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Grüner Punkt
Kommunale Entsorger kritisieren Duales System

Die Deutschen trennen ihren Müll weltmeisterhaft. Entscheidend ist allerdings, was hinterher mit dem Abfall passiert. Um Verpackungsabfälle mit dem "Grünen Punkt" schwelt hinter den Kulissen seit Langem ein Streit - es geht unter anderem um Lizenzabgaben und die Alternativen zum Dualen System.

Von Verena Kemna | 10.04.2014
    Laut einer Forsa-Umfrage wünscht sich mehr als die Hälfte der Befragten, dass künftig die Kommunen und nicht private Entsorger für das Recycling von Verpackungen zuständig sein sollen. Auch Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe kritisieren das derzeitige Entsorgungssystem. So würden viele Supermärkte, Verkaufsverpackungen ohne Lizenz in Gelben Säcken entsorgen und Millionen sparen.
    Duale Systeme verzeichnen negativen Trend
    Die Clearingstelle der Dualen Systeme meldet für das erste Quartal 2014 fast ein viertel weniger Tonnen an Leichtverpackungen als im ersten Quartal des vergangenen Jahres. Auch bei Papier, Pappe, Karton und Glas verzeichnen die Dualen Systeme einen Negativtrend. Dazu kommt, dass laut Umweltbundesamt nicht einmal die Hälfte der im Umlauf befindlichen Verpackungen lizenziert sind.
    Milliardenbeträge an Lizenzgebühren gehen jährlich verloren
    Insider schätzen, dass dem Dualen System in diesem Jahr Lizenzeinnahmen von etwa 130 Millionen Euro fehlen. Hans- Joachim Reck vom Verband kommunaler Unternehmen schätzt, dass dem Entsorgungssystem insgesamt Milliardenbeträge verloren gehen. Nach zwei Jahrzehnten Verpackungsverordnung hat der Verband kommunaler Unternehmen ein Gutachten erstellen lassen. VKU Präsident Hans-Joachim Reck zieht eine ernüchternde Bilanz.
    "Was gegenwärtig passiert ist zweierlei. Der Bürger ist völlig verwirrt, er weiß gar nicht, wie er vernünftig entsorgen soll. Zweitens ist das, was da gemacht wird, volkswirtschaftlich unsinnig. Die Rückführung von Verpackungsmaterialien in den wichtigen Sekundärrohstoffkreislauf beträgt nur zwanzig Prozent. Das heißt, wir haben Masse aber keine Qualität."
    Volkswirtschaftlicher Unsinn
    Auch das eigentliche Ziel der Verordnung, nämlich die Reduzierung von Verpackungen, sei nicht erkennbar. Kunststoffverpackungen hätten in den vergangenen Jahren sogar um 25 Prozent zugenommen. Die Probleme seien offensichtlich, erklärt Heinz-Georg Baum vom Betriebswirtschaftlichen Institut für Abfall- und Umweltstudien und Autor des Gutachtens für den Verband kommunaler Unternehmen. Da sind zum einen die Verbraucher, die heutzutage weniger bereit sind, ihren Müll zu trennen als noch vor zwei Jahren.
    Mangelnde Akzeptanz und miserable Recyclingbilanz
    So landet fast die Hälfte der Leichtverpackungen nicht im gelben Sack, sondern in der grauen Hausmülltonne. Richtig trennen sei praktisch unmöglich, so Gutachter Baum. Wer kann schon verstehen, dass ein Kleiderbügel nur in den gelben Sack gehört, wenn er Teil einer Verpackung war, nicht aber, wenn er als Kleiderbügel im Laden gekauft wurde. Zur mangelnden Akzeptanz, kommt eine miserable Recyclingbilanz.
    "Wir haben Fehlwürfe unglaublichen Ausmaßes. Wir haben Speisereste, wir haben Fremdkörper drin. Auch das Recycling funktioniert eigentlich nicht. Das hat mit Recycling nicht viel zu tun. Wenn sie real hinten schauen, kommen Quoten zwischen 20 und 30 Prozent raus und dann teilweise auch inferiore Produkte."
    Masse statt Klasse
    Dabei könnte die Recyclingquote unter den richtigen Bedingungen bei 40 Prozent liegen, meint Hans-Georg Baum. Doch derzeit werde vor allem Masse statt Klasse produziert.
    "Wir müssen neben dieser reinen Fixierung auf eine Zahl, darauf achten, dass am Ende ein Stoff heraus kommt, den der Markt will. Also derjenige, der vielleicht weniger recycelt, aber dafür höherwertige Sekundärrohstoffe zur Verfügung stellt, der sollte in dem System, das uns vorschwebt, besonders honoriert werden."
    Auch den offenen Wettbewerb der Entsorger und Systembetreiber untereinander bezeichnet der Verband kommunaler Unternehmen schlichtweg als ruinös. VKU-Präsident Reck fordert für die anstehende Novelle der Verpackungsverordnung ein radikales Umdenken. Ausschließlich die Kommunen und nicht private Entsorger sollten künftig den Hausmüll entsorgen.
    "Dann müssen wir diskutieren und da sind wir, was Lösungen angeht, völlig offen. Auch mit der privaten Entsorgungswirtschaft, die im Übrigen dann die Stoffströme entsprechend aufbereitet oder verwertet oder entsorgt. Das ist ein Diskussionsprozess, der noch vor uns steht."