Mittwoch, 24. April 2024

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Grünen-Politikerin Harms kritisiert G8-Einigung zum Klimaschutz

Die Grünen-Politikerin Rebecca Harms hält den G8-Kompromiss zum Klimaschutz für unzureichend. Es lägen "Lichtjahre zwischen der Rhetorik und der Bereitschaft", verbindliche Klimaschutzziele zu vereinbaren, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Zugleich beklagte sie, dass bei den Protesten gegen den Gipfel das Thema Klimaschutz zu kurz gekommen sei.

Moderation: Friedbert Meurer | 08.06.2007
    Friedbert Meurer: US-Präsident George Bush hat sich übrigens heute bei Frau Merkel als Ratspräsidentin, als G8-Präsidentin. krank gemeldet mit einer Magenverstimmung, ist also am Vormittag bei den Gesprächen nicht dabei gewesen. Jetzt könnte mancher unken, dass Bush seine eigenen Zugeständnisse gestern beim Klimaschutz auf den Magen geschlagen sein könnten. Aber die Zugeständnisse, das sagen ja die Kritiker, sind nicht verbindlich. Die USA haben sich eben nicht dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2050 den Ausstoß von CO2 zu halbieren. Sie ziehen es lediglich, Zitat, "ernsthaft in Betracht". ( MP3-Audio , Bericht von Gerhard Irmler)

    In Brüssel begrüße ich nun Rebecca Harms. Sie ist die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Guten Tag, Frau Harms!

    Rebecca Harms: Guten Tag!

    Meurer: Sie haben den Kompromiss der G8 als "Schiffbruch am Ostseestrand" bezeichnet. Warum würdigen Sie nicht die Fortschritte?

    Harms: Wenn ich jetzt mal mich festmache an Herrn Steiner, dann würde ich sagen, es gibt einen kleinen Schritt nach vorne. Der heißt, es wird in Bali verhandelt werden bei der nächsten UNO-Konferenz mit den USA. Darüber hinaus ist überhaupt gar nichts klar. Es ist völlig unklar, um welche Zielvorgaben dort verhandelt werden wird, weil ja die Grundannahme, auf der basierend wir bisher Ziele verhandelt und vereinbart haben, zum Beispiel für Europa, nämlich die Grundannahme, dass die Erderwärmung um nicht mehr als zwei Grad gemessen immer an vorindustrieller Zeit steigen soll, diese Grundannahme, die ist ja auch nicht streitfrei gestellt worden in Heiligendamm.

    Meurer: Die zwei Grad stehen in der schriftlichen Abschlusserklärung zum Klima nicht drin. Es gibt aber den Verweis auf den Weltklimarat und die Studie und damit, so sagen diejenigen, die das beobachten, eben doch den Hinweis auf die zwei Grad. Erkennen die Amerikaner also doch an, mehr als zwei Grad dürfen es auf keinen Fall an Erwärmung werden?

    Harms: Mir sind ehrlich gesagt solche Hinweise oder Interpretationen von möglichen Hinweisen zu schwach. Das ist genauso vage wie die Formulierung, die man bezogen auf ein Ziel, das man für das Jahr 2050, also fast ein halbes Jahrhundert vor uns, formuliert hat. Etwas "ernsthaft in Betracht ziehen", das lässt doch eine Menge Interpretationsspielräume zu. Und ich habe den Eindruck, dass die Europäer bei ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel zum Thema Klimaschutz viel weiter gewesen sind, als sich das jetzt in Heiligendamm niedergeschlagen hat.

    Meurer: Da heute der Gipfel zu Ende geht, schon ein kleines Resümee vielleicht. Wenn Sie auch monieren, dass die verbindlichen Fortschritte wenig greifbar sind, hat dieser Gipfel die Idee des Umwelt- und Klimaschutzes weitergebracht?

    Harms: Ich denke, dass der Gipfel uns nicht über das hinausgebracht hat, was wir schon durch die Veröffentlichung von IPCC oder durch die Veröffentlichung von Nicolas Stern oder auch die Debatte rund um den Energiegipfel in Brüssel erreicht haben. Ich finde eher, dass dieser Gipfel so ein Signal der Verlangsamung des Prozesses aussendet. Wenn ich vergleiche, wenn ich nebeneinander stelle die Rhetorik, in der Frau Merkel und andere G8-Staatsoberhäupter üblicherweise in Brüssel das Klimaproblem beschreiben, wenn ich diese Rhetorik mir angucke: Sigmar Gabriel, ein wunderbares Beispiel. Der hat vor einigen Wochen gesagt, es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Rettung der Welt in der Klimapolitik. Wenn ich das daneben lege, wie jetzt in Heiligendamm verhandelt worden ist, dann finde ich, da liegen Lichtjahre zwischen der Rhetorik und der Bereitschaft, tatsächlich sich verbindlich zu verabreden und auch konkrete Maßnahmen für Zeiträume zu verabreden, die wir noch überschauen und die wir verantworten.

    Meurer: Frau Harms, Sie waren selbst als Grünen-Politikerin in Rostock, ich glaube sogar am vergangenen Samstag. Wortführer der Anti-Globalisierungsbewegung ist Attac. Sind die Grünen abgehängt von den Basisbewegungen beim Klimaschutz?

    Harms: Ich muss sagen, dass ich während der Stunden, die ich in Rostock war - und ich bin da am Vormittag angekommen und erst am frühen Abend wieder abgereist -, dass ich rund um diese Veranstaltung, Auftaktkundgebung und auch bei der beginnenden, aber ja sehr schwierig durchzuführenden Abschlusskundgebung wenig gehört habe und wenig mitgenommen habe zum Thema Klima. Da ging es um alles Mögliche. In erster Linie ging es um Formen der Auseinandersetzung. Ich fand zumindest diesen ersten Tag in Sachen Klima keine besonders geglückte Veranstaltung und denke auch, dass Attac und andere Organisatoren darüber diskutieren müssen. Ich gehöre zu den Grünen, und ich finde, dass wir im parlamentarischen Raum, in der parlamentarischen Auseinandersetzung stets an der Spitze der Debatte gestanden haben. Ich finde eigentlich, dass es bedauerlich ist, dass jetzt die Inhalte des Gegengipfels zum Beispiel, da war ja Klima ein wichtiges Thema, dass die zu einem großen Teil im Schatten der Debatte wieder über Auseinandersetzungsformen untergegangen sind.

    Meurer: Das war Rebecca Harms, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk zum Ende des G8-Gipfels. Frau Harms, schönen Dank und auf Wiederhören.

    Harms: Auf Wiederhören.