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Grüner Nachwuchs in den Startlöchern

Wie ein Löwe habe er gekämpft, sagt Patrick Held, echte Chancen auf einen Sieg bei der Urwahl des Grünen-Spitzenkandidaten rechnet sich der 24-Jährige aber nicht aus. Seiner Leidenschaft für Politik hat der zähe Wahlkampf gegen die Parteigranden aber keinen Abbruch getan.

Von Christel Blanke | 08.11.2012
    "Was sich für mich durch die Urwahl verändert hat, ist zu wissen, dass man diesem Druck standhalten kann. Für mich war’s einfach toll zu wissen: Okay, du bist da nicht ganz falsch."

    Patrick Held, 24 Jahre alt, gemeinsam auf der Bühne mit den grünen Promis Claudia Roth, Renate Künast, Jürgen Trittin. Den Fraktionschef nennt der Student in seinem Bewerbungsschreiben einen Veteranen der Vergangenheit. Und auch: Opa Jürgen:

    "Das mit dem Opa Jürgen, das ist ja nicht so frech und böse gemeint, wie es mir manche Leute ausgelegt haben, sondern ich hab versucht mit allem, was ich kann, wirklich ernsthaft in diese Wahl zu gehen als Alternative. Und wenn mich Opa Jürgen ehrlich schlägt, dann hat Opa Jürgen auch die volle Legitimation, die Grünen in den nächsten Wahlkampf zu führen."

    "Ich kann Ihnen heute ein Zwischenergebnis mitteilen, und zwar haben wir eine Wahlbeteiligung von 61,64 Prozent. In absoluten Zahlen sind dies 36.533 Mitglieder, die sich an der Urwahl beteiligt haben."

    Als Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke diese Zahlen in Berlin bekannt gibt, ist Patrick Held nicht dabei. Aber einen Tag zuvor war er in der Hauptstadt, um sich schon einmal alles anzusehen. Denn Berlin, das ist sein Ziel. Nicht die Stadt. Sondern das Parlament. Patrick Held träumt vom Bundestag. Schon 2009 bewarb sich der Bayreuther für einen Listenplatz bei den bayerischen Grünen:

    "Meine vermeintliche Schwäche, mein junges Alter, ist meine Stärke. Denn Politik hat bedauerlicherweise genauso viel mit richtigen Inhalten zu tun, wie mit Aufmerksamkeit."

    Das Publikum ist aufmerksam, der Applaus groß. Geklappt hat es trotzdem nicht mit dem Listenplatz. Doch kleinere Brötchen backt Patrick Held deshalb noch lange nicht. Er ist selbstbewusst und sicher, etwas bewegen zu können. Die Urwahl bietet ihm eine Chance, sich den Grünen für Höheres zu empfehlen. Sein Auftritt beim ersten Urwahlforum im September in Hannover ist durchaus bemerkenswert, wenn auch etwas pathetisch und vielleicht zu gut einstudiert. In Pulli, Jeans und Turnschuhen geht er ans Stehpult, richtet das Mikrofon aus und nimmt das beigefarbene Baseballcap, ohne das er nun kaum noch zu sehen sein wird, vom Kopf. Er streicht das schulterlange, blonde Haar zurück und setzt die Kappe verkehrt herum wieder auf. Dann stützt er sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab, holt noch einmal Luft und legt los:

    "Was würdest du sagen, wenn du drei Minuten in deinem Leben bekommst, um das Leben von deiner zukünftigen Familie, dir selbst und deinen Freunden zu retten? Was würdest du sagen, wenn du 24 Jahre jung wärest, deine Kinder mit 25.000 Euro Schulden pro Kopf geboren werden und du einer globalen Klimakatastrophe ins Auge schaust, die jeden dritten Weltkrieg lächerlich erscheinen lässt. Ich sage dies: Mein Name ist Patrick, ich bin 24 Jahre alt und ich trete hier an, weil ich glaube, dass eine Wahl nur dann das Wort Demokratie verdient, wenn es eine echte Wahlalternative gibt."

    In keiner Partei kann man mehr bewirken als bei den Grünen, ist Patrick Held, der einen Bachelor in Philosophie und Wirtschaft hat, überzeugt. Auch als junger Mensch. Zur Grünen Jugend fühlt er sich trotzdem nicht hingezogen. Geht lieber zu den Alten:

    "Letzten Endes können die jungen Menschen nichts mehr gegen die Mehrheit der älteren Menschen alleine bewegen. Aber gemeinsam mit ihnen alles."

    Dass Politik nicht nur von denen gemacht wird, die sie schon immer gemacht haben, darauf kommt es Patrick Held an. Er selbst will maximal acht Jahre in den Bundestag. Weil Macht Menschen verändert, wie er sagt:

    "Was ich mir wünsche ist irgendwann mal so eine Kultur des Weitergebens. Dass man irgendwann mal klar sagt: Jetzt ist meine Zeit gekommen. Es ist an der Zeit, es in frische Hände zu geben, die meine Projekte zu neuer Blüte tragen."

    Frischen Wind und neue Ideen wünscht sich Patrick Held für seine Partei. Und denkt dabei doch zuerst wieder an urgrüne Themen:

    "Ich steh auf jeden Fall für die Themen, dass wir uns dem Klimawandel nachhaltig stellen, dass wir mehr wieder auf die Notwendigkeiten achten und weniger auf die Wiederwahl. Ich steh’ auch für die Themen, dass wir uns auf neue Probleme fokussieren, wie eben die gesamte digitale Vernetzung unserer Lebenswelt."

    Patrick Held ist Basismitglied. Auf die großen Medien kann er in seinem Wahlkampf nicht setzen. Er wirbt für sich auf seine, auf junge Weise. Das Internet ist seine Plattform. Twitter, Facebook, Youtube - damit will er sein Publikum erreichen:

    "Das ist ja auch das schöne an unserer heutigen Zeit, dass man mit ganz wenig Mitteln, auch Geldmitteln, unglaublich viele Menschen erreichen kann."

    Jede Stimme für mich ist ein Aufbruchsignal für mehr, mutige, frische Leute bei uns Grünen, schreibt Patrick Held in seiner Bewerbung für die Urwahl. Dass er Chancen auf die Spitzenkandidatur hat, glaubt er bei allem Ehrgeiz dann aber doch nicht:

    "Ich hab zwar gekämpft wie ein Löwe, aber es ist jetzt nicht so wahrscheinlich."

    "Wir werden das Ergebnis am Samstag um zehn Uhr bekannt geben und dann auch eine Pressekonferenz am frühen Nachmittag der dann gewählten Spitzenkandidaten haben."

    Patrick Held wird nicht dabei sein. Er hat Wichtigeres zu tun. Fährt zum Bezirkstreffen der Grünen in der Oberpfalz:

    "Dann mach ich mit dem weiter, was ich seit vier Jahren mir vorgenommen habe, eben versuchen, in Bayern auf einen Bundestagslistenplatz zu kommen und dann acht Jahre Politik zu bewegen. Dafür opfere ich jeden Cent, den ich noch habe, jede freie Sekunde, weil: Für mich gibt’s nichts Größeres als Politik zu machen, ja."