Staaten mit Macron oder auch mit Merkel. Die Europäische Union hat er nie richtig verstanden. Er weiß auch nicht, wie bedeutend diese Position ist. Das einzige, was ihn überzeugen könnte, sind seine eigenen Anhänger und die amerikanische Industrie.
    Aber selbst das ist zweifelhaft, weil er wollte ja diese Automobilzölle erheben und wir hatten jetzt eine Anhörung vor dem Wirtschaftsministerium, in der bis auf eine Person alle gesagt haben, wir wollen diese Zölle nicht, die schaden der amerikanischen Industrie. Das waren nicht ausländische Produzenten, sondern amerikanische Firmen. Und trotzdem ist er geneigt, diese Zölle einzusetzen. Er hat gerade vor kurzem getwittert, Zölle sind super. Er ist trotzdem bereit, das zu machen, obwohl die eigene Industrie sagt, sie wollen es nicht. Trump ist unbeirrbar, außer es geht der amerikanischen Wirtschaft schlecht. Der amerikanischen Wirtschaft geht es aber unter anderem wegen seinem Steuerprogramm sehr gut. Und außer, die Wähler wählen ihn nicht mehr.
    "Alle Angebote, die man macht, will er als Gewinn verkaufen"
    Sturmberg: Interessanterweise hat er nach diesem Tweet, den Sie jetzt gerade erwähnt haben, wo er noch mal davon sprach, dass Zölle das Beste seien - im Original heißt es da "tariffs are the greatest", noch mal einen Tweet abgesetzt, wo er schreibt, er hätte die Idee, dass man Zölle völlig abschaffen könnte. Das ist ja im Grunde Feuer und Wasser. Wie passt das zusammen?
    Schmucker: Er will Erfolge haben. Die will er auch vermitteln können. In dem Moment, wo die EU sagt, wir werden alle Zölle streichen auf Automobile - darauf hat er sich nun eingeschossen - oder Industriezölle, kann er vor den Midterm-Wahlen zu seinen eigenen Leuten gehen und sagen, ich hab’s geschafft. Die EU war unser Gegner, sie hat eine schreckliche Handelspolitik geführt, das wissen wir seit Jahren, und dank mir und dank meinen Zöllen öffnet sie sich. Das heißt: Alle Angebote, die man macht, will er als Gewinn verkaufen. Die Strafzölle sind ein Gewinn, weil er sagt, endlich zeigen wir es denen. Wenn sie jetzt ihre Zölle senken, kann er sagen, ein weiterer Gewinn, dank meiner wunderbaren Strafzölle sind sie endlich bereit, auf alles zu verzichten, was amerikanische Exporte behindert.
    "Wir haben ganz unterschiedliche Vorstellungen, was ein Handelsabkommen machen soll"
    Sturmberg: Angenommen es käme tatsächlich dazu, dass man sich darauf verständigen könnte, man schafft die Zölle ganz ab - die Frage ist: Ist das überhaupt realistisch, dass man dahin übereinkommen könnte? Die Rede war zwischenzeitlich auch von einem TTIP Light-Angebot seitens der EU. Und wenn ja, was würde das dann wirtschaftlich bedeuten?
    Schmucker: Es ist so, dass Zölle im Prinzip relativ niedrig sind im transatlantischen Handel. Es gibt immer einige Spitzenzölle. Die sind vor allem in der Landwirtschaft. Wir haben jetzt den Automobilsektor, da haben wir zehn Prozent Zoll; den könnten wir theoretisch auch abschaffen. Wir sind einfach wettbewerbsfähig. Allerdings wäre es einfach WTO-widrig. Wir können nicht einfach mit den Amerikanern die Zölle senken. Wir sind beide Mitglied bei der WTO; das müssten wir im Prinzip allen zugestehen. Das ist das Meistbegünstigungsprinzip.
    Wenn wir ein Freihandelsabkommen schließen, sagt die WTO, es muss fast den gesamten Handel umfassen. Wir können nicht einfach uns irgendeinen Sektor rausnehmen und sagen, das machen wir unter uns, das ist auch ein schöner, einfacher Sektor, aber wir lassen alles andere gleich. Unter WTO-Regeln wäre das WTO-widrig, so eine Art von bilateralem Abkommen.
    Deswegen hat man gesagt, Industriegüter-Abkommen könnte man überlegen, weil der Industriegüter-Handel so groß ist, dass er fast den gesamten Handel umfasst.
    Das sind alles Gedankenspielereien. Die kommen hauptsächlich aus Deutschland, weil diese Automobilzölle uns vor allem treffen würden. Wir haben aber gerade mit Frankreich -eigentlich ja unser engster Partner - auch jemand, der sagt: So verhandeln wir gar nicht, wir bieten überhaupt nichts an, unter Druck schon mal gar nicht, wir müssen jetzt zeigen, dass wir einig sind und dass sie uns nicht zu irgendwas drängen können.
    Das zweite ist: Trump hat eine geringe Aufmerksamkeitsspanne. Wenn er sagt, wir wollen die Zölle senken, dann möchte er das morgen haben, am besten vor den Midterm-Wahlen. Und er möchte, wenn er TTIP vorschlägt, auch das gerne bis zur nächsten Wahl haben. Das heißt: Wenn wir jetzt noch mal TTIP auf die Agenda setzen, abgesehen von dem riesen Protest, den wir erneut in Deutschland hätten, das dauert ja noch viel länger, weil wir ganz unterschiedliche Vorstellungen haben, was ein Handelsabkommen machen soll. Für Trump bedeuten Handelsabkommen, auch Industrieabkommen, dass die anderen ihre Märkte öffnen für amerikanische Produkte und das amerikanische Defizit zu einem Überschuss wird. Wir wollen über Standards, über Regeln, über ganz viele Themen verhandeln - mit jemandem, der diese Werte, die wir haben, überhaupt nicht teilt.
    "Den USA geht es sehr gut"
    Sturmberg: Wenn der Druck von innen kommt und die amerikanische Automobilindustrie sagt, das schadet uns mindestens genauso und wir haben damit ein Problem, dann wäre doch mal interessant: Ab wann würden denn diese kurzfristigen bis hin zu mittelfristigen Erträge, die er gerade einsammelt, dadurch, dass er auch die Steuerreform durchgeführt hat und es der US-amerikanischen Wirtschaft momentan gut geht, wieder aufgefressen durch diese Nachteile dieser Zollpolitik?
    Schmucker: Genau. Das ist genau dieser Tipping Point, auf den wir gerade warten. Der IWF hat ja auch gesagt, die größten Risiken gehen von geopolitischen und Handelsrisiken aus, und sieht voraus, dass das globale Bruttoinlandsprodukt deutlich sinken wird, auch dramatisch zu einer Krise führen kann. Aber das ist in den USA noch nicht da. Und wenn wir diesen Tipping Point haben, dass diese positiven Auswirkungen der Steuerreform weniger wert sind als die Probleme durch die Handelspolitik, dann wird er auch seine Politik ändern, weil er ja ganz stark immer auf Zahlen guckt. Aber den USA geht es einfach sehr, sehr gut.
    Sturmberg: Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.